Kein ausreichender Schutz vor Terror?
23. März 2016Die Bundesregierung will den Schutz von Flughäfen, Kraftwerken und anderer "kritischer Infrastruktur" erhöhen. Unter den Begriff "kritische Infrastruktur" fallen alle Einrichtungen, durch deren Ausfall oder Beeinträchtigung erhebliche Versorgungsengpässe oder Gefährdungen für die öffentliche Sicherheit entstehen würden.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) ordnete nach den Terroranschlägen von Brüssel für Deutschland "verstärkte Schutzmaßnahmen im Bereich der kritischen Infrastruktur" an, die Polizei solle an solchen Orten sowie im Grenzgebiet zu Belgien, Frankreich, den Niederlanden und Luxemburg eine "robuste Präsenz" zeigen, sagte de Maizière.
Verstärkte Polizeipräsenz an Flughäfen
In Brüssel kontrolliert die Polizei bereits die sensiblen Bereiche des Flughafens. Ob das wirklich sinnvoll ist, bleibt fraglich - schließlich fanden die Anschläge außerhalb aller Sicherheitsschleusen statt, im frei zugänglichen Bereich.
"Das ist genau das Problem", sagt der Luftfahrexperte Jens Flottau im Gespräch mit der DW. Die Frage sei, ob man die Sicherheitsschleusen an die Türen der Terminals verlegen solle. An einigen Flughäfen im Nahen Osten und in Afrika finde das ja schon statt. Aber das sei mit extrem hohen Aufwand und extrem hohen Kosten verbunden. "Leute, die sich mit Flughäfen und deren Infrastruktur auskennen, sagen, es ist besser, mehr auf Polizeipräsenz und Observationen zu setzen", so Flottau.
Der Experte ist sich sicher, dass Fluggesellschaften stark unter den Folgen solcher Anschläge zu leiden haben. Man müsse nur zurückdenken an Paris. "Ende letzten Jahres gab es dort einen massiven Rückgang der Buchungen. Air France hat das sehr, sehr viel Geld gekostet. Die Nachfrage hat sich erst langsam erholt", sagt Flottau.
Überhaupt sei die Nachfrage zurzeit bei Urlaubsreisen in Europa sehr gering und solche Anschläge machten das Ganze nur schlimmer für die Branche.
Weniger Personal in belgischen Atomkraftwerken
Die belgischen Atomkraftwerke an den Standorten Doel und Tihange (Artikelbild) haben nach den Anschlägen ihr Personal auf ein Minimum reduziert. "Nur wer wirklich da sein muss, bleibt", sagte ein Sprecher der belgischen Atomaufsicht AFCN, zitiert die Tageszeitung "Die Welt" die Nachrichtenagentur Belga. Die von der Atomaufsicht angeordneten Vorkehrungen sollen dem Bericht zufolge das Risiko minimieren, dass Personen, die Böses im Schilde führen, auf das Gelände gelangen.
"Etwa tausend Personen arbeiten in solch einer Anlage. Sie werden alle einer genauen Prüfung unterzogen, aber wir gehen kein Risiko ein", hieß es laut "Welt" bei der AFCN. Auch in Deutschland gehörten Kernkraftwerke zu den am besten bewachten Anlagen in der Industrie.
Angesichts der Terroranschläge in Brüssel halten Experten die Vorsichtsmaßnahmen in Belgien für sinnvoll, schreibt die "Welt". Meldungen über eine vollständige Evakuierung der Kraftwerke habe der Betreiber Electrabel dementiert.
"Auf einem Kernkraftwerksgelände gibt es meist auch Beschäftigte von Fremdfirmen. Bei Terrorgefahr macht es Sinn, wenn ich die Zahl der Personen auf dem Gelände verringere. Dadurch kann ich die Kontrolle verbessern", sagte ein Experte, der anonym bleiben möchte, der "Welt".
Details bleiben geheim
Über Details, wie etwa die Steuerzentrale eines Kernkraftwerks gegen mögliche Angriffe gesichert wird, wolle naturgemäß niemand reden. "Es gehört zur Sicherungsphilosophie, dass keine Einzelheiten genannt werden", sagte ein Sprecher der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit. Grundsätzlich sei die Leitzentrale aber besonders geschützt, erklärte die Organisation in Köln.
Branchenkenner sprechen laut "Welt" von schusssicherem Panzerglas, besonders dicken Wänden und mehreren Zugangsschleusen zur Leitzentrale. Dort könnte sich eine Kernmannschaft, die etwa aus fünf bis zehn Personen besteht, in einer Gefahrensituation abschotten. Die dicken Wände dienen auch zum Schutz der Mannschaft bei einem Bersten der Turbinen.
Die Steuerung eines Kernkraftwerks von außerhalb des abgeschirmten Bereichs sei dagegen nicht möglich, hieß es nach dem Bericht bei der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit. In der Regel gibt es auf dem Gelände des Atomkraftwerks aber in besonders geschützten Gebäuden sogenannte Notstandswarten, die ein sicheres Herunterfahren des Kraftwerksblocks im Notfall ermöglichen sollen.