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Kann Gurlitt die Bilder behalten?

10. November 2013

Deutsche Museen werden nach Auffassung der Ermittler keine Bilder aus der Sammlung zurückbekommen, die beim Kunsthändler-Sohn Gurlitt entdeckt wurde. Aber einige jüdische Erben können hoffen.

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In Augsburg gezeigte Reproduktion eines Franz Marc-Gemäldes (Foto: AFP/getty images)
Bild: Christof Stache/AFP/Getty Images

Der Kunsthändler-Sohn Cornelius Gurlitt ist nach Auffassung des Zollkriminalamts (ZKA) rechtmäßiger Besitzer der in seiner Wohnung entdeckten Gemälde, soweit es sich um von den Nationalsozialisten als "entartete Kunst" beschlagnahmte Gemälde handelt. Das Magazin "Focus" und die Zeitung "Bild am Sonntag" melden unter Berufung auf einen ZKA-Bericht an das Bundesfinanzministerium, dass diese 315 Kunstwerke ausschließlich aus staatlichen und städtischen Museen stammten. Deshalb dürften "Rückgabe oder Restitutionsansprüche der ehemaligen Eigentümer nicht durchsetzbar sein", so die Experten des Zolls.

Wie erst vor wenigen Tagen bekannt geworden ist, hatte die Augsburger Staatsanwaltschaft in Gurlitts Münchner Wohnung im Februar 2012 insgesamt 1406 Bilder beschlagnahmen lassen, darunter Meisterwerke der "klassischen Moderne". Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den 79-Jährigen wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung.

Wie "Bild am Sonntag" berichtet, hatte Gurlitts im Jahr 1956 gestorbener Vater, der Kunsthändler Hildebrand Gurlitt, dem Propagandaministerium im Jahr 1940 gut 200 sogenannte entartete Kunstwerke für 4000 Schweizer Franken abgekauft - darunter die Bilder "Bauernfamilie" von Pablo Picasso, "Spaziergang" von Marc Chagall und "Hamburger Hafen" von Emil Nolde. 1941 habe er dem NS-Staat dann weitere 115 Werke "entarteter" Kunst abgekauft.

Geschäftsbücher sichergestellt

Bei der Razzia im Februar 2012 beschlagnahmten die Ermittler nach Informationen des "Focus" auch Hildebrand Gurlitts Geschäftsbücher. Darin seien die Namen jüdischer Sammler vermerkt, denen er Bilder abgekauft habe, meist für Spottpreise. In der Wohnung von Cornelius Gurlitt seien auch 181 Bilder beschlagnahmt worden, die mit "großer Wahrscheinlichkeit" einem jüdischen Sammler in Dresden gehört hätten, der sie vor seiner Flucht unter dem Druck des Nazi-Terrors verkauft habe, so der "Focus" weiter. Die Erben dieses Sammlers hätten nach Einschätzung des Zolls Anspruch auf Rückgabe der Werke. Das gelte auch für mindestens 13 Bilder, die den einstigen Eigentümern von NS-Organisationen abgepresst oder unter Druck verkauft worden seien, heißt es in dem Magazin-Bericht.

Eine Delegation des Kanzleramts erörterte laut "Focus" am Freitag im bayerischen Justizministerium in München Möglichkeiten, die Liste von Gurlitts Bildern rasch zu veröffentlichen. Ein Erbe des jüdischen Kunsthändlers Alfred Flechtheim, Michael Hulton, sagte der Zeitschrift: "Ich bin entrüstet darüber, dass die deutschen Behörden, die doch seit vielen Jahren darauf hinweisen, dass man sich bei der NS-Raubkunst dem Gebot der Transparenz verpflichtet fühlt, diesen Fund so lange geheim gehalten haben."

Gutachten liegt bereits vor

Die mit der wissenschaftlichen Aufarbeitung des Falls beauftragte Berliner Kunsthistorikerin Meike Hoffmann kritisierte nach "Focus"-Angaben ebenfalls das lange Schweigen der Ermittler zu dem Fund. Ihr vorläufiges Gutachten liege der Staatsanwaltschaft vor. Werde nun nicht endlich gehandelt, drohe alles in einem "Desaster" zu enden, zitierte das Magazin die Wissenschaftlerin.

Unterdessen berichtete die französische Illustrierte "Paris Match", ihre Mitarbeiter hätten Cornelius Gurlitt in einem Einkaufszentrum im Münchner Stadtteil Schwabing entdeckt. Allerdings habe er sich nicht ansprechen lassen. Das Magazin "Der Spiegel" erhielt nach eigenen Angaben einen Brief des 79-Jährigen.

wl/uh (dpa, afp)