Kater für Alcopops
4. August 2004Luxusduschen, Tischkicker, kühle Lounges, VIP-Areas oder Turmbauten für ungehinderten Blick auf die Bühne - große Musikfestivals sind nicht mehr zwangsläufig staubig, schmutzig und anstrengend. Und Werbung ist immer dabei: Hauptsponsoren legen bei großen Festivals schon mal sechsstellige Beträge auf den Tisch, um mit Produkt und Logo auf sich aufmerksam zu machen. In der ersten Reihe stehen die Getränkeproduzenten.
Deren Markenparade unter der Sonne könnte künftig zurück gehen, wenn durch die ab Anfang August geltende Alkopop-Steuer die Umsätze tatsächlich einbrechen sollten. Eigentlich sei das schon der Fall, sagt Holger Zikesch von der Firma Diageo, dem Hauptvertreiber von Smirnoff-Wodka: "Seit Monaten sind die Konsumenten durch die Diskussion verunsichert." Alternativen zum Wodka-Lemon-Mix gebe es noch nicht. "So ein Premium-Produkt schüttelt man sich nicht so aus dem Ärmel", sagt Zikesch. "Wir haben immer noch auf die Vernunft der Politiker gehofft."
Goldgrube: Open Air Festivals
Auch bei der Konkurrenz von Barcadi ist der Sommer schon zu Ende. 3 Euro und 50 Cent kostete durchschnittlich eine Flasche Rum-Lemon-Mix auf Freiluft-Parties bisher - künftig wird es mit Mehrwertsteuer über ein Euro mehr sein. Auch hier sind noch keine Ideen in Sicht, wie die Steuer mit veränderten Mischungen zu umgehen wäre. "Unsere Umsätze werden zurück gehen", sagt Barcadi-Sprecher Hans Poetsch und kritisiert, das neue Gesetz entmündige die erwachsene Zielgruppe von "Rigo" und "Barcadi Breezer".
Dass in die Lücke nun Hersteller von niedrigprozentigen Mixen drängen, glaubt er nicht - fruchtige Spirituosen-Pops ließen sich nicht durch Cola-Biermischungen ersetzen. Die Brauereien hätten auf Veranstaltungen keinen großen Durchbruch erlebt. Hans Friedrichs, Sprecher der Krombacher-Brauerei: "Wir haben auch eine andere Zielgruppe. Biermixe, Radler - das ist für Leute, die bewusst wenig Alkohol trinken wollen."
Klare Verhältnisse
Für die Liebhaber des Hochprozentigen passen die Wodka-Produzenten nun ihre Strategie an: Statt süßen Mischgetränke versucht man eben doch den puren Sprit schmackhaft zu machen. Auf dem "SonneMondSterne", einem der bekanntesten deutschen Festivals, werden neue Wodka-Aromen eingeführt. Smirnoff ist Hauptsponsor und vielleicht können die neudesignten "Kurzen" die Umsatzverluste ausgleichen.
Bleiben noch die Aktivitäten im Ausland: Nachdem Deutschland, die Schweiz und Frankreich Alcopop-Steuern eingeführt haben, hat das Unternehmen noch 177 weitere Länder als Vertriebspartner. Und im traditionell trinkfreudigen Osteuropa ist derzeit an der Schwarzmeerküste die "Smirnoff Experience" unterwegs - eine Partyreihe, die im großen Stil beliebte DJs einer Region unter der Wodka-Marke versammelt. Ziele sind Bukarest, Sofia und Belgrad. Auch Tschechien kooperiert: "Smirnoff" ist auf dem Creamfield-Festival bei Prag vertreten. Auf dem größten HipHop-Festival der Republik bei Prag wiederum versucht sich "Campari Mixx" mit einer fünfprozentigen Mischung.
Von einer Aufgabe des Alcopop-Marktes kann also keine Rede sein: "Der Ready-to-Drink-Markt ist weiter ein Zukunftsmarkt", sagt Zikesch von Diageo. "Deshalb führen wir in Deutschland auch unsere Festivalplanung durch." Zwar hat Smirnoff sein Engagement schon auf weniger als zehn Festivals herunter gefahren, doch dort wartet auf die Besucher das gewohnte Trend-Marketing. So richtig teuer wird der Wodka-Lemon für die Hosentasche auch nicht sofort - die neue Steuer gilt erst für Ware, die ab August produziert wird. Bis die Lager leer sind, bestimmen die Zwischenhändler die Gewinnspanne.
Zurück zum Bier
Und wenn die Industrie preislich voll zulangt? "Ich schätze, dass sich viele Konsumenten wieder auf das gute alte Bier besinnen", sagt Hendryk Martin vom Musikmagazin "Intro". "Die Leute überlegen jetzt zwei Mal, ob sie viel Geld für harten Alkohol ausgeben." Die ebenfalls gebeutelte Bierindustrie wird`s freuen und die deutsche Verbraucherschutzministerin Renate Künast hätte ihr Ziel erfüllt, den Jugendlichen den ungesunden Spaß an Alcopos zu vermiesen.