Katalonien verschiebt Unabhängigkeitserklärung
10. Oktober 2017Der Regierungschef von Katalonien, Carles Puigdemont, hat die angekündigte Unabhängigkeit von Spanien verschoben und zu Gesprächen aufgerufen. Er nehme das "Mandat" der Katalanen für eine Unabhängigkeit an, bitte aber die katalanische Volksvertretung um eine Aussetzung der Unabhängigkeitserklärung, um einen Dialog mit Madrid einleiten zu können, sagte der 54-Jährige vor dem Regionalparlament in Barcelona.
Damit hat der Chef der Regionalregierung eine weitere Zuspitzung der Krise vorerst vermieden. Er rief die spanische Zentralregierung zum Dialog auf und sprach sich erneut für eine internationale Vermittlung aus. Er sei überzeugt, dass der Konflikt mit Spanien auf dem Verhandlungswege gelöst werden könne.
Harsche Reaktion Madrids
Die Regierung in Madrid wies die Erklärung Puigdemonts allerdings umgehend zurück. Die "implizite" Erklärung der Unabhängigkeit Kataloniens sei "unzulässig", erklärte ein Regierungssprecher.
Die Rede war in Spanien und ganz Europa mit großer Spannung verfolgt worden. Bei dem von der spanischen Zentralregierung und Justiz als rechtswidrig eingestuften Referendum hatten sich 90 Prozent der Teilnehmer für eine Unabhängigkeit Kataloniens ausgesprochen. Die Wahlbeteiligung lag allerdings bei lediglich 43 Prozent, denn viele Gegner einer Unabhängigkeit hatten die Abstimmung boykottiert. Dennoch reklamierte Puigdemont in seiner Rede, Katalonien habe das "Recht auf Unabhängigkeit" erlangt.
Verschärfter Druck aus dem In- und Ausland
Zuletzt war der Druck aus dem In- und Ausland auf die Regionalregierung gewachsen, von einer Unabhängigkeitserklärung abzusehen. Die Zentralregierung in Madrid richtete kurz vor der Rede einen eindringlichen Appell an Puigdemont, auf einen solchen Schritt zu verzichten.
Schon ab dem Nachmittag hatten sich immer mehr Anhänger der Unabhängigkeitsbewegung unweit des Parlaments versammelt. Die Stimmung war zunächst gespannt, aber friedlich. Auf dem Platz vor dem Parlament brandete immer wieder Jubel auf, wenn Puigdemont vom Ergebnis des Referendums sprach.
Ministerpräsident Mariano Rajoy will am Mittwoch (16.00 Uhr) vor der Abgeordnetenkammer in Madrid Stellung zu Puigdemonts Aussagen beziehen. Sowohl die Abstimmung als auch ihr Ergebnis ist in Spanien und auch in Katalonien höchst umstritten. In der regionalen Hauptstadt Barcelona waren am Sonntag Hunderttausende Menschen gegen die Abspaltungspläne auf die Straße gegangen.
uh/sti (dpa, afp, rtr)