Kaum Hoffnung auf Fortschritte
19. Oktober 2016Die Situation in der Ost-Ukraine, das sagt ein OSZE-Beobachter, werde immer "hässlicher": Die Kämpfe, erzählt er der DW am Telefon, würden immer schlimmer, vor drei Tagen erst sei seine Patrouille angeschossen worden. "Die Lage ist schlimm."
Denn der Friedensprozess in der Ukraine stockt, die Umsetzung alles andere als zufriedenstellend - so formuliert es auch Regierungssprecher Steffen Seibert. Am Abend kommt die sogenannte Normandie-Gruppe im Kanzleramt zusammen, um über die Ukraine - und auch Syrien - zu beraten. Aber während draußen Polizeitaucher die Spree, die um das Regierungsviertel fließt, absichern, macht der Regierungssprecher vor Journalisten wenig Hoffnung auf Fortschritte in beiden Konflikten. Er wolle, so Steffen Seibert, die "Erwartungen tief hängen."
Auch Frank-Walter Steinmeier äußerte sich ähnlich: Er erwarte keine einfachen Gespräche, so der Außenminister. Eine "friedliche, abschließende Lösung" sei nicht in Sicht.
Das Normandie-Format sind Krisen-Treffen auf höchster Ebene: Seit 2014 treffen sich Kanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident Francois Hollande, Russlands Wladimir Putin und der ukrainische Präsident Petro Poroschenko immer wieder, um über den Konflikt in der Ost-Ukraine zu reden. Im Februar 2015 wurde im weißrussischen Minsk ein Friedensplan geschlossen, der weiterhin als Grundlage für die Verhandlungen gilt. Dieses sogenannte Minsk-Abkommen sieht neben einem Waffenstillstand und dem Abzug schwerer Waffen von der Front auch Wahlen in den Separatisten-Gebieten vor.
Frostige Beziehungen zwischen Moskau und dem Westen
Doch das letzte Treffen liegt bereits ein Jahr zurück - und die Lage bleibt festgefahren. Kleinste Fortschritte, heißt es aus Regierungskreisen, benötigen oft intensive Verhandlungen, die sich über Wochen - oft sogar Monate - hinziehen.
Nicht zuletzt auch weil sich die Beziehungen zwischen Russland und dem Westen noch weiter verschlechtert haben, seitdem Moskau im Syrien-Krieg das syrische Regime von Baschar al-Assad unterstützt. Immer wieder werden Vorwürfe laut, dass syrische Luftangriffe auch Zivilisten und die Rebellen treffen, die der Westen unterstützt.
"Es stockt an vielen Stellen" bei der Umsetzung von Minsk, so sagt es Seibert. Und: "Wir sind überhaupt nicht da, wo wir sein wollen." Nun sei es an der Zeit, eine "schonungslose Bestandsaufnahme" zu leisten. Mehr nicht: Hoffnungen auf Fortschritte wolle er keine leisten.
Auch Poroschenko bremste im Vorfeld die Hoffnungen auf substanzielle Fortschritte: "Lasst uns keine sehr hohen Erwartungen an das Treffen stellen", sagte Poroschenko bei einer Pressekonferenz mit der norwegischen Regierungschefin Erna Solberg in Oslo. "Aber ich wäre sehr froh, wenn ich widerlegt würde."
Wenig Hoffnung auch für Syrien-Einigung
Eigentlich hätte Putin diese Woche für einen lange geplanten Staatsbesuch nach Paris reisen sollen, um dort eine russische Kirche zu eröffnen. Doch Putin sagte das Treffen ab, als Hollande darauf bestand, auch über Syrien zu reden.
Wie Merkel aber Putin überreden konnte, stattdessen nach Berlin zu reisen - darauf will Seibert auch nach wiederholten Nachfragen nicht eingehen. Lediglich soviel: Die vier Regierungschefs hätten sich eben geeinigt, das Treffen abzuhalten.
Die Regierungschefs werden im Anschluss auch über die Lage in Syrien reden - und da, erklärt Seibert, "will ich die Erwartungen noch tiefer hängen." Die Situation sei - "nach Wellen und Wellen von Angriffen auf Aleppo" - katastrophal. Er erwarte nicht mehr, dass die "Zustände und Verantwortlichkeiten klar beim Namen genannt werden."
Deutschland drängt auf eine Waffenruhe für ganz Syrien, damit humanitäre Hilfe vor Ort geleistet werden kann und einen politischen Prozess, um den Krieg zu beenden. Aber auch da muss es zu einer Einigung mit Russland kommen. Bei dem Normandie-Treffen müssten die Teilnehmer, so Außenminister Steinmeier, auf Russland einwirken, um das Bombardement auf Aleppo zu stoppen.
Vor dem Gipfeltreffen in Berlin hat Russland den zweiten Tag infolge auf
Bombardements der umkämpften syrischen Stadt verzichtet, eine "kleine Atempause", so Steinmeier. Hätte der Westen schärfere Sanktionen gegen Russland verhängt, wäre es vielleicht nie zu der Waffenpause gekommen, erklärte Steinmeier.
In den vergangenen Tagen hatte es immer wieder Rufe nach schärferen Sanktionen gegen Russland wegen seiner Rolle in Syrien gegeben, die nun aber fürs Erste vom Tisch sind.
Auch wenn die Teilnehmer also keine großen Erfolge erwarten: "Ganz ohne Hoffnung geht man in kein Treffen", sagt Regierungssprecher Seibert dann doch.