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Start in den Unruhestand

Sonja Jordans16. Mai 2016

Karl Kardinal Lehmann, Bischof von Mainz, wird 80 Jahre alt. Nach seinem Geburtstag möchte er es etwas ruhiger angehen lassen. Einiges vorgenommen hat er sich dennoch.

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Kardinal Karl Lehmann (Foto: AFP)
Bild: AFP/Getty Images

Eine ruhige Feier im kleinen Kreis wird es sicher nicht werden. Auf Karl Kardinal Lehmann, der an diesem Montag seinen 80. Geburtstag begeht, warten zahlreiche Gratulanten, Gottesdienst, Festakt und Fernsehübertragung.

Erst danach könnte es zumindest ein bisschen ruhiger werden: Die Feierlichkeiten sollen die letzten großen öffentlichen Termine sein, die der Mainzer Bischof wahrnimmt. Bereits vor fünf Jahren hatte er Papst Benedikt XVI. seinen Rücktritt angeboten. Damals hatte dieser das Gesuch abgelehnt. Nun hat Papst Franziskus der Bitte entsprochen und Lehmann in den Ruhestand verabschiedet.

Tausende Veröffentlichungen

Äußern werde sich Karl Kardinal Lehman dann nur noch, "wenn er es für angebracht hält", heißt es seitens des Bistums. Man darf gespannt sein, was das bedeutet. Bis dato hatte sich Karl Kardinal Lehmann, geboren am 16. Mai 1936 in Sigmaringen in Baden-Württemberg als Sohn eines Volksschullehrers, zu kirchlichen wie auch gesellschaftlichen Fragen umfangreich und oft genug kritisch geäußert. Seine Meinung war gefragt. Er gilt als "Mann des Wortes", seine Bibliographie umfasst inzwischen rund 4200 Einträge.

Öffentlich bekannt wurde er spätestens Anfang der 1990er Jahre: Hörbar hatte er in der Debatte zu Schwangerenkonfliktberatungen durch katholische Institutionen und der Ausstellung von Beratungsscheinen seinen Standpunkt vertreten. Einen solchen Schein müssen Frauen in Deutschland vorweisen, um unter bestimmten Voraussetzungen straffrei abtreiben zu können.

Konfliktberatung für Schwangere

1992 hatte Lehmann deutlich gemacht, dass die Konfliktberatung dennoch Teil des kirchlichen Angebots bleiben solle - obgleich er Abtreibungen als Unrecht ansieht. Es sei "der Kirche nicht erlaubt, sich vorschnell aus komplexen und schwierigen Situationen unserer Gesellschaft einfach zurückzuziehen", hatte er damals betont.

Das Thema beschäftigte die katholische Kirche in Deutschland und Lehmann über Jahre. 1998 schließlich hatte der Papst in einem Brief gefordert, dass katholische Institutionen keine Scheine mehr ausstellen sollen. Lehmann versuchte, einen Kompromiss zu finden. Vergebens. Der Papst - derselbe, der Lehmann trotz dieser Meinungsverschiedenheiten 2001 zum Kardinal ernannte - sprach ein Machtwort: keine Scheine mehr. Nachdenklich sei er geworden, weil bei der Debatte der Respekt vor dem Leben des ungeborenen Kindes in der Gesellschaft zu kurz gekommen sei, sagte Lehmann dazu später. Dem Verhältnis zum Papst habe diese Episode aber nicht geschadet.

Kardinal Karl Lehmann lacht (Foto: picture alliance/dpa/F. von Erichsen)
Fröhlich und meinungsstark: Karl Kardinal LehmannBild: picture-alliance/dpa/F. von Erichsen

Einsatz für die Ökumene

Auch sein Verhältnis zu den Medien war stets gut. Gerade Kommentare in Zeitungen seien für Theologen eine besondere Chance, die Menschen zu erreichen, hat Lehmann, dessen Bruder Journalist war, einmal betont. Auch in Zukunft, nach seinem Rücktritt, wolle er den einen oder anderen Kommentar veröffentlichen, ließ er verlauten.

Lehmann selbst wurde vom Elternhaus und einem Lehrer für Deutsch, Französisch und Philosophie beeinflusst. Von ihm habe er "viele Einblicke in die vielen Fragen und Rätsel des menschlichen Lebens erhalten", wie er bei einem Pressegespräch erzählte. Kurz vor dem Abitur 1956 entschied er sich für die Theologie. Im selben Jahr begann er sein Studium der Philosophie und Theologie an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg.

Hohes Tempo

Dann ging alles schnell: 1957 durfte Lehmann nach Rom, wo er sein Studium an der Päpstlichen Universität Gregoriana fortsetzte. Knapp fünf Jahre später folgte die Promotion, im März 1963 die Weihe zum Priester. 1968 kam Lehmann nach Mainz - er war an die katholisch-theologische Fakultät der Johannes-Gutenberg-Universität berufen worden. Seine Lehrtätigkeit führte ihn später unter anderem nach Freiburg, Luzern, Münster und Tübingen.

Das Tempo, das er bis dato vorgelegt hatte, behielt er bei. Unter anderem war er im ökumenischen Arbeitskreis katholischer und evangelischer Theologen tätig, erst als wissenschaftlicher Leiter, später als Vorsitzender. 1983 wurde er zum Bischof von Mainz gewählt, 1987 erstmals zum Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz. 2008 trat Lehmann, nachdem er immer wieder gewählt worden war, von diesem Amt zurück. Von 1988 bis 1998 war er außerdem Mitglied der Glaubenskongregation, später Mitglied der Europäischen Akademie der Wissenschaften in Salzburg und Honorarprofessor. Und immer wieder beschäftigte er sich mit der Ökumene.

Vorfreude auf "freie Wochenenden"

Er erhielt Auszeichnungen und Ehrungen , darunter 1988 das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. 2005 und 2013 nahm er am Konklave teil, als Benedikt XVI. beziehungsweise Papst Franziskus gewählt wurden. Er hat viel erlebt. Selbst die wichtigsten Stationen seines Lebens lassen sich kaum alle aufzählen.

Für die Zeit nach dem 16. Mai freue er sich auf "freie Wochenenden", lässt Lehmann verlauten. Außerdem habe er Anfragen für Vorträge erhalten, und ein Buchprojekt stehe an. Es sieht also aus, als werde es nur ein bisschen ruhiger um den Achtzigjährigen. Er hat noch eine Menge zu sagen.