Kardinal Marx: Europa am Scheideweg
8. September 2015"Europa steht da wirklich an einem Scheideweg", sagte der Erzbischof von München und Freising vor Journalisten in Berlin. Bei der humanitären Aufnahme Schutzsuchender müsse Europa beweisen, dass es "wirklich für Werte und Grundüberzeugungen steht".
In erster Linie müsse es darum gehen, "dass an europäischen Grenzen niemand verdurstet oder erstickt", forderte Kardinal Reinhard Marx. " Die Kirche sei offen für Einwanderung, die allerdings "geregelt werden" müsse. "Was aber möglich ist, sollte man tun." (Im Artikelbild begrüßen Marx (l.) und der EKD-Ratsvorsitzende Bedford-Strohm Flüchtlinge auf dem Münchner Hauptbahnhof).
Kritik an EU-Regierungen
Marx kritisierte zugleich die Uneinigkeit der EU-Regierungen in der Flüchtlingsfrage: "Der Rückfall in nationale Interessen ist bedauernswert." Man dürfe nicht meinen, "wir könnten auf einer Insel des Wohlstands in Europa bleiben und unsere Grenzen sichern", so Marx weiter. Dies sei auf Dauer irrational.
Die Flüchtlingskrise habe ihre Hauptursache in der wirtschaftlichen Ungleichheit in der Welt. Er sei der Überzeugung, dass die Mehrheit der Bürger in der EU für die Aufnahme von Flüchtlingen sei, und habe Hoffnung, "dass Druck von unten kommt", sagte der oberste deutsche Bischof.
Appell an Gemeinden
Zugleich rief der Kardinal die katholischen Gemeinden in Deutschland zur verstärkten Solidarität mit den Flüchtlingen auf. Er gehe davon aus, dass Pfarreien, die dazu in der Lage seien, mehr als eine Flüchtlingsfamilie aufnähmen, sagte der Erzbischof. Er habe die Hoffnung, dass mehr Familien beherbergt würden, als es Pfarreien in Deutschland gebe. Nach Angaben der Bischofskonferenz gibt es knapp 11.000 Pfarreien.
Papst Franziskus hatte am Sonntag alle Pfarreien, religiösen Gemeinschaften, Klöster und Wallfahrtsorte in Europa aufgefordert, eine Flüchtlingsfamilie aufzunehmen.
"Geld kein Problem"
Sein Münchner Bistum stelle als Soforthilfe fünf Millionen Euro für die Flüchtlingshilfe zur Verfügung, teilte Marx mit. Auch die Hilfe der anderen großen Bistümer bewege sich in dieser Größenordnung. Dazu kämen die Mittel von Hilfsorganisationen wie die Caritas. "Geld ist nicht das Problem", betonte der Vorsitzende der Bischofskonferenz.
wl/SC (dpa, afp, epd)