Löwen kämpfen ums Überleben
26. Oktober 2015Sie erscheinen groß, mächtig und strahlen dabei Eleganz und Gelassenheit aus. In China thronen Steinlöwen rechts und links von Eingängen. Sie sollen die Kraft und die Macht des Besitzers symbolisieren und negative Einflüsse fernhalten.
Die Löwen in freier Wildbahn müssen dagegen um den Erhalt ihrer Art fürchten. Das haben Forscher der University of Oxford in Großbritannien festgestellt. Der Prozess begann vor langer Zeit: Während der letzten Eiszeiten starben die Raubtiere nach und nach in Amerika, Sibirien, Europa und Vorderasien aus. Die Populationen des asiatischen Löwen wurden erst im vergangenen Jahrhundert ausgelöscht - bis auf einen Restbestand im indischen Gir-Nationalpark.
Population seit 1980 stark zurückgegangen
Den verbliebenen 23.000 Vertretern, die bevorzugt in Afrikas Savanne südlich der Sahara leben, droht ebenfalls die Ausrottung, warnen die Wissenschaftler. Sie haben Studien für 47 verschiedene Regionen Afrikas aus den letzten 25 Jahren verglichen.
Der statistischen Auswertung zufolge zeichnet sich besonders für West-, Ost- und Zentralafrika eine dramatische Entwicklung ab. Hat sich die Zahl der Löwen in den letzten 35 Jahren halbiert, wird der Anteil in den nächsten 20 Jahren nochmals um die Hälfte schrumpfen. "Das liegt daran, dass die Rudel so große Ansprüche an ihre Reviere haben", erklärt Arnulf Köhncke, Artenschutz-Experte des WWF (World Wide Fund for Nature). "Sie brauchen eine Fläche von mindestens 100 Quadratkilometern, um Zebras, Büffel und Kudu zu jagen. Nutzen Farmer das Land zur Viehbeweidung, werden die Beutetiere des Löwen verdrängt." Ein Teufelskreis setzt sich in Gang, denn folglich reißt die Raubkatze Rinder und Ziegen - Einkommensquellen der Menschen. Die töten dann den Löwen aus Rache - oder, weil sie sich persönlich bedroht fühlen.
Auch sei die zunehmende Flächenbeanspruchung durch den Menschen schädlich für die Sozialstruktur der männlichen Löwen, argumentiert Köhncke: "Die Jungtiere müssen abwandern, um neue Rudel zu gründen. Das können sie aber nicht, wenn die Lebensräume zunehmend kleiner werden." Neben der großflächigen Lebensraumumwandlung bedrohen die illegale Jagd und der Handel mit Körperteilen für medizinische Zwecke den Erhalt "des Königs der Tiere".
Nicht zuletzt schwächen Krankheiten wie die durch Bakterien ausgelöste Tuberkulose oder der Feline Immundefizienz-Virus (FIV), ein dem menschlichen HIV ähnlicher Keim, den Löwenbestand. Gegen beide Erreger gibt es noch keine Impfstoffe.
Mehr als nur gefährdet
Auf der Roten Liste der Weltnaturschutzunion (IUCN) wird der Löwe derzeit jedoch "nur" als gefährdet eingestuft. Angesichts der neuen Daten schlägt die internationale Forschergruppe von der University of Oxford vor, den Status zu ändern, denn die Tiere seien massiv vom Aussterben bedroht. Lediglich in Schutzgebieten in den südlichen Staaten Botsuana, Namibia, Südafrika und Simbabwe gebe es eine ansteigende Population der Großkatzen. Dort leben sie ausnahmslos in eingezäunten Schutzgebieten, berichtet Forschungsleiter Hans Bauer.
Schutzgebiete sollen vor Ausrottung bewahren
Die Ergebnisse der Studie untermauern die These des WWF. Die Naturschutzorganisation fordert daher weitere Korridore zwischen bestehenden Schutzgebieten, damit Löwen und andere Wildtiere sich großflächig bewegen könnten, so Arnulf Köhncke. "Es ist nicht zu leugnen, dass es Konflikte zwischen Mensch und Löwe gibt. Da versuchen wir Abhilfe zu schaffen." Exemplarisch nennt er das vom WWF geförderte KAZA. Die Kavango-Zambezi Transfrontier Conservation Area ist das größte grenzüberschreitende Natur- und Landschaftsschutzgebiet im südlichen Afrika.
Auf einer Fläche von 520.000 Quadratkilometern in fünf Staaten leben geschätzt 4000 Löwen. Dort finanziert der WWF den Aufbau und den Erhalt von Zäunen und Gattern zum Schutz der Rinderherden. Bewegungsmelder vor Viehzäunen sollen die Löwen zusätzlich abschrecken, indem sie Blitzlicht auslösen. Dadurch werden die Raubtiere wiederum gerettet, weil ihnen nicht droht, von Farmern und Siedlern erschossen oder vergiftet zu werden.
Durch Wildkorridore sollen sich die Wildkatzen im gesamten KAZA-Schutzgebiet bewegen. Zum Projekt zählt auch die Förderung des Ökotourismus, sagt WWF-Artenschutz-Experte Köhncke: "Wir wollen zeigen, dass man mit lebendigen Löwen mehr Einkommen erzielen kann als mit toten und dass die Menschen sogar von den Tieren profitieren können."
Dass Löwen in Zukunft nur noch in Zoos oder Reservaten zu sehen sein werden, bezweifelt Arnulf Köhncke: "Davon sind wir noch weit entfernt. Wir sehen aktuell aber auch, dass die Populationszahlen nur in den sehr intensiv gemanagten Schutzgebieten nicht massiv nach unten tendieren." Löwen außerhalb dieser Zonen litten dramatisch, so der WWF-Projektleiter. "Wir sind daher froh über jede Studie, die das bestätigt, was wir schon lange sagen."