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Kein Fortschritt bei Klimakonferenz

Andrea Rönsberg, zurzeit Warschau 16. November 2013

Die Klimakonferenz in Warschau hat unter dem Eindruck der Katastrophe auf den Philippinen begonnen. Doch trotz eindringlicher Appelle geht sie ohne Erfolge in die zweite Woche. Proteste bleiben nicht aus.

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Proteste gegen Klimawandel anlässlich der Klimakonferenz in Warschau. Foto: DW/A. Rönsberg, aufgenommen am 16.11.2013 in Warschau
Bild: DW/A. Rönsberg

"Es gibt keinen Planeten B", rufen die Demonstranten, und: "Lasst die Kohle in der Grube, dann gibt es eine Zukunft für uns alle!" Etwa 1000 junge Menschen aus ganz Europa haben sich von der Warschauer Innenstadt aus in Richtung des Nationalstadions aufgemacht, dem Veranstaltungsort der Weltklimakonferenz. Dutzende Polizisten säumen die Straße, ausgerüstet mit Schlagstöcken und Tränengas, um die Klima-Aktivisten vor möglichen Übergriffen nationalistischer Gegendemonstranten zu schützen.

"Der Names des Marsches lautet 'Gegen Klimawandel und für soziale Gerechtigkeit'", sagt Filip Ilkowski, einer der wenigen Demonstranten, die aus Polen kommen. "Es ist wirklich wichtig, diese beiden Themen zu verknüpfen. Der Klimawandel muss gestoppt werden - aber so, dass die Welt sozial gerechter wird, nicht ungerechter."

Proteste gegen Klimawandel anlässlich der Klimakonferenz in Warschau. Foto: DW/A. Rönsberg,
Demonstrationen für mehr KlimaschutzBild: DW/A. Rönsberg

Im Nationalstadion gehen die Verhandlungen weiter. Möglichst viele technische Fragen sollen geklärt werden, um den Ministern, die ab Dienstag (19.11.2013) in Warschau eintreffen, Texte vorzulegen, in denen nur noch politische Fragen offen sind.

Atmosphäre des "Ärmel-Hochkrempelns"?

Auf technischer Ebene hakt es allerdings in vielen Bereichen. "Es wird gearbeitet", versichert Christiana Figueres, Generalsekretärin des UN-Klimasekretariats, "aber es gibt noch keine konkreten Ergebnisse, über die ich hier berichten könnte." Es herrsche eine Atmosphäre des "'lasst-uns-mal-die-Ärmel-hochkrempeln'."

Das sehen nicht alle so. Der Chef-Unterhändler für die Schweiz, Franz Perrez, zeigt sich enttäuscht von der ersten Woche. "Wir haben diese Konferenz begonnen mit dem Aufruf, dass wir nicht weitermachen sollten wie immer, sondern zu konkreten Entscheidungen kommen. Aber stattdessen sind wir wieder beim gegenseitig-mit-dem-Finger-auf-die-anderen-Zeigen," bemängelt er.

Uneinigkeit über Kriterien

So stellt sich die Lage beispielsweise mit Blick auf das globale Klima-Abkommen dar, das auf der Klimakonferenz in Paris in zwei Jahren verabschiedet werden soll. Zum ersten Mal sollen dann nicht nur Industrieländer, sondern auch alle anderen Staaten Zahlen auf den Tisch legen und erklären, zu welcher Reduktion ihrer Treibhausgas-Emissionen sie sich verpflichten.

Damit in zwei Jahren beispielsweise klare Kriterien dafür gelten, welches Jahr als Vergleichsbasis dient, und wie die Tonne Treibhausgase berechnet wird, werden Diskussionen über solche grundlegenden Kriterien bereits in Warschau geführt. Prompt treten unterschiedliche Ansichten zutage: So hat Brasilien vorgeschlagen, die historische Verantwortung der Industrieländer zu berücksichtigen.

Infografik Wer stößt wie viel CO2 aus?
Zu den großen Treibhausgas-Emittenten gehören längst auch Schwellenländer wie China und Indien.

Deren Industrien, so das Argument, stießen schließlich bereits seit dem Ende des 18. Jahrhunderts Treibhausgase aus - viel länger als die Industrien der Entwicklungs- und Schwellenländer. Ein Argument, das die Europäische Union nicht überzeugt.

"Historische Verantwortung" als Hinhalte-Taktik

"Die EU hat überhaupt kein Problem damit, über die historischen Emissionen zu reden", sagt EU-Unterhändler Jürgen Lefevere, "aber wir haben dennoch einige Einwände gegen diesen Vorschlag." Dieser beschränke sich auf die historischen Emissionen als einzigen Indikator, meint Lefevere. "Dieser Vorschlag birgt ein sehr großes Risiko, dass das Abkommen dann auf eine Zeit nach 2015 verschoben wird, weil es eine gewisse Zeit brauchen würde, diesen Indikator zu entwickeln und anzuwenden."

Diese Gefahr sieht auch Martin Kaiser, Klimaexperte bei Greenpeace. Zwar seien die Schwellenländer im Recht, wenn sie darauf hinwiesen, dass die Industrieländer ihrer historischen Verantwortung gerecht werden sollten. Es sei aber auch wichtig, die Frage der historischen Verantwortung nicht als Mittel zu nutzen, um die Verhandlungen aufzuhalten. "Brasilien ist das Land, das hier bei den Verhandlungen besonders negativ auffällt als eines, dass Verhandlungen vertagen und verzögern will, wohl auch wegen der Präsidentschaftswahl nächstes Jahr."

Martin Kaiser, Leiter Internationale Klimapolitik Greenpeace Foto: DW/Anne Allmeling November 2012
Befürchtet, dass die Verhandlungen unnötig aufgehalten werden: Martin KaiserBild: DW/A. Allmeling

Rückschlag durch Japan

Ohnehin war die erste Woche der Klimaverhandlungen reicher an Rückschlägen als an Fortschritten. Obwohl die Länder eigentlich Zahlen präsentieren sollten, um wieviel sie ihre Treibhausgas-Emissionen bereits vor dem Inkrafttreten des globalen Abkommens im Jahr 2020 reduzieren wollen, gab Japan am Freitag zu Protokoll, es werde sein bislang angstrebtes Ziel aufgeben.

Anstatt die Emissionen bis 2020 um 25 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken, möchte es die Emissionen nun um rund drei Prozent steigen lassen. Seit dem atomaren "Vorfall" in Fukushima im März 2011 würde keiner der 50 Reaktoren Japans mehr Strom liefern, erklärte der japanische Chef-Unterhändler Hiroshi Minami mit einem entschuldigenden Unterton. Bei der Berechnung der Klima-Ziele sei die Regierung aber davon ausgegangen, dass 40 Prozent des Energiebedarfs des Landes mit Atomenergie gedeckt werden würden. Nun müsse man aber davon ausgehen, dass die Atomkraftwerke vorerst gar keine Energie liefern würden. Das bedeutet, dass stattdessen Strom aus fossilen Energieträgern gewonnen werden muss.

Die Europäische Union zeigte sich enttäuscht von diesem Schritt. Christiana Figueres vom UN-Klimasekretariat äußerte Bedauern. Für Martin Kaiser von Greenpeace ist Japans Schritt allerdings mehr als nur "bedauerlich": "Mit der Ankündigung Japans, eigene Ziele bis 2020 nach unten zu korrigieren, ist an Länder wie China und Indien ein fatales Signal gegeben worden", sagt er. "Und das sind Länder, die wir in einem zukünftigen Klimaschutz-Abkommen dringend brauchen."