Kein Lebenszeichen von Dawit Isaak
3. Mai 2017Plötzlich war er weg. Von Unbekannten verschleppt, verhaftet, ohne Anklage. Im September 2001 verschwand der Journalist Dawit Isaak in seiner Heimat Eritrea spurlos. "Meine Mutter hat anfangs noch versucht ruhig zu bleiben und gesagt: Es ist nicht so schlimm, er wird bald wieder zuhause sein", erinnert sich Tochter Betlehem, die damals sieben Jahre alt war. "Jetzt ist es schon 16 Jahre her - zurück ist er immer noch nicht."
Rückkehr aus schwedischem Exil
Dawit Isaak war ein leidenschaftlicher Journalist. Für die Wochenzeitung Seti schrieb er in der eritreischen Hauptstadt Asmara über die politische Entwicklung seines Landes. Eritrea hatte 1993 die Unabhängigkeit erlangt. Isaak war kurz darauf aus dem Ausland zurückgekehrt, um sich am Aufbau seines Landes zu beteiligen. 1987 hatte er Eritrea verlassen und war nach Schweden ausgereist. Fünf Jahre später nahm er die schwedische Staatsbürgerschaft an.
"Er war stets beschäftigt und viel unterwegs", erinnert sich Tochter Betlehem, die mittlerweile in Schweden lebt. "Wenn ich an ihn denke, dann sehe ich ihn immer mit einem Buch in der Hand. Er hat uns Kindern viel erzählt. Er wollte, dass wir Dinge wissen, über uns, über die Geschichte unseres Landes".
Aufbruchstimmung - und dann Repression
Die Aufbruchstimmung in Eritrea Mitte der 1990er Jahre währte nicht lange. Politische Reformen stockten. Im Sommer 2001 forderten mehrere Politiker Präsident Isaias Afewerki heraus. In offenen Briefen verlangten sie, die Regierung solle wie versprochen Wahlen abhalten lassen und die Verfassung in Kraft setzen. Das Thema erhitzte die Gemüter. Isaak schrieb für die Wochenzeitung Seti wiederholt über die Auseinandersetzung.
Doch statt die gewünschten Reformen durchzusetzen, reagierte Eritreas politische Führung mit Härte: Im September 2001 ließ sie nicht nur elf reformorientierte Politiker verhaften, sondern auch zahlreiche Journalisten, die über die demokratischen Forderungen berichtet hatten. Dawit Isaak war einer von ihnen.
Niemand weiß etwas über seinen Verbleib
Bis heute wissen weder Familie noch Freunde, weder Anwälte noch Diplomaten, wo Isaak gefangen gehalten wird. "Das Traurige ist: Man gewöhnt sich daran. Wir Menschen sind wirklich gut darin, uns an alle möglichen Situationen anzupassen", erzählt Betlehem Isaak.
Seit Jahren gibt es keinerlei Lebenszeichen von Isaak. Es ist nicht einmal klar, ob er überhaupt noch lebt. Björn Tunbäck von Reporter ohne Grenzen in Schweden bleibt dennoch optimistisch. "Wir wissen von Inhaftierten, die die Haft nicht überlebt haben. Aber von Dawit haben wir das nicht gehört. Wir glauben, dass wir es irgendwie mitbekommen hätten, wenn er verstorben wäre."
Das "Nordkorea Afrikas"
Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Eritrea seit Jahren auf den untersten Plätzen. Seit 2001 sind unabhängige Medien in dem Land verboten. Alles, was in den staatlich kontrollierten Medien erscheint, muss eine strenge Vorzensur passieren. Menschenrechtsgruppen berichten von Tausenden politischen Gefangener.
"Eritrea ist das Nordkorea Afrikas", sagt der Journalist Amanuel Eyasu. Er ist 2003 selbst aus Eritrea geflohen und hat in Großbritannien den Exilsender Assenna gegründet.
In Schiffscontainer gesperrt
Entlassene Gefangene haben während der vergangenen Jahre von harten Haftbedingungen berichtet. Gut möglich, dass auch Dawit Isaak sein Dasein unter menschenverachtenden Umständen fristet. "Viele Häftlinge werden in entfernte, ländliche Gebiete gebracht, wo man sie in Isolationshaft sperrt", sagt Eyasu. "Wir wissen zudem, dass die Regierung Häftlinge in sehr heißen Gegenden in Schiffscontainer einsperrt". Diese Container heizen sich tagsüber auf unerträgliche Temperaturen auf. Nachts ist es in ihnen bitterkalt. "Man braucht also keine Menschen, die die Häftlinge foltern", sagt Eyasu. "Die Unterbringung an sich ist Strafe genug".
Zum Internationalen Tag der Pressefreiheit erinnert die UNESCO mit der Verleihung des Guillermo Cano World Press Freedom Prize nun an das Schicksal von Dawit Isaak. Betlehem Isaak wird den Preis stellvertretend für ihren Vater in Empfang nehmen.