Muslime ausgeschlossen
15. Mai 2009Der Hessische Kulturpreis 2009 sollte eigentlich an Vertreter des Christentums, des Judentums und des Islam verliehen werden. Die vier Preisträger sollten der Mainzer Kardinal Karl Lehmann, der frühere hessen-nassauische Kirchenpräsidenten Peter Steinacker, der Vizepräsidente des Zentralrats der Juden in Deutschland, Salomon Korn, sowie der deutsch-iranischen Schriftsteller Navid Kermani, sein.
Für ihre Verdienste um die interreligiöse Kooperation hätten am 5. Juli nun nur Kardinal Karl Lehmann, Peter Steinacker, und der Vizepräsident des Zentralrates der Juden, Salomon Korn, geehrt werden sollen. Kermani war der mit 45.000 Euro dotierte Preis, mit dem Toleranz und Einsatz für den Dialog zwischen den Religionen gewürdigt werden soll, aberkannt worden, nachdem die christlichen Mitpreisträger, Lehmann und Steinacker, mit der Verweigerung des Preises gedroht hatten. Anlass war ein Artikel Kermanis in der "Neuen Zürcher Zeitung". Darin hatte Kermani die Kreuzestheologie abgelehnt und von Gotteslästerung gesprochen.
Nach Angaben der Online-Redaktion der "Hessisch-Niedersächsischen Allgemeinen" soll die Verleihung des Kulturpreises jetzt allerdings auf den Herbst verschoben werden. Man wolle versuchen die vier Preisträger an einen Tisch zu bekommen.
Ursprünglich hatte das Kuratorium auch Fuat Sezgin, emeritierter Frankfurter Professor für Geschichte der Naturwissenschaften und Gründer des Instituts für Geschichte der arabisch-islamischen Wissenschaften, auszeichnen wollen. Sezgin habe die Auszeichnung abgelehnt, weil er die Haltung des Mitpreisträgers Korn zum Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern nicht hinnehmen könne. Sezgin erklärte, sein Mitpreisträger Korn habe die Auseinandersetzung im Gaza-Streifen so einseitig kommentiert, "dass es für seine politische Überzeugung und sein kulturelles Verständnis nicht hinnehmbar sei, den Preis mit ihm anzunehmen".
Ersatzpreisträger
Daraufhin suchte die Jury nach einem anderen Preisträger aus der muslimischen Gemeinschaft und schlug den iranischstämmigen Schriftsteller und Orientalisten Navid Kermani vor. Kermani, geboren 1967, lebt in Köln und ist Mitglied der Deutschen Islamkonferenz. Er sei zunächst bei den anderen Preisträgern auf Zustimmung gestoßen.
Allerdings hatte er zu Ostern einen Essay in der "Neuen Züricher Zeitung" veröffentlicht, in dem er das Symbol des Kreuzes und die Überhöhung des Schmerzes im Christentum als "barbarisch" und "körperfeindlich" bezeichnete: "Für mich formuliere ich die Ablehnung der Kreuzestheologie drastischer: Gotteslästerung und Idolatrie" (Götzendienst). Daraufhin hätten Kardinal Lehmann und Kirchenpräsident Steinacker erklärt, den Preis nicht gemeinsam mit Kermani annehmen zu wollen. Laut Landesregierung beschloss das Kuratorium dann, von einem muslimischen Vertreter abzusehen. Es sei unvertretbar gewesen, die bereits ausgesprochene Ehrung für Lehmann, Steinacker, Korn und deren Lebenswerk zurückzunehmen, hieß es.
Projekt gescheitert
Kermani selbst hat mit Empörung auf die Aberkennung reagiert. "Sehr geehrter Herr Koch, ich hoffe, dass Sie sich wenigstens schämen. Mit freundlichen Grüßen aus dem katholischen Köln", schreibt er an die Adresse von Hessens Ministerpräsident Roland Koch gerichtet in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung von Freitag (15.05.2009) "Es stimmt, dass ich in den ersten Sätzen die Ablehnung der Kreuzestheologie, die einem Nichtchristen doch zugestanden werden muss, sehr drastisch formuliere", schreibt er über seinen kritisierten Text. Aber der Artikel höre dort nicht auf, sondern zeige, wie ihn die Kraft der Jesus-Darstellung fast zum Gesinnungswandel bekehre. Der frühere hessen-nassauische Kirchenpräsident Peter Steinacker hat diese Aussagen hingegen zurückgewiesen. Dass Kermani die Kreuzestheologie als "Gotteslästerung und Bilderdienst" bezeichnet habe, beende den interreligiösen Dialog, erklärte er am Donnerstag. Grundlage des Gesprächs könne nur sein, dass man sich gegenseitig das Recht auf Selbstinterpretation zubillige und dies nicht gotteslästerlich denunziere, betonte Steinacker.
Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hat die Aberkennung des Hessischen Kulturpreises an den Schriftsteller Navid Kermani als "Staatsposse" bezeichnet. "Wenn Navid Kermanis kühner Artikel über die Empfindungen eines Muslims bei der Betrachtung einer Darstellung der Kreuzigung Christi in einer römischen Kirche tatsächlich der Grund ist, ihm den zugedachten Preis für seinen Beitrag zum Dialog der Religionen zu verweigern, dann sollte der Staat besser auf die Verleihung von Kulturpreisen verzichten", erklärte Lammert am Freitag in Berlin. (ina/chr/dh/dpa/kna/epd)