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Kein Ende des Ausbruchs auf La Palma?

7. Dezember 2021

Eine Taskforce vom Deutschen Geoforschungszentrum Potsdam sammelt am Cumbre Vieja auf La Palma Daten über die Vulkaneruption. Mit Löschwasser oder Bomben lässt sich der Lavastrom jedenfalls nicht stoppen.

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Der Vulkan auf La Palma stößt eine Lavafontäne aus, im Hintergrund die Abenddämmerung.
Warnsysteme funktionieren schon ganz gut, aber wann dürfen die Experten Entwarnung geben? Bild: Emilio Morenatti/AP/picture alliance

Dass der kanarische Vulkan Cumbre Vieja auch nach mehr als zehn Wochen mit solcher Heftigkeit Unmengen an Lava ausspuckt, überrascht selbst Forschende: "Der Ausbruch auf La Palma ist hinsichtlich seiner Dauer und seiner Ausbruchsdynamik wirklich sehr spannend und wissenschaftlich natürlich super interessant", so Nicole Richter vom Deutschen Geoforschungszentrum (GFZ) in Potsdam.  

Die Forscherin der GFZ-Sektion für Erdbeben und Vulkanphysik hatte eine dreiköpfige Taskforce auf La Palma geleitet. Das Team hat die lokalen Behörden mit der Bereitstellung zusätzlicher Messinstrumente zur Überwachung der Eruption und vulkanischen Erdbeben unterstützt.

Drei Seismologen eines GFZ Teams mit Atemschutzmasken, Helmen und Schutzbrillen auf La Palma
Nicole Richter (links) hat eine dreiköpfige GFZ-Taskforce auf La Palma geleitetBild: Nicole Richter/GFZ

Mit hochsensiblen Messgeräten, optischen und thermalen Kameras und Drohnen kann die Taskforce die seismische Aktivität beobachten, zudem die Zusammensetzung und Fließgeschwindigkeit der Lava messen, kleinskalige Bewegungen der Erdoberfläche oder Veränderungen am aktiven Krater beobachten - und vieles mehr.

Katastrophale Zerstörungen

Natürlich sei das wissenschaftlich sehr interessant und die Bilder von den Lavafontänen und den glühenden Lavaströmen sind spektakulär, "aber für die Menschen auf La Palma ist dieser Ausbruch katastrophal. Der südwestliche Teil der Insel ist wirklich ziemlich verwüstet und fast die ganze Insel ist von teils sehr heftigem Ascheregen betroffen. Der Ausbruch betrifft ja nicht nur jene Häuser, die direkt von den Lavaströmen erfasst werden, auch die schwere Vulkanasche bringt Häuserdächer zum Einstürzen. Deswegen müssen die Menschen vor Ort unter ständigen Mühen die riesigen Aschemassen beseitigen."

Durch den Ascheregen wurden auch zahllose Bananen-Plantagen auf La Palma zerstört. der langanhaltende Ausbruch zehrt an den Kräften, so Richter: "Ökonomisch ist der Ausbruch ein Supergau für die Kanaren. Und nach dem wochenlangen Einsatz sind mittlerweile alle Kräfte und natürlich auch die der Behörden und des Zivilschutzes sehr erschöpft."

Schon jetzt bedeckt die Lava laut europäischem Erdbeobachtungsprogramm Copernicus mehr als zehn Quadratkilometer. Etwa 2700 Gebäude wurden zerstört, rund 7000 Menschen mussten ihre Häuser verlassen.

Luftbild eines Fußballfeldes von oben nach dem Vulkanausbruch auf La Palma. Alles ist schwarz, nur die Tore und die Umzäunung des Spielfeldes sind noch zu erkennen.
Ein Fußballfeld auf La Palma nach dem AscheregenBild: Emilio Morenatti/AP Photo/picture alliance

Und ein baldiges Ende des Ausbruchs ist noch nicht in Sicht. Zwar zeigen die Messdaten, dass die obere Magmakammer in zehn bis zwölf Kilometern Tiefe sich weitgehend entleert hat, aber welche Mengen glühenden Gesteins noch aus der unteren Magmakammer in etwa 35 bis 40 Kilometern Tiefe und aus dem Erdmantel nachströmen, das können auch die Vulkanexperten vom GFZ nicht vorhersagen.  

Ein Ausbruch lässt sich leichter prognostizieren als dessen Ende

"Wir werden immer besser in der Frühwarnung und der Prognose von Vulkanausbrüchen, vor allem bei den Vulkanen, die hochaktiv sind, die ganz dicht mit Messinstrumenten bestückt sind und die zusätzlich regelmäßig durch Satelliten und andere Beobachtungssysteme überwacht werden. Dort können wir abschätzen, zu welchem Zeitpunkt eine Eruption immer wahrscheinlicher wird", sagt die Vulkanexpertin Richter. Aber leider sei es im Gegensatz dazu sehr viel schwieriger abzuschätzen, wann ein Ausbruch vorbei sein wird.

Zumal es auch schwer zu definieren ist, wann der Vulkan tatsächlich vollständig zur Ruhe kommt oder ob er nur eine Pause einlegt, die durchaus einige Jahrzehnte andauern kann. Die Zeitskalen, in denen ein Vulkan funktioniert, haben mit unserer menschlichen Perspektive auf die Zeit überhaupt nichts zu tun, so Richter. 

