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Kassandra-Rufe

Jens Thurau30. August 2002

Stellen wir uns einen Moment lang vor, dass der Erdgipfel in Johannesburg scheitert. Woran liegt das? Vielleicht daran, dass die Konferenz zu viele Themen hat – meint DW-Korrespondent Jens Thurau.

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Wer hat die Schuld, wenn dieses Treffen von 190 Staaten keine wirklichen Erfolge bringt? Die egoistischen Vereinigten Staaten, die unflexible G77-Staatengruppe der Entwicklungsländer, die wankelmütige Europäische Union? Woran wird es liegen, wenn den Beschlüssen Schärfe und Realitätssinn fehlen sollten? Sodass die Regierungsschefs, die noch erwartet werden, nur mit groben Schnitten Licht in das Dickicht bringen können - auf Kosten der entscheidenden Details?

Vielleicht scheitert das Treffen von 60.000 Menschen – Staatsschefs, Ministern, Delegierten, Vertretern von Nicht-Regierungsorganisationen und Journalisten an sich selbst, an seiner Größe. Die Leiterin oder der Leiter einer wichtigen Delegation – wir verschweigen das Geschlecht aus Anonymitätsgründen – gab zu, in einer Verhandlungsrunde erst nach 10 Minuten gemerkt zu haben, dass über ein anderes Thema geredet wurde, als sie oder er erwartet hatte.

Eine ebenfalls nicht unbedeutende Delegation aus Mittelamerika wurde von den Deutschen – jetzt dürfen wir kurz aus dem Schatten treten – über den eigentlichen Inhalt eines Vorhabens informiert, das die Delegation bis dahin vehement abgelehnt hatte. Es ging darum, die sanften Energien wie Wind und Sonne bis 2015 auf weltweit 15 Prozent zu erhöhen, eine Kernforderung der Europäer. Die Mittelamerikaner nahmen an, dass jedes Land auf 15 Prozent kommen müsste. Dabei ging der Ursprungsplan von einer durchschnittlichen Erhöhung aus, zu der jedes Land seinen Beitrag leisten muss. Nachdem der Irrtum aufgeklärt war, stimmte die Delegation zu.

Dieser Gipfel ist zu groß. Vorschläge umschwirren das Konferenzzentrum im Johannesburger Nobel-Stadtteil Sandton wie die Motten das Licht. Die Delegationen sind kaum noch in der Lage, sich einen Gesamtüberblick zu verschaffen. Und die Zeit drängt. Wenn die Regierungschefs kommen, wollen sie vor allem eines – ein gutes Bild abgeben. Und so werden einige wichtige Themen auf dem Gipfel wohl schlicht unter den Tisch fallen.