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Karamba Diaby: Überraschender Abschied vom Bundestag

5. Juli 2024

2013 zog Karamba Diaby als erster in Afrika geborener Schwarzer für die SPD in den Bundestag ein. In der Vergangenheit war er immer wieder rassistisch attackiert worden.

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Karamby Diaby faltet die Hände im Foyer des Bundestages
Schluss mit der Bundespolitik: Karamba Diaby will sich aber weiter für die SPD engagierenBild: Zura Karaulashvili/DW

Irgendwann hatte auch Karamba Diaby genug. Vor einem Monat veröffentlichte der SPD-Politiker aus Halle auf seinem Instagram-Account Hassnachrichten gegen ihn und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Bei Morddrohungen sei für ihn eine "rote Linie überschritten."

Vier Wochen später erklärt Diaby seinen Rücktritt aus der Bundespolitik, er werde nicht mehr für den nächsten Bundestag kandidieren. Im Gespräch mit der Deutschen Welle betont Diaby, vor allem persönliche und nicht politische Gründe steckten dahinter.

"Das ist eine persönliche Entscheidung, die mit meiner Familie abgestimmt ist. Und das überwiegt, warum ich diese Entscheidung getroffen habe. Man muss auch anmerken, dass ich am Ende dieser Wahlperiode 64 Jahre werde, und ich denke, das ist die richtige Zeit, auch neue Wege zu gehen und vor allem Jüngeren die Chance zu geben, auch Verantwortung zu übernehmen."

Hasskommentare, Morddrohungen, Brandanschlag

Karamba Diaby war vor elf Jahren als erster in Afrika geborener Schwarzer in den Bundestag eingezogen, 2021 führte er sogar die SPD-Landesliste Sachsen-Anhalt als Spitzenkandidat an. In Senegal geboren und durch ein Studium in Halle in die DDR gekommen, gilt er als Vorzeige-Politiker für ein neues, weltoffenes und tolerantes Deutschland. Wahrscheinlich gerade deswegen wurde Diaby in den vergangenen Jahren immer häufiger zur Zielscheibe rassistischer Angriffe. Und nicht nur er, sondern auch sein Team.

"Sie werden erpresst oder bedroht, dass sie aufhören sollen, bei mir zu arbeiten. Das sind Methoden, die nicht konform sind mit unserem Grundgesetz, und da werden die Ermittlungsbehörden mit Sicherheit ihre Aufgabe zu lösen haben. Ich kann nur wiederholen, ich lasse mich nicht einschüchtern, denn ich weiß, dass die überwiegende Mehrheit der Menschen mich unterstützt, ich bekomme unheimlich viel Solidarität."

Doch da sind auch rassistische Anfeindungen, die immer mehr und stärker werden. 2020 wurden auf sein Wahlkreisbüro Schüsse abgegeben, Diaby erhielt eine schriftliche Morddrohung. Und 2023 verübte ein Mann, der den SPD-Politiker schon mehrfach rassistisch beleidigt hatte, einen Brandanschlag auf das Wahlkreisbüro in Halle. In der Verantwortung sieht Diaby auch die AfD, deren Redebeiträge im Bundestag voller Hass und Herabwürdigung gegenüber Migranten und anderen Minderheiten seien - für ihn der Nährboden für Hass und Gewalt auf der Straße.

"Es gibt eine kleine Gruppe von Menschen in diesem Land, die Hass und Hetze verbreiten. Ihr Ziel ist, Menschen einzuschüchtern, dass sie ihre Arbeit nicht machen. Das erleben wir in diesem Land auch beim Technischen Hilfswerk, beim Deutschen Roten Kreuz, und bei Polizistinnen und Polizisten, die angegriffen werden. Ich denke, das sollte nicht die Regel in diesem Land sein, wir müssen diskutieren, was für eine Gesellschaft wir haben wollen."

Karamba Diaby steht im Foyer im Bundestag, vor ihm das DW-Kamerateam
​​"Meine Appell: Jeder, der angegriffen und bedroht wird, sollte das veröffentlichen" - Karamba Diaby im DW-InterviewBild: Zura Karaulashvili/DW

Gesamtdeutsches Problem, durch soziale Medien befeuert

In Deutschland wächst die Sorge, dass Einschüchterungen gegen missliebige Politikerinnen und Politiker zur neuen Realität gehören. Anfang Mai war der SPD-Politiker Matthias Ecke in Dresden krankenhausreif geschlagen worden, nachdem er Plakate für seine Partei im Europawahlkampf aufgehängt hatte. Ein Problem nur im Osten Deutschlands? Lotta Rahlf, Doktorandin am Peace Research Institute Frankfurt (PRIF), verneint dies gegenüber der DW.

"Wo rechte Akteure Überforderungsgefühle besonders aktiv aufgreifen, mit vereinfachten Narrativen arbeiten und Hass gegen eine politische Elite oder den Staat schüren, kann man schon feststellen, dass dort die Bedrohungslage ein wenig stärker ist. Es handelt sich grundsätzlich jedoch um ein gesamtdeutsches Problem."

 Lotta Rahlf | Doktorandin am Peace Research Institute Frankfurt (PRIF)
"Die Prävention von Gewalt an Politikern muss gestärkt werden, Projekte brauchen längerfristige Förderung" - Lotta RahlfBild: Uwe Dettmar/Peace Research Institute Frankfurt

Rahlf beobachtet, dass in der Gesellschaft sehr viel Frust und Unzufriedenheit gegenüber der Politik und dem Staat herrsche, weil sie mit der Corona-Pandemie, dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine oder auch den gestiegenen Lebenshaltungskosten mit mehreren Krisen gleichzeitig konfrontiert sei. Dann würden Anfeindungen verbaler Natur oder auch Gewalt als legitimes Mittel gesehen, um aus diesem Ohnmachtsgefühl auszubrechen. Beliebtes Ventil am Anfang: Kommentare im Internet.

"In den sozialen Netzwerken wird eine Verrohung der Sprache zunehmend normalisiert. Es ist unglaublich einfach, sich auf eine bestimmte Art und Weise im Internet zu äußern und Bestätigung dafür zu erhalten. Außerdem haben wir es mit Plattformen zu tun, wo sich Falschmeldungen sehr schnell verbreiten, wo Freund-Feindbilder entstehen und wo diese durch die Echokammern dann noch verstärkt werden."

"Demokratisches Fundament bröckelt"

Was aber, wenn sich immer mehr Politiker wie Diaby, Ehrenamtler und engagierte Freiwillige aus der Öffentlichkeit zurückziehen, weil sie möglicherweise die Attacken leid sind oder weil demokratiefördernde Projekte nicht mehr finanziert werden? 180 zivilgesellschaftliche Organisationen haben angesichts der Haushaltsverhandlungen einen offenen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz geschrieben und gewarnt: Lasse man diese Projekte auslaufen, werde die Zivilgesellschaft auf Jahrzehnte geschwächt und die demokratische Kultur erodiere.

Extremismus-Expertin Rahlf sagt: "Die Folgen sind demokratiegefährdend. Und das ist natürlich besonders im Bereich der Kommunalpolitik problematisch, weil das auch ein Fundament unserer Demokratie ist, wo viele politische Ämter ehrenamtlich wahrgenommen werden. Wenn sich hier dann immer mehr Leute zurückziehen, bröckelt das demokratische Fundament."

Porträt eines blonden Manns im schwarzen Hemd
Oliver Pieper DW-Reporter und Redakteur