Immerhin konnten durch die frühzeitige Vorhersage auch auf La Palma die nötigen Evakuierungsmaßnahmen rechtzeitig eingeleitet werden. Zwar ist der wirtschaftliche Schaden enorm, aber zumindest sind durch den Ausbruch keine Menschenleben zu beklagen. 

Ausbrüche lassen sich nicht mit Bomben oder Löschwasser stoppen

Die Forschenden können nur Daten zusammentragen und daraus Modelle und Szenarien berechnen. Angesichts der ungeheuren Urgewalten im Erdinneren sind die Einflussmöglichkeiten des Menschen sehr begrenzt. Ein Vulkanausbruch lässt sich nicht stoppen und ein Vulkan lässt sich auch nicht löschen. 

Bomben abzuwerfen, um die Lava umzuleiten, so wie dies Anfang November etwa ein Lokalpolitiker von der Nachbarinsel La Gomera in Spiel gebracht hatte, hält Nicole Richter jedenfalls für keine gute Idee: "Ein Bombenabwurf ist aus wissenschaftlicher Sicht ziemlich haarsträubend. Denn der hätte ja nur oberflächennah irgendeinen Einfluss. Das Magma-Reservior liegt aber in zehn bis zwölf Kilometern Tiefe."

Infografik - Ein Querschnitt durch einen Vulkan der ausbricht. Zu sehen sind die Magmakammer, der Lavastrom, pyroklastische Ströme, Schlammströme, Gesteinsbroken (Lavabomben), Ascheregen und austretende Gase: Salzsäure und Flussäure.

Alles was oberflächennah geschieht, würde nur dazu führen, dass das nachkommende Material an einer anderen Stelle ausbricht. Solange Magma aus der Tiefe an die Oberfläche kommen will, werde das flüssige Gestein einen Ausgussort finden. "Da sind solche Kräfte, solche Volumen an Magma am Werk, da haben wir einfach keinen Einfluss drauf." 

Ebenso abwegig sind auch Vorschläge, den Vulkan mit Unmengen an Wasser löschen zu wollen. "Wasser in Kombination mit Magma innerhalb des Vulkangebäudes ist immer eine ganz schlechte Idee, weil sich das Wasser beim Aufeinandertreffen mit dem sehr heißen Material explosionsartig um ein Vielfaches ausdehnt und eine Sprengkraft entwickelt, die an der Oberfläche großen Schaden anrichtet." Auf das nachströmende Magma aus großer Tiefe hätte Löschwasser sowieso keinerlei Einfluss.

Lava wird selten umgeleitet

Ähnlich problematisch sei es auch, Lavaströme durch gegrabene Furchen, aufgeschüttete Erdwälle oder durch mechanische Blockaden zum Beispiel an einem bewohnten Gebiet vorbeizuleiten, wie dies auf Hawaii oder im Kongo versucht wurde. 

Dies gelinge immer nur sehr punktuell und ist deswegen so kompliziert, weil man eben nicht genau weiß, wie viel Lava noch nachströmt. Außerdem ergeben sich daraus beispielsweise auch versicherungsrechtliche Probleme: Wenn man in den natürlichen Lauf eingreift, wird damit vielleicht ein bestimmtes Gebiet verschont aber stattdessen ein anderes Gebiet verwüstet. 

Blick auf den Cumbre Vieja
Blick auf den Cumbre Vieja: Viel kann der Mensch nicht gegen die Urgewalten aus der Tiefe ausrichtenBild: Borja Suarez/REUTERS

In Einzelfällen - wie zum Beispiel auf Island - wurde zwar auch schon ein langsam fließender Lavafluss abgekühlt, aber solange der Lavastrom aus der Tiefe weiter gefüttert wird, suche er sich einen anderen Fluchtweg, sagt Richter. Jeder Eingriff sei einfach sehr komplex, weil man nicht vorhersagen kann, welche Magmamassen noch an die Oberfläche kommen und wann ein Ausbruch endet. 

Kratzen an der Erdoberfläche

So bleibt den Forschenden nur die Möglichkeit, einen Vulkan besser verstehen zu lernen. Deshalb ist in diesen Tagen bereits die dritte GFZ-Taskforce auf La Palma. Anhand der gesammelten Daten können die Seismologen am Computer ein 3D-Modell des Vulkans erstellen und die verschiedenen Szenarien durchrechnen. Das hilft den lokalen Einsatzkräften, auch wenn die Insulaner noch weiter darauf warten müssen, dass der Vulkan Cumbre Vieja endlich wieder zur Ruhe kommt.  

Die entscheidenden chemischen und physikalischen Prozesse bei Vulkanausbrüchen finden aber nun einmal in großen Tiefen statt. Jeder Ausbruch kann sich sehr dynamisch entwickeln und zudem kann sich die innere Architektur eines jeden Vulkans erheblich von anderen Vulkanen unterscheiden. Und so müssen die Vorhersagen zwangsläufig vage bleiben. "Wir kratzen mit unseren tatsächlichen Messungen hauptsächlich an einer haardünnen Region der Erdoberfläche", so die Vulkanexpertin Nicole Richter. 

 

DW Mitarbeiterportrait | Alexander Freund
Alexander Freund Wissenschaftsredakteur mit Fokus auf Archäologie, Geschichte und Gesundheit@AlexxxFreund