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Nach der Länderspielabsage in Hannover

Richard A. Fuchs, Berlin (mit Agenturen)18. November 2015

Sicherheitsbehörden und Regierung halten die Absage des Länderspiels in Hannover für richtig. Jetzt wird darüber spekuliert, wie groß die Terrorgefahr in Deutschland ist. Der Fußball soll jedenfalls bald wieder rollen.

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Ein Polizist vor dem Stadion in Hannover. (Foto: Julian Stratenschulte/dpa)
Am Dienstag wurde das Länderspiel abgesagt. Schon am Wochendende soll der Fußball aber wieder rollen.Bild: picture-alliance/dpa/J. Stratenschulte

Nach der Absage des Fußballländerspiels zwischen Deutschland und den Niederlanden am Dienstag in Hannover gibt es weder Festnahmen noch Sprengstoff-Funde. Es hatte zunächst geheißen, es gebe Hinweise auf ein geplantes Sprengstoffattentat auf das Fußball-Freundschaftsspiel. "Es gab konkrete Hinweise auf konkrete Gefahren", so begründete Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil am Mittwoch die Absage. Eine Polizeisprecherin bestätigte allerdings, die Polizei fahnde weiter mit einem Großaufgebot nach Verdächtigen. "Wir sind an verschiedenen Orten im Einsatz", sagte die Sprecherin in Hannover – vier Tage nach den verheerenden Anschlägen von Paris, bei denen 129 Menschen starben. Die Deutsche Fußballliga teilte inzwischen mit, dass die Bundesliga-Spiele am kommenden Wochenende – trotz erhöhter Terrorgefahr – stattfinden sollen. Der Präsident des Bundeskriminalamtes, Holger Münch, ließ daraufhin wissen, dass ihm und den anderen deutschen Sicherheitsbehörden derzeit keine konkreten Anhaltspunkte für ein weiteres Anschlagsziel in Deutschland vorliegen würden.

Merkel: "Ich war genau so traurig wie Millionen Fans"

Dennoch war am Morgen das Sicherheitskabinett der Bundesregierung im Kanzleramt zusammengekommen, um über Konsequenzen der Spielabsage für die innere Sicherheit zu beraten. Zahlreiche Minister, ebenso wie die Bundeskanzlerin, waren zu dem Spiel nach Hannover angereist. "Ich war genauso traurig wie Millionen Fans", kommentierte die Kanzlerin das Erlebte. Dennoch sei die Absage richtig gewesen. "Im Zweifel für die Sicherheit", betonte Merkel. Künftige Großveranstaltungen – Fußballspiele, Weihnachtsmärkte oder Volksfeste – sieht sie dennoch nicht in Gefahr. Es bleibe möglich, "dass wir weiterhin große Veranstaltungen durchführen" und "dass wir uns an diesen Veranstaltungen erfreuen können". Sie bedankte sich bei den Sicherheitsbehörden für ihre professionelle Arbeit, sowie bei Fans und Bürgern von Hannover für ihre "besonnene und ruhige" Reaktion. Damit sei – trotz aller Enttäuschung - ein sichtbares Zeichen gegen den Terror gesetzt worden. Auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil betonte: "Keiner ist zu Schaden gekommen und das ist ein Erfolg".

Bundeskanzlerin Angela Merkel im Kanzleramt in Berlin (Foto: Reuters/S. Stache)
Kanzlerin Angela Merkel (CDU): Großveranstaltungen weiter möglich.Bild: Reuters/S. Stache

Verfassungsschutz: "Mumbai-Style-Angriff" hat neue Qualität

Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen verteidigte im ARD-Morgenmagazin die Entscheidung des Ministers, die er nach enger Abstimmung mit den Sicherheitsbehörden getroffen habe. Die Gefahr eines Anschlages des IS in Deutschland hält Maaßen für sehr real. "Wenn der IS in Deutschland Terroranschläge durchführen kann, wird er es tun, das ist unsere Sorge." Maaßen betonte gleichzeitig, dass die in Paris an mehren Orten gleichzeitig durchgeführten Terroranschläge eine neue Qualität der Terrorgefahr in Europa darstellten. Diese "Mumbai-Style-Angriffe", so Maaßen in Anlehnung an die 17 gleichzeitigen Terrorattacken, die 2008 die indische Metropole Mumbai erschütterten, stellten für Europa eine "sehr große Herausforderung" dar.

