Karriere ja - aber nicht um jeden Preis
11. März 2013Papa war früher immer im Büro und nie zuhause. Wäre dies ein Lied, nicht wenige von Deutschlands 30-Jährigen könnten lauthals einstimmen. Sie haben erfahren, was es bedeutet, wenn Karriere und Familie sich nicht vertragen. Nun wollen sie es anders machen: Auf der Karriereleiter vorwärts kommen, aber auch Zeit für Freunde und Familie haben.
Eine anspruchsvolle Generation verlässt derzeit die Unis und erobert den Arbeitsmarkt - und hat sich unter Forschern schon einen Namen gemacht: Generation Y. Der Buchstabe Y wird im Englischen als "why" ausgesprochen. Zu deutsch: "warum". Diese Generation stelle gängige Annahmen über die Arbeitswelt in Frage, so die Begründung für den Titel. Eben nicht mehr: Arbeit geht vor. Sondern: Arbeit und mehr.
Als Kinder der Nachkriegs-Generation sind die heute 30-Jährigen zwar wohlbehütet aufgewachsen. Doch sie erlebten auch, wie rasant sich alles verändern konnte, sagt der Jugendforscher Klaus Hurrelmann. Und stellt eine durchaus umstrittene These vor: "Es sind junge Leute, die in Zeiten groß geworden sind, die alles andere als sicher waren." Hurrelmann spricht von "Experten im Aushalten von Ungewissheit". Wer in den Jahren nach 1980 geboren wurde, hat den Zusammenbruch des Ostblocks erlebt, die deutsche Wiedervereinigung und die Anschläge am 11. September 2001 auf das World Trade Center in New York.
Sicheres Aufwachsen - unsichere Arbeitswelt
Vor allem aber habe sich für diese Generation die Arbeitswelt fundamental geändert: Weg von der womöglich lebenslangen Vollzeitstelle, wie die Eltern sie kannten und hatten. Und hin zu sehr viel unsichereren Arbeitsformen: Hier ein Praktikum, da ein befristeter Vertrag, zwischendurch arbeitslos und dann eine Zeit lang selbständig - selbst in Branchen, die früher jeden Mitarbeiter fest einstellten.
Hurrelmanns These ist nicht allgemein anerkannt. Schließlich gibt es auch genügend Argumente für die Gegenmeinung: In der Geschichte der Menschheit sei noch nie eine Generation derart in Wohlstand und Frieden aufgewachsen wie die "Generation Y". Und dennoch sind die Gedanken des Forschers ein Ansatz, um die Wünsche dieser Geburtenjahrgänge zu erklären. Immerhin erleben die 30-Jährigen eine sehr schnelle und sich schnell verändernde Gegenwart. Und: Sie könnten eine Generation sein, deren Wohlstand geringer ist als der der Eltern.
Eine Generation will mit sich selbst im Reinen sein
Dabei blickt die "Generation Y" durchaus optimistisch in die Zukunft, wie eine Studie von 2010 zeigt. Probleme würden pragmatisch angepackt, heißt es in der "Shell-Studie", die vom Erdölmulti Shell gesponsert wird. Die 30-Jährigen seien leistungsorientiert, aber auch sozial. Freundschaften und Familie seien ihnen wichtig. Die Generation wolle gerne arbeiten. Nur eben unter anderen Bedingungen, als es ihre Eltern getan haben.
Die Arbeitsmotivation dieser Generation sei hoch, sagt Jugendforscher Hurrelmann, der auch an der Shell-Studie mitgewirkt hat. Aber sie wünsche sich eben auch, dass Familie und Arbeit sich gut miteinander vereinbaren ließen. Der Verdienst spiele, anders als in vorigen Generationen, eine deutlich geringere Rolle.
"Man möchte insgesamt mit sich selbst im Reinen sein und möchte sich durch keine Tätigkeit im beruflichen Bereich völlig absorbieren lassen", sagt Hurrelmann. "Das wird der Takt der Zukunft sein." Unternehmen seien gut beraten, sich darauf rechtzeitig einzustellen.
Alle zehn Jahre etwas anderes machen
Die haben ihre Nachwuchs-Kräfte schon selbst unter die Lupe genommen. So hat die Unternehmensberatung PwC 2012 mit Hilfe von rund 44.000 Fragebögen die Lebenseinstellung ihrer jungen Mitarbeiter untersucht. Dabei stellte sie fest, dass Männer und Frauen um die 30 sich nicht mehr lange an ein Unternehmen binden wollen. Rund 40 Prozent der Befragten gingen demnach davon aus, dass sie und ihr Arbeitgeber nach spätestens neun Jahren getrennte Wege gehen. In anderen Altersgruppen vertraten nur rund 30 Prozent diese Ansicht. Auch Abwechslung innerhalb des Jobs ist den jungen demnach wichtiger als den älteren Kollegen.
Unternehmen müssen sich also anpassen, um den Ansprüchen der "Generation Y" gerecht zu werden, glauben Arbeitsmarkt-Experten: Mehr Mitbestimmung, mehr Freiheiten. "Ich denke, dass in vielen Bereichen, in denen es gilt, die Produktivität hochzuhalten und Innovation zu erzeugen, es schon darauf ankommt, dass die Beschäftigten mehr Gestaltungsspielraum haben", sagt Werner Eichhorst, Vize-Direktor für Arbeitsmarktpolitik am Institut zur Zukunft der Arbeit in Bonn. "Das geht in der Regel nicht, wenn man gleichzeitig eine starke hierarchische Kontrolle ausübt."
So sieht es auch der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher: "Einen produktiven Mitarbeiter zu haben heißt, dass man diesem Menschen die Freiheiten geben muss, die richtige Balance zwischen Beruf und Familie hinzubekommen. Das erfordert auch vom Arbeitgeber sehr viel Flexibilität."