Kein Frieden in Sicht
13. April 2007Die für Montag (16.04.) in Mogadischu anberaumte Versöhnungskonferenz für Somalia ist um einen Monat verschoben worden. Bei der Konferenz sollen 3000 Vertreter der wichtigsten Clans sowie Akteure der Zivilgesellschaft zusammengebracht werden. Dies gilt als letzter Versuch der somalischen Übergangsregierung (TFG), ihre Herrschaft im Land zu legitimieren. Somalia-Beobachter zweifeln an der Bereitschaft der TFG, moderate Elemente der "Union der Islamischen Gerichte" (UIC) einzubinden. Die UIC kontrollierte im vergangenen Sommer kurzzeitig einen Großteil Somalias.
Islamisten beim Volk beliebter als Regierung
Die Absage ist mit der eskalierenden Gewalt in Mogadischu begründet. Jutta Bakonyi, Somalia-Expertin am Max-Planck-Institut für Ethnologie in Halle sieht noch weitere Ursachen: So dürfte der TFG und ihrem umstrittenen Präsidenten Abdullahi Yussuf der Aufschub der Gespräche willkommen sein.
Bei Yussuf handelt es sich um einen ehemaligen Warlord und Präsidenten der semi-autonomen Region Puntland im Norden Somalias. Die Scharia-Gerichtshöfe erfreuen sich im Gegensatz zur kaum anerkannten Regierung im Volk großer Beliebtheit. Sie stellen daher eine ernstzunehmende Konkurrenz für die Clique um Yussuf dar.
Eine Friedenskonferenz unter Zeitdruck droht zu scheitern
Die Expertin Bakonyi erklärt: "Abullahi Yussuf kann sicherlich durch Gelder - oder Verweigerung von Geldern - gezwungen werden, moderatere Elemente einzubinden." Die Frage sei nur, ob er dann noch seine eigene Position in dieser Regierung halten könne, wenn er tatsächlich die Kräfte einbinde, die ihn ablehnen.
Von Anbeginn haben Somalia-Beobachter wie Bakonyi am Sinn und Zweck der unter Zeitdruck einberufenen Konferenz gezweifelt. Sie ist zunächst nur auf zwei Monate angelegt. Im benachbarten Kenia hatte die Bildung der gegenwärtigen Regierung nicht weniger als zweieinhalb Jahre gedauert. "Wenn so eine Konferenz stattfindet, dann wird sie sehr lange dauern", sagt Bakonyi. Es sei nicht abzusehen, dass man mal eben so schnell eine Regierung bilde, in der alle Clangruppen vertreten sind. Selbst wenn Yussuf dies wollte, wird es schwierig sein, all die Interessen auszubalancieren.
Konflikte verlaufen in Somalia entlang von Clanlinien
Interessenskonflikten verlaufen, wie alle Dinge in Somalia, entlang der Clanlinien. Die in Mogadischu dominanten Hawiye lehnen die Yussuf-Regierung ab. Denn diese ist von Vertretern der Darod dominiert. Sie fühlen sich bei der Vergabe wichtiger Ämter übergangen und haben deshalb der TFG samt deren äthiopischen Verbündeten den Kampf angesagt.
Aweys Yussuf ist Journalist der Nachrichtenagentur Shabelle News in Mogadischu: "Die Hawiye sind nicht zufrieden mit dem Präsidenten. Er schanzt nur seinen eigenen Clanmitgliedern Posten zu, während die Hawiye in Mogadischu leer ausgehen." Wenn es nicht bald zu Verhandlungen komme, werden die Kämpfe noch eine geraume Zeit andauern.
Die Hawiye lehnen insbesondere den Nachbarn Äthiopien ab, als dessen Marionette Präsident Abdullahi Yussuf gemeinhin gilt. Die ursprünglich für die vergangene Woche anberaumten Friedensgespräche zwischen äthiopischer Armee und den Hawiye in Mogadischu wurden von äthiopischer Seite mehrfach abgesagt. Dies schürt die Ablehnung der Somalier gegenüber den Äthiopiern. Sie sehen diese als Besatzungstruppen und als christliche Kreuzritter in einem zu 99 Prozent muslimisch geprägten Land.
