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Kein Eintritt für Ausländer

Ronny Arnold8. Februar 2013

Ausländische Studierende beschweren sich über diskriminierende Einlasskontrollen in Discos und Clubs. Ein Test in Leipzig zeigt: Sie haben recht. Jetzt soll mit dem Studentinnenrat nach Lösungen gesucht werden.

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Discothek Warteschlange Foto: Andreas Lander (c) dpa - Report
Bild: picture-alliance/ZB

So langsam wird ihnen klar, dass das alles kein Zufall sein kann. Fünf Diskotheken haben Abdulaziz Bachouri und seine beiden syrischen Freunde schon besucht an diesem Samstagabend. Immer wieder dasselbe Bild. Sie stehen in der kleinen Schlange am Einlass, warten geduldig und freundlich, bis sie an der Tür sind. Dort mustert sie die Security von Kopf bis Fuß, lässt sich Studentenausweise und Pässe zeigen, um dann plötzlich festzustellen, dass das heute leider eine Privatparty sei. Einlass: abgelehnt. Die Türsteher des nächsten Clubs sind nicht wirklich origineller. "Heute nur für Stammgäste" heißt es da oder einfach: "Ihr seid falsch gekleidet." Turnschuhe, Jeans und Hemd passen angeblich nicht zum Dresscode. Das war im Oktober 2011. Abdulaziz Bachouri und seine Begleiter mussten eine ernüchternde Bilanz ziehen: Sechs von elf Diskotheken haben ihnen den Eintritt verweigert.

Integration unerwünscht

Nun kann es schon mal passieren, dass man an der Tür zu einem Tanzlokal abgewiesen wird. Das Problem ist nur, dass es eine deutsche Kontrollgruppe gab, und die stand nur wenige Meter hinter Bachouris Gruppe – vor jedem einzelnen Club. Daniel Bartel wurde an keiner Tür abgewiesen. "Ich habe sogar gesagt, dass ich auch Jeans und Turnschuhe trage." Mit einer kurzen Handbewegung wurde er trotzdem gebeten einzutreten.

Bartel arbeitet für das sächsische Antidiskriminierungsbüro, er kennt den 26-jährigen Bachouri seit gut zwei Jahren. Der erzählte ihm von ausländischen Studierenden, die in seiner Sprechstunde beim Leipziger Studentinnenrat von diskriminierenden Einlasskontrollen berichteten. "Die wollen sich integrieren, aber an der Tür ist die Party meist schon vorbei.“ Sie beschlossen, die Clubs zu testen. Gleiche Klamotten, gleiches Auftreten, einziger Unterschied: ihre Herkunft. Das Ergebnis war alarmierend.

Abdulaziz Bachouri vor der Leipziger Moritzbastei. Copyright: DW/Ronny Arnold
Für Abdulaziz Bachouri ist die Party an der Tür vorbeiBild: DW/R. Arnold

Seit drei Jahren studiert Abdulaziz Bachouri Arabistik an der Uni Leipzig, den Bachelor hat der Syrer bereits in der Tasche, gerade macht er seinen Master. Zwei Jahre war er Referent für die etwa 3.000 Studierenden aus dem Ausland, die an der Leipziger Uni studieren, kümmerte sich um ihre Sorgen und Nöte. Diese Türpolitik sei klar rassistisch, erklärt er; viele seiner Kommilitonen fühlen sich schlichtweg diskriminiert. "Es heißt, geh' doch woanders feiern. Aber darum geht es nicht!" Vielmehr gehe es darum, grundsätzlich von einer Gesellschaft akzeptiert zu werden – oder eben nicht.

Keine konkrete Auseinandersetzung

Die sechs Clubs, die den Einlass verwehrten, erhielten Post vom Antidiskriminierungsbüro. Sie sollten Stellung nehmen. Kaum ein Veranstalter reagierte. Wenn überhaupt, kam eine allgemeine Antwort. "Wir können nichts dazu sagen, wir waren an der Tür nicht dabei", zitiert Bartel die Clubbetreiber. Sie hätten nichts gegen Ausländer und seien ein offener Club. "Eine Auseinandersetzung im konkreten Fall fand leider nicht statt", sagt Bartel.

Seitdem ist einiges passiert: Es gab Kontakte ins Leipziger Rathaus und ein Treffen mit Clubbetreibern. Der StudentInnenrat, der die Studierenden an der Uni vertritt, und das Antidiskriminierungsbüro haben einen Fünf-Punkte-Plan erarbeitet. Darin wird gefordert, dass Gäste mittels Plakat informiert werden sollen, wie der Einlass funktioniert, wann und warum der Zugang verwehrt wird und an wenn man sich wenden kann, falls man sich ungerecht behandelt fühlt. Die Leipziger Clubs wollten sich daraufhin selbst verpflichten, sich für die Gleichbehandlung ihrer Gäste einzusetzen. Mehr passierte allerdings nicht. Studierende klagten gegen einzelne Clubbetreiber, zweimal mussten 500 Euro Strafe gezahlt werden, einmal 300 Euro. Seitdem ist die Stimmung vergiftet.

Plakat gegen Diskriminierung - Eintritt für Alle Copyright: DW/Ronny Arnold
Das Antidiskriminierungsbüro fordert Einlass für alleBild: DW/R. Arnold

Clubs müssen umdenken

Daniel Bartel geht es um eine klare Haltung, Diskriminierung nicht zuzulassen. Die Gäste über ihre Rechte aufzuklären, Regeln für alle zu schaffen, das trage zur Transparenz bei. "Ich sage nicht, dass die Clubs ein geschlossenes rechtes Weltbild haben", erklärt er. "Aber was da passiert, schafft alltagsrassistische Denkstrukturen." Übrigens nicht nur in Leipzig. Bartels Kollegen berichten ähnliches auch aus anderen Bundesländern. "Tests in Köln, Hamburg und Berlin haben gezeigt, dass es auch da Probleme gibt."

Der Leipziger Studentinnenrat hat reagiert und arbeitet seit Anfang 2013 nur noch mit Clubs zusammen, die den Fünf-Punkte-Plan umsetzen. Mehrere kleine Studentenclubs haben zugestimmt, die meisten kommerziell betriebenen Diskotheken nicht. Doch es gibt positive Zeichen. Als erster großer Club ist nun die Leibziger Moritzbastei dabei, ein beliebter Tanz- und Veranstaltungsort für Studierende. Geschäftsführer Mario Wolf findet die Agenda gut. "Wenn in der Vergangenheit ein Problem an der Tür entstanden ist, standen der Gast und auch wir allein da. Es gab keine Grundlage, um das auszudiskutieren. Jetzt sind wir einen Schritt weiter." Wolf gibt ein klares Bekenntnis ab: Jeder sei willkommen, Diskriminierung werde nicht akzeptiert. Starke Worte, die nun vielleicht auch andere Club-Betreiber zur Kenntnis nehmen.

Daniel Bartel vom Antidiskriminierungsbüro Sachsen Copyright: DW/Ronny Arnold
Daniel Bartel kämpft gegen DiskriminierungBild: DW/R. Arnold