"Keine schmutzigen Tricks"
15. August 2004Regierung und Opposition beschuldigen sich gegenseitig, die Abstimmung verfälschen zu wollen. Ausländische Wahlbeobachter werden den Verlauf des Referendums überwachen. Vorher mussten sie aber zahlreiche Einschränkungen akzeptieren. Zum Beispiel dürfen sie nichts über die internen Abläufe des Referendums nach außen tragen. Unter den Walhbeobachtern sind auch Ex-US-Präsident Jimmy Carter und der CDU-Abgeordnete Peter Weiß. Die Europäische Union schickt kein offizielles Personal - sie war mit der "Schweigepflicht" nicht einverstanden. Die Opposition hat angekündigt, nur ein Ergebnis zu akzeptieren, das international anerkannt ist.
Die Abstimmung wird mit neuen elektronischen Geräten durchgeführt. Peter Weiß, der bereits in Venezuela ist, sieht das skeptisch: "Die neuen Geräte bieten viel Manipulationsgefahr", sagt der CDU-Politiker im Gespräch mit DW-WORLD.
"Es sieht aber nicht so aus, als habe Chávez es nötig, zu schmutzigen Tricks zu greifen", sagt Nikolas Werz, Politologe an der Universität Rostock. Die Situation sei erstaunlich: Als die Opposition sich vor mehr als einem Jahr für das Referendum einsetzte, schien die Kritik an Chávez größer zu sein als jetzt.
Angst vor Repressalien
Auf Umfrageergebnisse ist kein Verlass. "Zwei Drittel der Venezolaner sind gegen Chávez", verkündet die Opposition. Die Zahlen der Chávez-Anhänger sind ganz andere. Beide Seiten finden Wege, die Ergebnisse zu ihren Gunsten ausfallen zu lassen. Chávez-Anhänger führen ihre Befragungen beispielsweise in den armen Regionen des Landes durch. Dort hat Chávez tatsächlich die meisten Anhänger.
Vieles hängt von den Wählern ab, die bei Umfragen nicht die Wahrheit sagen. Ob sie wirklich für oder gegen die Absetzung von Chávez stimmen, behalten sie für sich. Dahinter steckt vor allem Angst: Besonders Staatsangestellte fürchten Repressalien, wenn sie sich als Chávez-Gegner "outen".
Chávez kündigte am Donnerstag (13.8.) vor Journalisten in Caracas an, er werde im Falle einer Niederlage sofort zurückzutreten und die Amtsgeschäfte seinem Stellvertreter Vicente Rangel übergeben. Zu den Neuwahlen werde er dann sofort wieder antreten. Mathematisch gesehen sei eine Niederlage am Sonntag unmöglich, so Chávez.
Demokratie in Gefahr?
"Ein knappes Ergebnis könnte das demokratische System Venezuelas gefährlich ins Wanken bringen", sagt Nikolaus Werz im Gespräch mit DW-WORLD. Denn dann würden sich die Fronten zwischen Chávez-Gegnern und seinen Befürwortern wahrscheinlich noch weiter verhärten. Dennoch ist Werz eher optimistisch: "Wenn das Ergebnis eindeutig ausfällt und es keine ernsthaften Zweifel an der Durchführung des Referendums gibt, bleiben die jetzigen demokratischen Verhältnisse stabil."
Die Neue Zürcher Zeitung dagegen kritisiert, dass es in Venezuela keinen Konsens über demokratische Grundregeln und Staatspolitik gebe: "Regierung und Opposition sind verfeindet. Das Referendum wird nicht als Wettstreit politischer Kräfte und Programme empfunden, sondern als letzte Gelegenheit, den Gegner zu erledigen."