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Wenig Bildung im Koalitionsvertrag

Armin Himmelrath16. Dezember 2013

Die große Koalition von CDU und SPD steht. Doch die Kompromisse im Koalitionsvertrag gehen ganz offensichtlich zu Lasten der Bildung. Kritiker sagen: Hier fehlt jede politische Vision.

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Studierende im vollen Hörsaal
Bild: dapd

Fünf Jahre ist es her, da lud Angela Merkel zum ersten deutschen Bildungsgipfel nach Dresden ein. Ab sofort, verkündete die Bundeskanzlerin im Oktober 2008, werde man die "Bildungsrepublik Deutschland" aufbauen. Bildung, Wissenschaft und Forschung seien die wichtigsten Rohstoffe Deutschlands, heißt es seitdem immer wieder. Diese Rohstoffe müsse man fördern – nicht nur durch Sonntagsreden, sondern durch politisches Handeln.

Symbolbild Aktionsrat Bildung fordert mehr echte Ganztagsschulen
Wandel zu mehr GanztagsschulenBild: picture alliance/dpa

Und tatsächlich gibt es viel zu tun: Die deutschen Schulen, jahrzehntelang als Halbtagsschule geführt, wandeln sich gerade zu einem flächendeckenden Ganztags-Schulsystem. Doch der Umbau der Schulen und die Ausstattung etwa mit Mensen für die Mittagsverpflegung kostet Geld – Geld, das die Städte und Bundesländer nicht haben. Sie wollen eine Beteiligung der Bundesregierung an den Kosten. Doch das ist vom Grundgesetz – bisher – verboten, weil Bildung Ländersache ist. "Kooperationsverbot" heißt diese Regelung, nach der die Bundesregierung keine Schulen oder Hochschulen in den Bundesländern direkt fördern darf.

Das Bildungssystem braucht mehr Geld

Doch nicht nur die Schulen, auch die chronisch überlasteten Fachhochschulen und Universitäten rufen nach mehr Geld. Im Moment gibt es in Deutschland 2,6 Millionen Studierende – so viele wie noch nie. Entsprechend voll ist es an den Hochschulen, und nicht nur die Unis, sondern auch die Studenten selbst hoffen auf Entlastung: Beim staatlichen Darlehensprogramm BAföG, das für Studierende aus Familien mit geringem Einkommen gedacht ist, hat es lange keine Erhöhung mehr gegeben. Gerade Kinder aus solchen Familien, die oft auch einen Migrationshintergrund haben, will man aber eigentlich zu einer akademischen Laufbahn ermutigen, denn schließlich fehlt es in der Wirtschaft an Fachkräften.

Johanna Wanka Bildungs- und Forschungsministerium
Bildungs- und Forschungsministerium Johanna Wanka ist gefordertBild: Getty Images

Genug zu tun gäbe es also für die neue große Koalition in Berlin. Doch im Koalitionsvertrag, den die CDU/CSU und die SPD für die Regierungsarbeit der nächsten vier Jahre geschlossen haben, ist davon nicht allzu viel wiederzufinden. Zwar heißt es dort: "Bildung, Wissenschaft und Forschung sind Kernanliegen der Koalition", und weiter: "Deshalb wollen wir die Mittel für Bildung im Zusammenwirken von Bund und Ländern nochmals erhöhen." Doch das reicht den Bildungsexperten nicht aus. "Der Koalitionsvertrag setzt in den hochschulpolitischen Teilen an einigen richtigen Stellen an – allerdings hätten wir uns verbindlichere Aussagen gewünscht", beklagt sich etwa der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, Horst Hippler. Er habe starke Zweifel daran, "wie ernsthaft Konsequenzen aus dieser Erkenntnis für die künftige Regierungspolitik gezogen werden."

Ex-Außenminister ist "sehr, sehr enttäuscht"

Auch Klaus Kinkel, früherer deutscher Außenminister, ist absolut unzufrieden. Kinkel ist heute Vorsitzender der Deutschen Telekom Stiftung, die vor allem den Ingenieurnachwuchs fördert. "Wenn ich gelesen hab, was im Entwurf zum Koalitionsvertrag drinstand, und dann vergleiche mit dem, was endgültig drin steht, dann würde ich sagen: Im gesamten Bildungsbereich mit wenigen Ausnahmen Fehlanzeige", erklärte Klaus Kinkel gegenüber der Deutschen Welle, "also, ich bin sehr, sehr enttäuscht."

Ausbildungsförderung BAföG
Bafög- AntragBild: dapd

Tatsächlich gibt es im Koalitionsvertrag keinerlei Anmerkungen zum Ausbau des Ganztagsschulprogramms oder zur Erhöhung der BAföG-Zahlungen an bedürftige Studenten; das Kooperationsverbot wird nur vage als Problem benannt. "Die Politik scheint nicht erkannt zu haben, welche Bedeutung die Bildung für Deutschlands Zukunft hat", so Kinkels bitteres Fazit. "Wenn ich mir angucke, was sonst alles behandelt worden ist, dann kann ich nur sagen: Gute Nacht, Deutschland – wenn es bei dem bleibt, wie es jetzt aussieht." Auch für ausländische Studierende oder Fachkräfte aus anderen Ländern gebe es keine Vereinbarungen – das sei für Deutschland einfach zu wenig.

Positiver wertet die alte und neue Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) den Koalitionsvertrag. Auch wenn nicht jedes Bildungsvorhaben genannt sei, werde es doch deutliche Verbesserungen für Schulen, Hochschulen und Studenten geben, hatte sie schon vor der Regierungsbildung im Interview mit spiegel.de angekündigt: "Wir machen eine Bafög-Reform, darauf können Sie sich verlassen." Neun Milliarden Euro, so die CDU-Politikerin, werde es zusätzlich für den Bildungs- und Forschungsbereich in den kommenden vier Jahren geben.

Doch das ist zunächst nur eine Absichtserklärung. Und wahrscheinlich ist es auch kein Zufall, dass Johanna Wanka die Formulierung von der "Bildungsrepublik Deutschland" in dem Interview gar nicht mehr in den Mund genommen hat.