Kein Frieden mit Assad
24. Juli 2012Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan sieht es zumindest kommen. "Das Ende des Regimes in Syrien steht kurz bevor", sagte er in einer Rede. Früher oder später werde Syriens Präsident Baschar al-Assad fallen. "Wir denken, dass das syrische Volk dem Sieg immer näher kommt", so Erdogan. Die nördlich an Syrien angrenzende Türkei gilt als entschiedener Gegner Assads. Teilweise erteilen syrische Rebellenführer auch von türkischem Gebiet aus ihre Kommandos und schmuggeln Waffen von dort aus nach Syrien.
Was die politische Zukunft mit oder ohne Assad angeht, scheint der oppositionelle Syrische Nationalrat (SNC) uneinig. Zunächst sagte der SNC-Sprecher Georges Sabra der Nachrichtenagentur afp, man sei bereit, eine Übergangsregierung unter einem Vertrauten von Assad zu akzeptieren, wenn Assad selbst sich zurückziehe. Man besitze durchaus "partiotische Figuren", die das Land vorübergehend führen könnten. Als mögliches Vorbild für den Machtwechsel nannte Sabra den Jemen. Der langjährige Präsident Ali Abdallah Saleh hatte dort im November nach monatelangen Protesten auf sein Amt verzichtet und die Macht übergangsweise an seinen Stellvertreter Abd Rabbo Mansur Hadi übergeben. Dieser wurde dann im Februar zum neuen Präsidenten gewählt.
Kurz darauf widersprach jedoch eine andere SNC-Sprecherin dieser Aussage. Bassma Kodmani sagte ebenfalls der Nachrichtenagentur afp: "Es bestand nie die Frage einer Regierung der nationalen Einheit unter Führung eines Mitglieds des Regimes." Eine Übergangsregierung müsse von der Opposition geführt werden. Der Nationalrat fordert seit Monaten den Rücktritt des Staatschefs. Assad hat sich bislang jedoch kategorisch geweigert.
Besonders umkämpft: Millionenstadt Aleppo
Der Kampf gegen das Assad-Regime hält weiter an. Den vierten Tag in Folge kam es zu heftigen Kämpfen in Aleppo. Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte beschossen Armee-Helikopter wieder mehrere Viertel der Stadt. Landesweit wurden demnach erneut dutzende Menschen getötet. Bei der Niederschlagung einer Meuterei im zentralen Gefängnis der Stadt wurden der Opposition zufolge zudem acht Häftlinge getötet. Auch in Damaskus gab es weiter Kämpfe. Demnach griffen syrische Kräfte die Bezirke Kadam und Aassali an.
US-Außenministerin Hillary Clinton sagte in Washington, es sei noch nicht zu spät für Assad, die Macht abzugeben und so einen Weg für ein Ende der Gewalt zu finden. Sie sagte zudem der syrischen Opposition die Unterstützung der USA zu.
Eine Woche nach dem tödlichen Anschlag auf Sicherheitsvertreter wurde General Ali Mamluk zum Leiter der Sicherheitsbehörden ernannt. Mamluk überwacht künftig den kompletten Sicherheitsapparat und steht in direktem Kontakt zu Assad. Bisher waren die Sicherheitsbehörden auf verschiedene Ministerien aufgeteilt.
Debatte über Chemiewaffen hält an
Die Drohung des Regimes, im Falle eines internationalen Eingreifens in den Konflikt Chemiewaffen einzusetzen, sorgt unterdessen weiter für Empörung. Assad und seinen engsten Vertrauten würden für ihre Taten zur Rechenschaft gezogen werden, sagte US-Präsident Barack Obama. Alle Blicke seien auf Syrien gerichtet, die "Welt schaut zu". Der syrische Außenamtssprecher Dschihad al-Makdissi stellte nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Sana aber klar: Die Chemiewaffen seien "nur zur Verteidigung gegen einen Angriff von außen" entwickelt worden, nicht "von innen". Dennoch wächst die Sorge um die Sicherheit der Chemiewaffen. Vor allem Israel befürchtet, dass die Chemiewaffen in die Hände von Extremisten fallen könnten.
Angesichts der Blockade von China und Russland im UN-Sicherheitsrat, eine Resolution zu Syrien zu verabschieden, wollen die USA nun ihre Strategie ändern. Wie die Nachrichtenagentur Reuters aus hochrangigen US-Regierungskreisen erfuhr, sollen die Rebellen in ihrem Kampf gegen Präsident Baschar al-Assad mit Kommunikationsmitteln und Geheimdienstinformationen versorgt werden. Man wolle zwar niemanden selbst töten, aber noch mehr Hilfe leisten als bislang. Aus Regierungskreisen wurde auch bekannt, dass die USA an einem Plan für die Zeit nach dem Sturz Assads arbeiten wollen.
Auf der Flucht
Wegen der anhaltend hohen Gewalt in Syrien fliehen immer mehr Menschen aus ihren Heimatstädten oder aus dem Land. Inzwischen seien rund 1,5 Millionen Syrer innerhalb des Bürgerkriegslandes auf der Flucht, teilten die Vereinten Nationen mit. Die EU forderte einen Krisenplan. Deutschland verstärkt unterdessen die Hilfe für die Aufnahme von Flüchtlingen. Das Technische Hilfswerk wird in einem Lager an der Grenze zu Jordanien außerdem die vollständige Wasserversorgung einrichten. Auch dort wird die Lage immer schwieriger: Zwischen Einheimischen und Flüchtlingen kommt es regelmäßig zu Krawallen, viele wollen nur weg. Seit Beginn des Volksaufstands gegen Assad im März 2011 starben nach UN-Schätzungen rund 17.000 Menschen.
Ins Ausland flohen mittlerweile mehr als 150.000 Syrer, wie die Vereinten Nationen weiter erklärten. Die meisten Menschen mit syrischer Nationalität hätten in der Türkei (44.000), in Jordanien (knapp 39.000), im Libanon (knapp 33.000) und im Irak (8000) Zuflucht gesucht.
nis/kle (afp, dpa, dapd, rtr, epd)