Internationale Somalia-Kontaktgruppe übt Druck aus
In dieser Gemengelage aus ethnischen, religiösen, machtpolitischen und schlichten Warlord-Interessen erzeugen die Vermittlungsbemühungen der internationalen Gemeinschaft nur mäßigen Erfolg. Nach ihrem letzten Treffen in Kairo veröffentlichte die als Verhandlungsführer beauftragte "Internationale Somalia-Kontaktgruppe" einmal mehr einen dringenden Appell an die Kriegsparteien. Zu dieser Kontaktgruppe gehören die UN, USA, EU, die Afrikanische Union, die Arabische Liga, die sieben afrikanischen IGAD-Staaten sowie Großbritannien, Italien, Norwegen, Schweden und Tansania.
Der Sprecher der Gruppe, der Schwede Jens Odlander, fasst den Appell zusammen: "Unsere Botschaft ist: Stellt die Kämpfe umgehend ein und beachtet das Waffenstillstandsabkommen. Das wird nun höchste Zeit!" Die Kontaktgruppe sei geschlossen einer Meinung und nun übten die Einzelmitglieder Druck auf die Kriegsparteien aus. Das Ziel sei eine nachhaltige Diskussion über die Modalitäten eines Waffenstillstandsabkommens.
Hoffnung auf deutsche EU-Ratspräsidentschaft
Die Hoffnungen der Somalier ruhen nicht zuletzt auf der deutschen EU-Ratspräsidentschaft. Deutschland wird, anders als die früheren Kolonialmächte Großbritannien und Italien, als glaubwürdiger und interessenunabhängiger Partner geschätzt.
Die Grünen-Parlamentarierin Uschi Eid hat soeben einen Antrag ihrer Fraktion initiiert. Darin wird die Bundesregierung zu einem stärkeren Engagement aufgefordert. Eid sagt: "Ich glaube, dass die Somalis schon immer ein großes Interesse gehabt haben, dass Deutschland eine führende Rolle einnimmt." Es sei natürlich bedauerlich, dass man nicht konstant und ständig am Ball geblieben sei, um die Glaubwürdigkeit, die Deutschland habe, in die Waagschale zu werfen. Insofern sei vielleicht doch eine Chance verpasst worden.
Stellvertreterkrieg: Der Konflikt zwischen Eritrea und Äthiopien
Die Realität in Mogadischu gibt indes wenig Hoffnung auf eine baldige Waffenruhe: Derzeit toben die schwersten Kämpfe, die das nordostafrikanische Land seit dem Fall des Barré-Regimes 1991 gesehen hat. Allein seit Monatsbeginn sind über 1000 Zivilisten getötet worden. Radikale Anhänger der "Union der islamischen Gerichte" UIC haben zudem eine Fortsetzung des Guerillakampfes angekündigt. Mit Scheich Sharif Ahmed hält sich dieser Tage eines der Führungsmitglieder der UIC in Eritrea auf. Eine schlechte Nachricht, denn in der eritreischen Hauptstadt Asmara verfolgt man seit Jahren eine destruktive Interessenspolitik gegenüber dem verfeindeten Äthiopien, frei nach dem Motto "Der Feind meines Feindes ist mein Freund". Somalia dient den Nachbarn als Austragungsort eines Stellvertreterkrieges.
Einen positiven Aspekt mag die eskalierende Situation in Mogadischu und die Bindung der äthiopischen Truppen dort allerdings haben: Die von einigen Beobachtern befürchtete Gefahr eines direkten Waffenganges Äthiopiens gegen Eritrea scheint zunächst gebannt: Nach zahlreichen Truppenverstärkungen in Somalia droht selbst der 180.000 Mann starken äthiopischen Armee der Overstretch.