Kein Zyanid für Gold
18. November 2002Rosia Montana liegt in den Bergen Westsiebenbürgens zwischen bewaldeten Hügeln und Bergwiesen. Doch in der Region rund um das rumänische Dorf mit dem wohlklingenden Namen herrscht der ökologische Notstand. Ein stillgelegtes Bergwerk hat riesige Abraumhalden mit Giftschlämmen hinterlassen. Die Flüsse im ganzen Gebiet sind biologisch tot.
Effektive und gefährliche Technik
Nun sollen Rosia Montana und zwei weitere Dörfer ganz verschwinden und 900 Familien umgesiedelt werden. Denn der Boden unter den Orten enthält Gold. Aus der Erde holen will das Edelmetall die kanadisch-rumänische Firma Rosia Montana Gold Corporation, und zwar mit Zyanid. Die Technik ist sehr effektiv, aber auch hochgefährlich: Zyanidwäsche ist daher in fast allen europäischen Ländern verboten.
Auch viele Rumänen wollen seit einer Umweltkatastrophe vor zwei Jahren keinen Zyanidbergbau mehr: Ende Januar 2000 verursachte eine australisch-rumänische Goldfirma das bisher größte Zyanidunglück im europäischen Bergbau. Aus einem Staubecken bei der Stadt Baia Mare in Nordrumänien flossen 100.000 Tonnen zyanid- und schwermetallhaltige Abwässer in die Flüsse Theiss und Donau. Massenfischsterben und Trinkwasserprobleme in Rumänien, Ungarn und Serbien waren die Folge. Jetzt soll bei Rosia Montana Europas größtes Zyanidgoldbergwerk gebaut werden. In Rumänien hat das Projekt landesweite Proteste ausgelöst. Auch die Europäische Union ist besorgt.
Proteste vor Ort
Rumänische Umweltgruppen, Bürgervereinigungen und internationale Organisationen wie Greenpeace haben seit Sommer Protestdemonstrationen vor Ort abgehalten. Gabriel Dumitrascu, stellvertretender Direktor der Rosia Montana Gold Corporation, hält davon nichts: "Alle Anschuldigen sind unbegründet. An unserem Projekt haben rumänische und internationale Spezialisten gearbeitet."
Die Zahlen des Rosia-Montana-Projektes klingen gewaltig: 400 Millionen US-Dollar will die Gold Corporation investieren und mehrere tausend Arbeitsplätze schaffen. Insgesamt sollen 225 Millionen Tonnen Erde und Gestein bewegt und mit jährlich 5000 Tonnen Zyanid behandelt werden. Ein Stausee mit einem Fassungsvermögen von 250 Millionen Kubikmetern soll gebaut werden. Das in den Abwässern enthaltene Zyanid soll neutralisiert werden.
Kein geschlossener Zyanidkreislauf
Mihaela Lazarescu, rumänische Expertin für Bergbauanlagen und Rückstandsbecken, bezweifelt trotzdem, dass die Grube umweltfreundlich sein wird. Sie rechnet damit, dass Rosia Montana zur ökologischen Bombe werde: "Wenn der Goldabbau beendet ist, werden wir auf dem Rückstandsbecken und auf den Halden sitzenbleiben, die sehr schwer zu beseitigen sind." Einen geschlossenen Zyanidkreislauf, aus dem nichts austreten kann, gebe es nicht.
Das rumänische Umweltministerium hat dennoch eine Genehmigung für das Projekt erteilt. Immerhin geht es um Investitionen und Beschäftigung in einer Region, in der 40 Prozent der Menschen ohne Arbeit sind. Bei der Europäischen Union (EU) sieht man die Genehmigung mit Besorgnis. Man habe gegenüber Rumänien unterstrichen, dass es wichtig ist, Umweltregeln zu beachten, heisst es aus dem Büro der EU-Umweltkommissarin Margot Wallström. Doch das Land sei nicht EU-Mitglied und könne alleine entscheiden.
Anwohner wollen um keinen Preis gehen
In Rosia Montana sind die Menschen gespalten. Manche freuen sich über das Projekt und hoffen auf einen Arbeitsplatz oder haben ihr Grundstück bereits teuer an die Gold Corporation verkauft. Andere wollen um keinen Preis weg. Zum Beispiel Eugen Cornea, ein ehemaliger Bergbauingenieur, der jetzt als Rentner mit seiner Frau im Ort lebt. Zusammen mit Anderen aus dem Ort hat er die Vereinigung Alburnus Maior gegründet, die gegen die Umsiedlung protestiert. "Überall in der Welt, wo diese transnationalen Firmen waren, haben sie eine Wüste hinterlassen, Mondlandschaften, die Umwelt ist nicht wieder hergestellt worden", sagt Cornea.
Abgesehen von der noch zu erwartenden Umweltkatastrophe habe sich aber auch bereits das Leben im Dorf verändert – zum Schlechten, wie Cornea sagt. Die Gold Corporation führe einen psychologischen Krieg gegen die Projektgegner. "Früher waren wir wie eine Familie. Heute bedrohen mich die Leute." Der Bauingenieur solle aufpassen, dass ihn kein Auto anfahre, hat er mehrfach zu hören bekommen. Das scheint ihn jedoch kaum zu beeindrucken: "Wir werden hier nicht weggehen, dass das klar ist."