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Keine Entwarnung

Bettina Marx28. März 2003

Es ist erstaunlich ruhig in Israel - obwohl der Alarmzustand noch nicht aufgehoben ist. Was viele bewegt, ist die Frage nach der Zukunft des Landes nach dem Irakkrieg. Mit Spannung erwartet wird der „Nahost-Fahrplan“.

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Katastrophenübung in Israel: Die Gefahr ist allgegenwärtigBild: AP

Auf dem Tempelberg in Jerusalem versammelten sich am Freitag (28.3.) 12.000 Gläubige zum Gebet. Die Polizei hatte aus Furcht vor Ausschreitungen junger Palästinenser nur Männern über 40 mit israelischen Identitätskarten die Teilnahme am Freitagsgebet erlaubt. Es kam jedoch nur am Rande zu Handgreiflichkeiten. Nach dem üblichen Gebet wurde ein besonderes Gebet zum Andenken an die getöteten Iraker gesagt. Im Westjordanland kam es in mehreren Städten zu Protestmärschen gegen den Krieg. Ansonsten herrscht in Israel angespannte Ruhe.

Fast wie Alltag

Die Menschen, die aus Angst vor irakischen Raketen in den Süden geflohen sind, sind wieder in das Zentrum des Landes zurückgekehrt. Die Schulklassen sind fast wieder vollzählig und nur die wenigsten tragen noch immer ihre Gasmasken mit sich herum. Dennoch hat die israelische Regierung beschlossen, den Alarmzustand noch nicht aufzuheben. "Ich rufe die Bürger Israels auf, zur Arbeit zur gehen und die Kinder in die Schule zu schicken", sagte Ministerpräsident Ariel Sharon vor einigen Tagen.

Entwarnung könne noch nicht gegeben werden, denn es bestehe immer noch Grund zur Sorge, ergänzte Generalstabschef Mosche Yaalon. "Zwei Fähigkeiten der Iraker haben uns sehr besorgt gemacht. Das waren einmal die Fähigkeiten der irakischen Luftwaffe. Doch die sind jetzt ausgeschaltet. Und das war zweitens die Möglichkeit, Boden-Boden-Raketen auf Israel abzuschießen, vielleicht sogar mit nichtkonventionellen Kampfstoffen. Diese Möglichkeit ist leider noch nicht ausgeschaltet." Die Gefahr bleibe bestehen. "Wir können nicht erst im letzten Moment Gasmasken austeilen."

Gefahr im Verzug

Nach Einschätzung mancher Militärexperten könnte die Lage für Israel jetzt erst richtig gefährlich werden. Wenn nämlich Saddam Hussein mit dem Rücken an der Wand stehe, so das Szenario, könnte er versuchen, Israel in den Krieg hineinzuziehen. Diese Auffassung vertritt auch die Sprecherin der israelischen Armee, Ruth Yaron: "Solange Saddam Hussein und die irakische Führung sich umzingelt fühlen und das Gefühl haben, dass sich der Ring um sie immer enger zieht, so lange besteht die Befürchtung, dass Saddam beschließen könnte, den Staat Israel in den Krieg hineinzuziehen."

Wie reagieren die Palästinenser?

Entspannung sehen die Israelis dagegen an einer anderen Front. Die befürchtete Zuspitzung in der Auseinandersetzung mit den Palästinensern blieb bislang aus. Trotz einiger Demonstrationen in den palästinensischen Städten blieb die Lage in den besetzten Gebieten relativ ruhig. Befürchtete gewaltsame Proteste gegen den Irak-Krieg blieben aus.

Für General Amos Gilad, der von Ministerpräsiden Scharon mit der Rolle eines nationalen Kommentators betraut wurde, ist diese Entwicklung nicht überraschend: "Die Palästinenser spüren, dass dies eine neue Epoche ist. Die Epoche der Schurken und Diktatoren geht zu Ende. Übrigens gibt es eine Ähnlichkeit zwischen Arafat und Saddam - Diktatoren, die ihre Völker in das Unglück führen. Sie spüren jetzt, dass eine neue Epoche anbricht, in der sich die Gewalt nicht mehr lohnt und der Änderungen notwendig sind. Und sie fürchten, dass Israel vielleicht die Gelegenheit ausnutzen könnte." Um Israel keinen Vorwand zu geben, im Schatten des Irak-Krieges noch härter gegen sie vorzugehen, verhielten sich die Palästinenser derzeit ruhig, so Amos Gilad zufrieden.

Plan zum Frieden in der Schublade

Angesichts der in Kürze erwarteten Veröffentlichung eines Friedensplans für Israel hieß es aus Regierungskreisen in Jerusalem, Israel werde sich keine Lösung von Großbritannien und den USA aufzwingen lassen. Israel sei nicht bereit, "den Preis für den Krieg (im Irak) zu zahlen". Der Nahost-Plan soll vorgestellt werden, sobald der neue palästinensische Ministerpräsident Machmud Abbas sein Kabinett zusammen hat. Abbas will im Rahmen seiner Sondierungsgespräche mit Repräsentanten der radikalen Oppositionsgruppen Hamas und Islamischer Dschihad zusammentreffen, die ihn bislang boykottiert hatten.