Südsudan: Keine Chance auf Waffenruhe
11. Mai 2014Am Samstag hatte Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier ein hoffnungsfrohes Statement zur gerade vereinbarten Waffenruhe im Südsudan gegeben. Er lobte die "kluge und beharrliche" Vermittlung Äthiopiens und der ostafrikanischen Regionalorganisation IGAD (Intergovernmental Authority on Development) und würdigte die Vereinbarung als "wichtigen Schritt auf dem Weg zu einer politischen Lösung des Konflikts". Kaum 24 Stunden später war das von Steinmeier beschworene "Zeichen der Hoffnung" schon fast wieder Makulatur.
Beide Lager ließen die Waffen sprechen und beschuldigten sich in alter Manier gegenseitig, die Vereinbarung gebrochen zu haben. Verteidigungsminister Kuol Manyang Juk warf den Rebellentruppen vor, am Sonntagmorgen (11.05.2014) in den Ölfeldern um Bentiu im Norden Regierungsstellungen attackiert zu haben. Die Armee habe 27 Angreifer getötet und einige Waffen sichergestellt. Ein Sprecher der Oppositionstruppen, "Brigadegeneral" Lul Ruai Kong, wiederum berichtete von Regierungsangriffen in zwei Provinzen. Dabei würden Milizen aus dem nördlichen Nachbarstaat Sudan an der Seite der südsudanesischen Armee kämpfen, behauptete Kong: "Das zeigt der Internationalen Gemeinschaft und den Vermittlern von IGAD, dass Präsident Salva Kiir das Abkommen entweder nicht ernst nimmt oder keine Kontrolle über seine Truppen hat."
Machtkampf an der Basis außer Kontrolle
Nach der Unterzeichnung in der Nacht zum Samstag hatten die beiden Rivalen, Präsident Salva Kiir und sein geschasster ehemaliger Vize, Riek Machar, ermutigende Erklärungen abgegeben. Kiir versicherte, "dass die Partei und die Armee, die ich führe, die Vereinbarung auch in die Tat umsetzen werden". Und Machar beteuerte: "Der Südsudan braucht Frieden, keinen "sinnlosen Krieg".
Der internationale Druck, der zu der erneuten Feuerpause geführt hatte, reichte aber wohl nur für die politische Ebene. Der Einwand der Machar-Truppen, Präsident Kiir habe seine Truppen nicht im Griff, trifft den Kern - allerdings für beide Seiten. "Der Konflikt ist nicht mehr auf zwei politische Lager zu reduzieren", beobachtete DW-Reporter Jan-Phillipp Scholz: "Er hat im Alltag längst eine ethnische Dimension. Manchmal reicht eine falsche Begrüßung, damit zwischen den Ethnien Dinka und Nuer Gewalt ausbricht." Zwar folgen Rebellenführer Machar in seinen politischen Forderungen auch prominente Dinka, also Angehörige der Ethnie von Präsident Kiir. Aber die aufgeheizten, meist ungebildeten Massen machen diesen Unterschied schon lange nicht mehr. Mit unglaublicher Brutalität gehen Dinka gegen Nuer vor und umgekehrt. Der Machtkampf eskaliert.
Vertreter von Hilfsorganisationen, darunter auch der Landesdirektor der deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), Bodo Immink, sprechen offen von einem Bürgerkrieg. Die 12.500 Mann starke UNMISS-Blauhelmtruppe ist kaum in der Lage, die inzwischen rund 1,3 Millionen Binnenflüchtlinge zu schützen. In den überfüllten Lagern herrschen katastrophale Zustände. Laut Welternährungsprogramm (WFP) sind 3,2 Millionen Menschen auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen und können wegen der Kämpfe nicht einmal notversorgt werden. Wenn die Bauern in den kommenden Wochen nicht ihre Saat einbringen können, stehen dem WFP zufolge drei Viertel der Bevölkerung vor einer "Hungerkatastrophe". Selbst in Deutschland gibt es daher Forderungen, die UN-Mission zu stärken. "Falls die Vereinten Nationen darum bäten", sagte etwa der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Christoph Strässer, "dann sollten wir den Forderungen nachkommen und mehr deutsche Blauhelmsoldaten schicken."
Vage Hoffnungen auf eine politische Lösung bis 2015
Der deutsche EU-Botschafter im Südsudan, Sven Kühn von Burgsdorff, hält das allerdings für keine gute Idee. Im DW-Interview betonte er: "Südsudan ist ein Terrain, das deutsche Soldaten überhaupt nicht kennen. Während der Regenzeit entsteht eine einzige Sumpflandschaft mit sehr schwierigen Lebensbedingungen. Wenn Sie in einem dieser Flüchtlingscamps während der Regenzeit sind, dann steht das Wasser kniehoch. Ich denke, dass afrikanische Soldaten für einen solchen Einsatz besser prädestiniert sind. Darum haben wir hier auch viele Äthiopier, Ruander und Ugander. Hinzu kommt: Es gibt kaum deutsche Interessen - wie etwa deutsche Staatsbürger oder deutsche Investitionen, die wir hier verteidigen müssten."
Bisher sind nur 15 Deutsche im Rahmen der UNMISS im Einsatz - als Polizisten und Beobachter. Es müssen also andere richten - vor allem die afrikanischen Truppen vor Ort. Sie stoßen insbesondere bei Rebellenführer Riek Machar auf Widerstand. Er will eine Ausweitung der Mission unter dem Hut der IGAD verhindern. Anfang April sagte er der DW: "Wir lehnen das ab. IGAD will ihre Soldaten in den Ölfeldern stationieren. So will die Regierung wieder an Ölgeld kommen und Waffen kaufen, um uns zu töten."
Schon der erste Schritt, eine stabile Waffenruhe, scheint beiden Seiten unendlich schwer zu fallen. Der Südsudan, der jüngste Staat der Welt, hat viel Öl, steckt aber mental noch im Lagerkrieg. Schritt zwei und drei sehen eine Machtteilung, eine Übergangsregierung und schließlich freie und faire Präsidentenwahlen 2015 vor. Das klingt fast schon visionär. "Die Implementierung und Umsetzung ist immer das Schwierigste", kommentierte EU-Diplomat Kühn von Burgsdorff lakonisch. Es gibt aber auch keine Alternative.