Ein Polizist steht am Hauptbahnhof in Hannover mit Waffe in der Hand (Foto: picture-alliance/dpa/J. Stratenschulte)
Die Anzahl der Sicherheitskräfte wurde bundesweit erhöht und die Bewaffnung verstärktBild: picture-alliance/dpa/J. Stratenschulte

Bundespräsident Gauck hatte nach den Anschlägen in Paris eine Debatte angefacht, in dem er während der Gedenkstunde zum Volkstrauertag den IS-Terror als "Krieg" bezeichnete. "Wir leben in Zeiten, in den wir Opfer einer neuen Art von Krieg beklagen", sagte Gauck im Bundestag. Gerhard Baum, liberaler Bundesinnenminister zu Zeiten des RAF-Terrors in den 1970er-Jahren, hält die Lage heute für schwieriger als damals. "Jetzt haben wir einen viel heimtückischeren Terrorismus", so Baum gegenüber dem Informationskanal Phoenix. Das Ziel der Terroristen sei es heute, Angst zu verbreiten. Er riet den politisch Verantwortlichen heute, Farbe zu bekennen. "Die Wahrheit ist, dass wir uns nicht hinreichend schützen können." Der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, sieht die Polizei dennoch gerüstet, um auch künftig die Sicherheit bei Bundesligaspielen und Großereignissen sicherzustellen. "Es wird eine Zeit lang ein bedrückendes Gefühl geben, aber wenn die Menschen, Bürger und Fußball-Fans in Deutschland merken, dass die Polizei die Lage im Griff hat, wird es auch wieder eine neue Gelassenheit geben, so dass man sich auch wieder uneingeschränkt an Fußballspielen erfreuen kann."

Bundeswehr zur Terrorabwehr?

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sieht die Zeit für weitere Schritte aber gekommen. Er schlug vor, dass die Bundeswehr auch im Inneren Aufgaben der Terrorabwehr wahrnehmen könnte. "Wenn wir eine Situation hätten wie Paris, möglicherweise mit Anschlägen an drei bis vier Orten, wird man darüber nachdenken müssen, ob unsere polizeilichen Fähigkeiten ausreichen", sagte Schäuble nach Informationen der "Rheinischen Post" auf einer Veranstaltung in Düsseldorf.

Finanzminister Wolfgang Schäuble bei einer Pressekonferenz in Berlin (Foto: picture-alliance/dpa/B.v.Jutrczenka)
Fordert im Notfall Bundeswehr-Einsätze im Inneren - Finanzminister Wolfgang SchäubleBild: picture-alliance/dpa/B.v.Jutrczenka

Wie angespannt die Sicherheitslage derzeit von Behörden wie Bürgern empfunden wird, zeigt die Verwirrung um ein liegengelassenes Päckchen in einem Zug in Hannover. Eine Sprecherin der Bundespolizei betonte, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass das Paket mit Sprengstoff in Berührung gekommen sei. Nach Abschluss der Untersuchung wurde das Paket als ungefährlich eingestuft. Es habe sich aber um eine "gut gebaute Attrappe" gehandelt, so die Behörden weiter. Die Fahndung nach der Person, die das Päckchen deponiert hatte, hält an. Allerdings wird von einem Trittbrettfahrer ausgegangen.

Die Polizeichefs der Länder haben bei einer Telefonkonferenz beraten, ob weitere Sicherheitsmaßnahmen eingeleitet werden sollten – insbesondere mit Hinblick auf die beginnende Weihnachtsmarkt-Saison in Deutschland. Das Bundesland Bayern war hier schon vorgeprescht: Der Innenminister des Landes hatte am Dienstag angekündigt, die Schleierfahnung nach Terroristen durch die bayrische Polizei in der Nähe der Grenze "massiv" auszuweiten.