Kein Wettbewerb um Organe
3. Januar 2013Organspende brauche "Offenheit und Vertrauen statt Profit und Eitelkeit", sagte der Chef der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch. Deshalb sei es sinnvoll, keine Konkurrenz zwischen den Einrichtungen zuzulassen. Das funktioniere aber nur, wenn es weniger Transplantationszentren gebe. Dafür sprach sich auch Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery aus. Das hätte außerdem den Vorteil, dass die Zentren leichter zu überprüfen seien. "Falsche ökonomische Anreize" spielten keine Rolle mehr.
Rund ein halbes Jahr nach dem Organspendeskandal in Göttingen und Regensburg ist ein ähnlicher Betrug am Leipziger Universitätsklinikum aufgedeckt worden. Eine Untersuchungskommission von Deutscher Krankenhausgesellschaft, dem Krankenhausspitzenverband GKV und Bundesärztekammer hatte im Dezember Unregelmäßigkeiten aufgedeckt. Demnach hatten Transplantationsmediziner 2010 bis 2012 bei 38 Patienten falsche Daten eingetragen. Sie gaben ihre Patienten fälschlich als Dialysepatienten aus und machten sie damit kränker als sie tatsächlich waren. So rutschten sie auf der Dringlichkeitsliste der internationalen Organvermittlung Eurotransplant nach oben und bekamen schneller eine neue Leber zugeteilt.
Gründe noch unklar
Warum die Ärzte die Listen manipuliert haben, wissen die Verantwortlichen im Leipziger Klinikum nicht. Der Hallesche Transplantationsmediziner Paolo Fornara sieht die Ursachen im System selbst. Kliniken qualifizierten sich zum größten Teil über Transplantationsprogramme, so Fornara. Dabei gelte, "je mehr ich transplantiere, desto bedeutender bin ich".
Der Medizinische Vorstand hat die beiden Oberärzte, die das Transplantationsbüro des Klinikums in Leipzig leiteten, beurlaubt und auch den Direktor der Transplantationschirurgie von seinen Aufgaben entbunden. Die Staatsanwaltschaft Leipzig hat inzwischen ein Prüfverfahren eingeleitet, wie Oberstaatsanwalt Ricardo Schulz sagte. Es solle festgestellt werden, ob sich ein Anfangsverdacht für mögliche Straftaten ergebe. Davon hänge ab, ob ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird.
Mehr Sanktionen gegen korruptes Verhalten
Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery sagte in einem Zeitungsinterview, "wer als Transplantationsmediziner immer noch nicht begreift, dass er sein eigenes Fach durch Schummeln und Manipulieren kaputt macht, der hat in diesem Fach nichts mehr zu suchen." Montgomery regte eine Verschärfung des Berufsrechts an. "Die Ärzteschaft benötigt zum Beispiel Ermittlungskompetenzen, um selbst gegen schwarze Schafe vorgehen zu können und relevante Dokumente und Beweise sicherstellen zu können." Eine weitere Möglichkeit könne sein, in Korruptionsfällen schneller die Kassenzulassung anzuerkennen. "Das hätte im Zweifel mehr Wirkung als Änderungen im Strafrecht", sagte der Präsident der Bundesärztekammer.
Besser Kontrollen schon durchgesetzt
Frank Ulrich Montgomery sieht trotz der Leipziger Manipulationen deutliche Verbesserungen bei Organspenden. "Die Transplantationsmedizin in Deutschland war wahrscheinlich noch nie so sicher und vor Schummeleien geschützt wie derzeit", sagte Montgomery. Die Vorkommnisse von Leipzig seien ausschließlich "Fälle aus der Vergangenheit". Dennoch glaube er, dass auch in Zukunft ähnliche Verstöße publik werden könnten. "Die Prüfkommission untersucht etwa 140 Transplantations-Programme, was etwa drei Jahre dauern wird", so Montgomery. "Deshalb rechnen wir damit, dass noch mehr ans Licht kommt."
Politik sieht keinen Handlungsbedarf
Das Bundesgesundheitsministerium sieht derzeit keinen Anlass für Konsequenzen aus dem aktuellen Verdachtsfall. "Es wurde ja schon gehandelt", sagte eine Sprecherin in Berlin und verwies auf die verstärkten Kontrollen, die zwischen Ärzten, Kassen und Kliniken vereinbart wurden. Außerdem gebe es inzwischen das Mehr-Augen-Prinzip bei der Beurteilung von potenziellen Organempfängern, so die Sprecherin.
cd/as (dpa, afp, epd)