Keine Waffen für syrische Opposition
4. März 2013Die Syrische Nationale Koalition ist für viele westliche Staaten die legitime Vertretung des syrischen Volkes. Das Oppositionsbündnis ist Ansprechpartner, wenn es um humanitäre Hilfen für die Flüchtlinge und die Syrer in den Gebieten unter Kontrolle der Regimegegner geht. Sowohl die USA als auch die EU-Staaten haben mehr Unterstützung zugesagt. Waffen soll die Nationale Koalition aber zunächst weiter nicht erhalten. Das wurde am Donnerstag (28.02.2013) bei der Konferenz der "Freunde Syriens" in Rom deutlich. Die EU hatte zuvor ihr Waffenembargo um drei Monate verlängert.
Die USA und die EU haben dennoch eine vorsichtige Kurskorrektur vollzogen. Waffen fallen zwar weiter unter das Embargo, das gegen die Akteure im syrischen Bürgerkrieg verhängt wurde. Trotzdem können nun mehr Güter als zuvor in das Krisengebiet geliefert werden. So darf die Opposition nach dem EU-Beschluss als "nicht-tödlich" bezeichnetes Gerät und technische Ausrüstung zum Schutz der Zivilbevölkerung erhalten. Welche Güter das konkret sind, entscheidet laut Bundesaußenministerium jeder EU-Staat für sich. Nach deutscher Lesart sind demnach nun Güter zulässig, die im Abschnitt 1 A der Liste mit Ausfuhrbeschränkungen stehen und "keinen Waffencharakter" haben. Dies schließe etwa Schutzausrüstungen, bestimmte Transportmittel oder Feldlagerausrüstung ein. "Klar ist, dass wir hier äußerst behutsam vorgehen und alle Schritte vermeiden müssen, die eine weitere militärische Eskalation des Konflikts bewirken könnten", erklärt das Außenamt. Dies würde die humanitäre Notlage der Bevölkerung noch weiter verschlimmern. Auch US-Außenminister John Kerry (im Bild links) sprach sich in Rom für mehr direkte Hilfe, aber gegen Waffen für die Regimegegner aus.
Syrische Opposition vom Westen enttäuscht
Die Nationale Koalition ist dagegen von den jüngsten Erklärungen enttäuscht. Das größte Bündnis der zersplitterten Opposition beharrt auf seiner Forderung, sich mit Waffen versorgen zu können. Hisham Marwah, Mitglied im Rechtskomitee der Nationalen Koalition, sagt, die Opposition habe von US-Außenminister Kerry und den EU-Staaten mehr erwartet. Marwah beklagt im Gespräch mit der Deutschen Welle vor allem, dass Russland und der Iran dem Regime in Damaskus weiter in großem Stil Kriegsgerät lieferten. Dagegen halte der Westen am Embargo gegen die Opposition fest. Zur Selbstverteidigung brauche die Nationale Koalition aber Waffen. Zuspruch allein genüge nicht, sagt Marwah, der in Kanada lebt. "Wir werden mit Flugzeugen und Scud-Raketen angegriffen. Wie soll man das stoppen - durch diese Schutzwesten, von denen Kerry sprach?"
Die europäischen Staaten und die USA sind in einem Zwiespalt. Sie wollen einerseits die syrische Opposition in ihrem Kampf gegen das Regime in Damaskus nicht allein lassen. Andererseits wollen sie keine Eskalation des Blutvergießens und keine Aufrüstung radikaler Islamisten innerhalb der Widerstandsbewegung. Vor diesem Dilemma ist auch die Ausweitung der Hilfen ohne direkte Waffenlieferungen zu sehen. Der britische Sicherheitsexperte Jonathan Eyal tut sich schwer, hinter den jüngsten Entscheidungen der EU und der USA eine klare Strategie zu erkennen. "Ich habe das Gefühl, dass vieles davon nicht wirklich ausgereift ist, dass vieles davon mehr einem Gefühl der Frustration entspringt, als einer klaren Idee", sagt Eyal. Er ist Direktor für internationale Sicherheitsstudien der Londoner Denkfabrik Royal United Services Institut (RUSI).
Zweifel am Einfluss durch Waffenlieferungen
Eyal hält ungeachtet seiner Zweifel an der westlichen Politik die bisherige Zurückhaltung bei Waffenlieferungen für gerechtfertigt. Ihm zufolge zieht das Argument nicht, dass der Westen im Falle von Waffenlieferungen mehr Einfluss auf die Regimegegner und eine spätere Regierung erhalte. Auch sei nicht davon auszugehen, dass die Islamisten in den Reihen der Opposition dem Westen freundlicher gegenüber stünden, nur weil Europa und die USA Militärgerät lieferten. Das habe sich auch bei der westlichen Einmischung in Libyen gezeigt. "Ich sehe nicht die Verbindung zwischen der Menge der Hilfe, die wir ihnen geben und der internen Entwicklungen dieser Organisationen", sagt Eyal.
Unabhängig von direkter militärischer Hilfe versucht der Westen laut dem britischen Sicherheitsexperten über seine Geheimdienste, der Opposition unter die Arme zu greifen. Dafür gibt es nach Einschätzung von Eyal drei Gründe. Durch die Arbeit der Geheimdienste sei es möglich, der zerstrittenen Opposition zu einer effektiveren Organisationsstruktur zu helfen. "Zweitens müssen wir mehr wissen, wer diese Leute sind", sagt Eyal. Dies habe der Westen nach dem Zusammenbruch des Gaddafi-Regimes in Libyen gelernt. Damals sei zu wenig über die libyschen Oppositionsvertreter bekannt gewesen. Als dritten Punkt nennt Eyal, dass die verschiedenen Geheimdienste in der Region ohnehin miteinander um Einfluss wetteiferten.