Kein Fehler durch äthiopische Boeing-Piloten
4. April 2019Die Besatzung der in Äthiopien abgestürzten Boeing 737 Max hat alle vom Hersteller vorgesehenen Vorgaben befolgt, konnte das Flugzeug aber nicht unter Kontrolle bringen. Dies ergab ein vorläufiger Untersuchungsbericht zu dem Unglück vom 10. März, wie die äthiopische Transportministerin Dagmawit Moges in Addis Abeba sagte.
Bei dem Absturz der Maschine der Ethiopian Airlines kamen alle 157 Menschen an Bord ums Leben. Die Ermittler haben Anzeichen dafür gefunden, dass die Nase der Maschine nach unten gedrückt wurde, sagte Dagmawit. Man empfehle dem Hersteller, dass das Flugsteuerungssystem untersucht werde. Auch sollten Luftfahrtbehörden dieses System überprüfen, bevor die Maschine des Typs wieder fliegen könnte.
Der Absturz unweit von Addis Abeba hat den US-amerikanischen Flugzeughersteller Boeing und die US-Luftfahrtbehörde FAA stark unter Druck gesetzt. Im Fokus steht vor allem eine umstrittene Steuerungssoftware, die bereits beim Crash einer baugleichen Boeing in Indonesien als eine mögliche Ursache gilt, bei dem Ende Oktober 189 Menschen starben.
Unfallermittler gingen bei dem Crash davon aus, dass die eigens von Boeing für die neue Flugzeugreihe 737 Max entwickelte Steuerungssoftware MCAS ein wichtiger Auslöser des Unglücks gewesen sein könnte. Nicht nur Boeing, auch die FAA steht nach den beiden Abstürzen massiv in der Kritik. Die Behörde wird verdächtigt, bei der Zertifizierung der 737 Max ein Auge zugedrückt zu haben, wichtige Teile der Sicherheitsprüfungen wurden dem Konzern selbst überlassen.
Überprüfung in Frankreich
Äthiopiens Untersuchungsbericht stützt sich auf die Daten der Flugschreiber. Diese waren kurz nach dem Absturz der Ethiopian-Airlines-Maschine von Experten in Frankreich ausgelesen worden. Die sogenannten Blackboxes, die sich zur Unfalldiagnose an Bord aller größeren Verkehrsflugzeuge befinden, zeichnen alle Flugdaten sowie alle Stimmen und Geräusche im Cockpit auf.
Der Leiter der Untersuchung auf äthiopischer Seite, Amdeye Ayalew, sagte der Deutschen Welle zu Vorwürfen, die äthiopischen Behörden könnten befangen sein und Ethiopian Airlines die Untersuchungen beeinflussen wollen: "Wir halten die Fäden dieser Untersuchung in der Hand, und wir - die Ethiopian Civil Aviation Authority - sind eine unabhängige Organisation."
Boeing hatte schon nach dem Absturz in Indonesien eine Überarbeitung des Programms versprochen, das Update zieht sich jedoch weiter hin. Am Mittwoch teilte Boeing mit, dass Konzernchef Dennis Muilenburg mit Piloten einen Demo-Flug an Bord einer 737 Max 7 absolviert habe, bei dem die aktualisierte Software wie vorgesehen funktioniert habe. An der Hängepartie ändert das jedoch nichts - der Konzern will weitere Tests machen, und das Update erst der FAA vorlegen, wenn diese Arbeit "in den kommenden Wochen" abgeschlossen sei.
Druck auf Flugbehörde
Die FAA hatte erst unter hohem politischen Druck ein Startverbot für Boeings 737-Max-Serie verhängt, nachdem dies in fast allen anderen Ländern bereits geschehen war. Für Boeing ist die Aufarbeitung der Abstürze hochbrisant. Sollte sich ein Verdacht bestätigen, wonach der Konzern beim Zulassungsverfahren Informationen zurückgehalten hat, könnte dies strafrechtlich erhebliche Konsequenzen haben. Auch sonst ist der Fall juristisch heikel, es liegen bereits etliche Schadenersatzklagen vor. Falls sich herausstellt, dass ein Herstellerfehler für die Abstürze verantwortlich war, würden diese für den Konzern erst recht brenzlig.
Dabei scheint die Lage schon so prekär genug. Bis zur genauen Klärung der Unglücksursachen wurden weltweit Flugverbote für die 737 Max angeordnet - Boeings meistverkaufte Baureihe, die große Teile zum Umsatz und Gewinn des Konzerns beiträgt. Die rund 370 bislang ausgelieferten Maschinen des neuen Flugzeugtyps stehen seither am Boden, außerdem hängen zahlreiche Bestellungen in der Schwebe. Boeing drohen Stornierungen und Regressforderungen von Airlines.
cgn/as (afp, dpa, rtr)