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"Bischöfe machten sich mitschuldig am Krieg"

29. April 2020

Am 8. Mai vor 75 Jahren ging zumindest in Europa der Zweite Weltkrieg zu Ende. Aus diesem Anlass haben die katholischen Bischöfe das Verhalten ihrer Vorgänger während der NS-Zeit analysiert - und neu bewertet.

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Adolf Hitler begrüßt beim Neujahrsempfang 1935 den päpstlichen Nuntius Cesare Orsenigo (Foto: picture-alliance/akg-images)
Adolf Hitler begrüßt beim Neujahrsempfang 1935 den päpstlichen Nuntius Cesare Orsenigo Bild: picture-alliance/akg-images

Die deutschen katholischen Bischöfe haben sich zu Verfehlungen ihrer Vorgänger im Zweiten Weltkrieg bekannt. "Indem die Bischöfe dem Krieg kein eindeutiges 'Nein' entgegenstellten, sondern die meisten von ihnen den Willen zum Durchhalten stärkten, machten sie sich mitschuldig am Krieg", heißt es in einem per Videokonferenz vorgestellten Dokument der Deutschen Bischofskonferenz. "Auch gegen die ungeheuerlichen Verbrechen an den als 'rassenfremd' diskriminierten und verfolgten Anderen, insbesondere den Juden, erhob sich in der Kirche in Deutschland kaum eine Stimme", so die Bischöfe. "Bei aller inneren Distanz zum Nationalsozialismus und bisweilen sogar offener Gegnerschaft war die katholische Kirche in Deutschland Teil der Kriegsgesellschaft." Anlass der Veröffentlichung ist das Kriegsende vor 75 Jahren, an das am 8. Mai international erinnert wird.

Der Bischof von Hildesheim, Heiner Wilmer (Foto: picture-alliance/ULMER)
Der Bischof von Hildesheim, Heiner WilmerBild: picture-alliance/ULMER

Das Dokument beinhalte ein doppeltes Schuldbekenntnis, sagte der Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer, der Mitglied des Redaktionsteams war. Die Bischöfe hätten die Soldaten und Gläubigen zu Treue, Gehorsam und Pflichterfüllung aufgerufen und sich somit mitschuldig gemacht. Ein offener Protest gegen den nationalsozialistischen Vernichtungskrieg sowie gegen die Judenverfolgung sei zu Kriegsbeginn und auch später ausgeblieben. Außerdem habe die Bischofskonferenz die Soldaten mit ihren Glaubenskonflikten und Gedanken ans Desertieren an der Front alleingelassen. Es sei ein "klares Dokument mit klaren Aussagen", betonte Wilmer.

"Das ist tatsächlich ein Schuldbekenntnis" 

Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, sagte, für die heute amtierenden Bischöfe sei es nicht einfach gewesen, sich so kritisch zum Verhalten ihrer Vorgänger zu äußern. "So über die Vorgängerkonferenz zu sprechen, ist tatsächlich ein Schuldbekenntnis", sagte der Limburger Bischof. Bätzing warnte zugleich davor, einen Schlussstrich unter die NS-Geschichte zu ziehen. "Wir dürfen uns nicht zurücklehnen, sondern müssen das Erbe in die Zukunft tragen." Es gelte stattdessen, gegen neue Formen von Nationalismus und Antisemitismus entschieden Stellung zu beziehen.

Der neue Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing (Foto: picture-alliance/dpa/A. Arnold)
Der neue Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Georg BätzingBild: picture-alliance/dpa/A. Arnold

Im Herbst 2019 hatten die Konferenz beschlossen, eine Stellungnahme zum Verhalten der Bischöfe im Zweiten Weltkrieg zu veröffentlichen. Der fertige Text wurde auf der Frühjahrs-Vollversammlung Anfang März verabschiedet. Begleitet wurde die Arbeit von der Kommission für Zeitgeschichte.

Staatliche Ordnung "von Gott gegeben und gewollt"

Das Dokument befasst sich auch mit Ursachen für das Verhalten der Bischöfe. Es nennt unter anderem die traditionelle Lehre über die Legitimität staatlicher Autorität und das Verhältnis von Kirche und Staat sowie die Ablehnung des Kommunismus. Staatliche Ordnung sei als "von Gott gegeben und gewollt" betrachtet worden, eine Auflehnung gegen die staatliche Ordnung gleichzeitig als Auflehnung gegen den göttlichen Willen gewertet worden, heißt es in dem Papier weiter.

Das jetzt vorgelegte Dokument der Bischöfe fügt sich in eine Reihe von Erklärungen zum Zweiten Weltkrieg und dem NS-Regime ein. Zuletzt hatten der Münchner Kardinal und damalige Vorsitzende der Bischofskonferenz, Reinhard Marx, und der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, Ende Januar an den 75. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz erinnert. Vereinzelt habe es "echten Heldenmut" gegeben, hielten die beiden kirchlichen Spitzenvertreter fest. "Doch dürfen wir nicht darüber hinwegsehen, dass viele Christen mit dem nationalsozialistischen Regime kollaboriert, zur Verfolgung der Juden geschwiegen oder ihr sogar Vorschub geleistet haben."

sti/kle (epd, kna)