Karten für den Südsudan
17. Dezember 2012Ein großer blauer Gebäudekomplex, daneben kleine braune Lehmhütten mit Strohdach, die irgendwie verloren wirken. Hier, in Palouge in der südsudanesischen Provinz Oberer Nil, haben Ölkonzerne aus China und Malaysia große Produktionsanlagen und Pipelines zur Rohölförderung aufgebaut. Bei den Menschen, die in der Region leben, ist bislang wenig vom erhofften Reichtum angekommen. Und kaum einer hier weiß, wie groß die Ölreserven überhaupt sind - nicht einmal die Regierung.
"Als wir unabhängig wurden, waren alle Informationen zum Südsudan im Nordsudan und außerhalb des Sudan", seufzt Joseph Lago James. Der Geologe ist einer der ersten, die damit angefangen haben, die Bodenschätze des Südsudan systematisch zu erfassen. "Wenn du Schulungen im Ausland besuchst, dann siehst du viele Informationen, aber du bekommst sie nicht. Du musst sie kaufen". Gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern der Universität Juba hat Joseph James nun begonnen, den Südsudan zu kartieren.
Know-How aus Deutschland
In einem Trainingskurs zeigen Experten der Berliner Beuth Hochschule für Technik den Forschern der Universität Juba, wie ein Geoinformationssystem - kurz GIS - funktioniert. Sie lernen, wie man geografische Daten erfasst, auswertet und aufbereitet. Zur Übung laufen die Teilnehmer dazu mit kleinen GPS-Empfängern in der Hand mehrere Stunden durch die südsudanesische Hauptstadt und messen die genauen Koordinaten von Gebäuden und Straßenecken per Satellitenpeilung. Anschließend werden die erfassten Daten gemeinsam in eine Software eingegeben, das Herzstück des GIS.
"Wir möchten gerne über die nächsten zwei Jahre einen Stadtplan von Juba erstellen", erklärt Bernd Meissner. "Statt nur Bilder von oben zu zeigen, sammeln wir Informationen zur genauen Lage von Hotels, Ministerien oder Schulen". Der emeritierte Professor der Berliner Hochschule betreut die von ihm initiierte Kooperation zwischen Deutschland und vier afrikanischen Universitäten. Bis zum Jahr 2014 sollen dann die Dozenten der Uni Juba selbst in der Lage sein, ihren Studenten Grundkenntnisse zu Geoinformationssystemen zu vermitteln.
Mit Geoinformationen Rohstoffe entdecken
Als jüngstes Kooperationsmitglied stehe die Hochschule in der Hauptstadt des Südsudan noch ganz am Anfang, sagt John Ariki. Der in Deutschland ausgebildete Geologe, jetzt Fachbereichsleiter am Institut für natürliche Ressourcen, versucht die erste Grundlagenforschung an der Universität Juba voranzutreiben. "Bis auf ein paar Projekte, die in den 70er Jahren gelaufen sind, gibt es keine neueren geologische Erkenntnisse. Der Südsudan hat noch überhaupt keine geologischen Informationen", sagt Ariki.
Damit fehlt kostbares Wissen über die eigenen Rohölreserven, über Vorkommen von Gold oder Mineralien. Doch um diese Ressourcen entdecken und nutzen zu können, müssen zunächst einmal die Gesteinsformationen analysiert und kartiert werden.
Genau solche Informationen soll das GIS den Forschern einmal liefern können, nachdem es systematisch mit Daten gefüttert worden ist - am Rechner lassen sich dann Messwerte aus den verschiedensten Quellen verknüpfen und anschaulich darstellen.
Folgen des Klimawandels verstehen
Die GIS-Technik kann vielfältig eingesetzt werden. Auch Geodaten über Wälder, Vieh- und Wildbestände, über Agrarflächen und Pflanzenarten wollen die Wissenschaftler sammeln. Denn erst wenn es genaue Karten gibt, kann der junge Staat auch seine Entwicklung planen. Der Agrarwissenschaftler David Lomeling zum Beispiel will nach der Bestandserfassung eine Saatgutdatenbank aufbauen. "Der Südsudan hat viele einzigartige Pflanzensorten. Wir wollen zum Beispiel spezielle Erdnuss- und Fruchtsorten einsammeln und weiterzüchten", sagt Lomeling.
Der Insektenforscher Jata Simon Lago interssiert sich für die Folgen der globalen Erderwärmung. "Als Ergebnis des Klimawandels verlassen Insekten ihre Gebiete", hat er herausgefunden. "Wir können die GIS-Technologie nutzen, um zu sehen, wohin diese Insekten wandern". So, sagt Lago, könne man dem Klimawandel auf die Spur kommen.