Kein Volk von Kiffern
5. Februar 2007"Wir haben viele junge Kunden, die mit dem Interrailpass kommen. Es kann schon mal passieren, dass die zu wenig geschlafen oder nichts gegessen haben. Wenn die dann kiffen oder ein Stück Space Cake (Haschkuchen) essen, wird ihnen schlecht. Aber das ist auch schon alles", meint Steve, der einen Koffieshop in Amsterdam führt. "Grey Area" heißt er, Grauzone - benannt nach jener gesetzlichen Grauzone, in der sich diese halblegalisierten Verkaufsstellen für Hasch und Marihuana befinden: Denn einerseits ist der Konsum von weichen Drogen auch in den Niederlanden nach wie vor illegal; andererseits jedoch wird der Verkauf unter bestimmten Bedingungen geduldet: Keine Minderjährigen, keine harten Drogen und keine Klagen aus der Nachbarschaft.
Kostenlose Methadonprogramme
Auf diese Weise soll der Haschraucher von der kriminellen harten Drogenszene ferngehalten werden, erklärt der niederländische Drogenexperte Gijs van Brussel. "Die erste Droge, mit der experimentiert wird, ist Haschisch. Wenn die Leute dann mit 18 Jahren in die späte Pubertät kommen, dann gibt es Sex, Drugs and Rock'n'Roll." Dann ließen sich die Jugendlichen und jungen Erwachsene nichts mehr von ihren Eltern sagen, so van Brussel. "Die erste Droge ist Cannabis, und wenn sie dann in derselben Szene mit Heroin und Kokain in Kontakt kommen, dann ist die Chance, dass sie damit experimentieren, sehr groß", warnt der Drogenexperte
Die Trennung der Märkte für harte und weiche Drogen hat dazu geführt, dass die Zahl der Drogensüchtigen seit Jahren stabil bleibt, sie liegt bei rund 25.000. Die Zahl der Drogentoten ist im EU-Vergleich relativ niedrig und liegt bei nur 42 pro Jahr. Denn Drogensüchtige gelten in erster Linie als Patienten und nicht als Kriminelle. Der Konsum harter Drogen wird ganz pragmatisch als Gesundheitsproblem gesehen, deshalb gibt es für die Drogenabhängigen kostenlose Spritzen- und Methadonprogramme.
Grenztourismus der besonderen Art
Die liberale Drogenpolitik hat aus den Niederländern kein Volk von Kiffern gemacht. In Frankreich und Großbritannien werden weitaus mehr weiche Drogen konsumiert als in den Niederlanden. Einen Joint zu rauchen, ist für niederländische Jugendliche nichts Spannendes, nichts Verbotenes mehr.
An der Grenze zu Deutschland und Belgien allerdings versagt die niederländische Drogenpolitik: Einer Heuschreckenplage gleich fallen Drogentouristen aus Deutschland, Frankreich und Belgien tagtäglich über die niederländischen Grenzstädte her, um sich in den Koffieshops mit weichen Drogen einzudecken. Der Bürgermeister vom niederländischen Venlo hat deshalb beschlossen, die Touristen direkt an der Grenze abzufangen: Gleich bei der ersten Autobahnabfahrt wurde ein so genannter Drive-in-Koffieshop eröffnet - allen Protesten aus Deutschland und Belgien zum Trotz. Die niederländische Stadt Maastricht würde dem Beispiel von Venlo nur allzu gerne folgen. Doch um die Beziehungen zu den europäischen Nachbarn nicht weiter zu gefährden, hat die niederländische Regierung noch kein grünes Licht gegeben.