Keine Party für die Quali-Helden
6. Oktober 2017Ein Bierchen im Pub auf die makellose Qualifikation? Nicht mit Joachim Löw! "Das wäre nicht so professionell", sagte der Bundestrainer, nachdem der letzte Schritt Richtung Russland beim 3:1 (2:0) in Nordirland zur nächsten Glanznummer geraten war. Sturmtank Sandro Wagner verabschiedete sich deshalb brav mit einer Saftschorle in die Nacht von Belfast, Weltmeister Mats Hummels trank Wasser zu seiner Banane - und Löw selbst verzichtete auf seinen Rotwein.
Entsprechend "nüchtern" gestaltete sich die Regeneration am Freitag noch in Belfast, Löw hält die Zügel straff. Am frühen Abend wartete auf dem Rollfeld des Frankfurter Flughafens bereits der neue WM-Bus, die Quali-Helden um den Strategen Sebastian Rudy bestiegen ihn ausgeruht. Löw dachte da schon an die nächsten Aufgaben: den Abschluss am Sonntag in Kaiserslautern gegen Aserbaidschan und eine Rekord-Quali mit zehn Siegen. Vor allem aber an die "historische" Mission Titelverteidigung 2018, dieses laut Löw "übermenschliche" Unterfangen.
Die Mannschaft muss noch besser werden
Bis dahin, betonte der Bundestrainer, warte noch "viel Arbeit" auf den Weltmeister. Das gilt zum einen organisatorisch: Nach der WM-Auslosung am 1. Dezember im Moskauer Kreml, bei der der DFB-Elf eine Hammergruppe mit Frankreich, Spanien, Italien oder England droht, muss die Quartierfrage geklärt sein. Zur Debatte stehen weiter Moskau und Sotschi.
Das gilt aber auch sportlich. "Unsere Mannschaft muss sich Richtung Turnier immer weiter verbessern", mahnte Löw: "Es kommen ganz andere Gegner auf uns zu - bei allem Respekt vor Nordirland." Neben den genannten möglichen Gruppengegnern zählt Löw Brasilien um Superstar Neymar und das noch nicht qualifizierte Argentinien des fünfmaligen Weltfußballers Lionel Messi zum Favoritenkreis.
Und die Deutschen? "Nach Russland fahren wir, um was zu reißen. Wir wollen den WM-Titel dort unbedingt erfolgreich verteidigen", sagte Rudy, der den Weg nach Moskau mit seinem Traumtor nach 78 Sekunden endgültig geebnet hatte. Der starke Wagner (21.) und der nicht minder gute Joshua Kimmich (86.) regelten vor 18.104 Zuschauern im stimmungsvollen Windsor Park den Rest.
Makellose Quali-Bilanz
Ohne den abgereisten Toni Kroos, der sich eine Rippenverletzung zugezogen hat, soll die makellose Quali-Bilanz am Sonntag mit dem zehnten Sieg vergoldet werden, einer Marke, die bislang nur Spanien auf dem Weg zum WM-Triumph 2010 erreichte. "Es wäre ärgerlich, sich die Bilanz zu Hause gegen Aserbaidschan zu versauen", sagte Hummels. "Unglaublich konstant und souverän", habe sich die DFB-Elf präsentiert, "wir haben nicht immer gezaubert, waren aber immer da". Teammanager Oliver Bierhoff sagte, man dürfe "wirklich stolz" sein auf dieses "Ausrufezeichen".
Doch es schwang ein Aber mit. "Wir dürfen es nicht überbewerten", betonte Bierhoff - es ging ja "nur" gegen Nordiren, Tschechen, Norweger. "Ich glaube schon, dass die Welt auf uns schaut. Wir müssen aber aufpassen, dass wir nicht glauben, dass es ein Selbstläufer ist." Und Löw sagte: "Es kommen Spiele mit ganz anderem Tempo, anderer Intensität, da muss man auch anders verteidigen." Anders als beim Gegentreffer durch Josh Magennis etwa (90.+3).
Eine DFB-Elf mit Biss
Und doch: Löw ist es gelungen, seiner Mannschaft nach der holprigen EM-Qualifikation und der nur phasenweise überzeugenden Europameisterschaft wieder Biss zu verleihen - auch dank neuer, hungriger Spieler. "Es war eine Mannschaft aus Weltmeistern und Confed-Cup-Siegern, sie wächst zusammen", sagte DFB-Präsident Reinhard Grindel. Weltmeister Jerome Boateng meinte nach seiner Rückkehr: "Man sieht, dass sehr viel Qualität da ist, auch die Jungen kommen nach." Im Angriff etwa habe die Mannschaft nun "mehr Möglichkeiten".
Löw will diese im November und März mit Spielen gegen England, Frankreich, Spanien und Brasilien weiter ausloten. Gegen "Mannschaften, die auf starkem Niveau agieren, da wird einiges gefordert sein von uns". Im Mai/Juni wird er seinen 23 Auserwählten in Eppan/Südtirol "den Feinschliff" geben. Und dann? "Wir haben gezeigt, dass wir die Qualität haben und einen guten Geist. Das macht uns Hoffnung, dass wir gut gewappnet nach Russland gehen", sagte Bierhoff.