Kelemis: "Es klemmt bei den Krediten"
13. Februar 2014Deutsche Welle: Die griechische Regierung gibt sich am Anfang der Ratspräsidentschaft in der EU optimistisch. Die Talsohle sei erreicht, wenigstens ein kleiner Aufschwung stehe bevor. Stimmen Sie dieser Einschätzung mancher Politiker zu?
Athanassios Kelemis: Das ist Wunschdenken der griechischen Politiker. Die reale Wirtschaft hier in Griechenland hat nach wie vor enorme Probleme. Das große Problem der Liquidität, das uns seit Jahren beschäftigt, ist nicht gelöst. So lange man die Banken nicht dabei unterstützt, ihre Hauptaufgabe wahrzunehmen, nämlich der Realwirtschaft Geld zu vernüftigen Konditionen zur Verfügung zu stellen, so lange wird der Aufschwung ausbleiben, auf den man so sehr hofft.
Es gibt also immer noch eine Kreditklemme. Die Unternehmen bekommen kein Geld, um Investitionen und Arbeitsplätze zu finanzieren?
Absolut richtig! Die wenigen Unternehmen, die in der glücklichen Lage sind, sich bei der Bank Geld leihen zu können, bekommen das zu sehr schlechten Konditionen. Die Kreditkosten sind ungefähr doppelt so hoch wie die Zinsen in Mitteleuropa. Das schafft nicht gerade einen Wettbewerbsvorteil für die ohnehin belasteten griechischen Unternehmen.
Woran liegt das? Die Banken bekommen von der Europäischen Zentralbank Geld praktisch zum Nulltarif, aber sie verleihen es nicht weiter?
Genau. Mit europäischem Geld haben sich die Banken hier rekapitalisiert. 50 Milliarden Euro sind in das Bankensystem geflossen. Die vier systemrelevanten Banken haben dieses Geld bekommen. Damit haben sie ihre eigenen Bilanzen bis zu einem gewissen Grad robust gestaltet. Das Geld reicht aber nach meiner Auffassung nicht aus, um der Wirtschaft mit Krediten zur Seite zu stehen. Man geht davon aus, dass noch einmal 50 Milliarden benötigt werden, damit das Banksystem seine ursprüngliche Rolle wahrnimmt und den Unternehmen zur Seite steht.
Was muss aus ihrer Sicht geschehen, damit es einen Aufschwung gibt? Was kann die Politik tun, abgesehen von der Kreditklemme, damit etwas passiert?
Aus europäischer Sicht denke ich, muss man sich Gedanken darüber machen, wie man dem Land im Rahmen eines Konjunktur-Programms helfen kann. So lange dieses Entwicklungsprogramm nicht zustande kommt, wird das Land es sehr schwer haben, auf die Beine zu kommen. Unser Wunsch und der vieler griechischer Unternehmer ist es, dass Griechenland in stabilen politischen Verhältnissen die nächsten Jahre verbringt. Denn es besteht immer noch die Gefahr eines "politischen Unfalls". (Ein Scheitern der Regierungskoalition aus Konservativen und Sozialdemokraten, Anm. d. Red.) Das darf nicht passieren. Das wäre wirklich kontraproduktiv. Darüber hinaus müssen von Europa ganz klare Signale kommen, dass die griechische Wirtschaft im alltäglichen Umfeld unterstützt wird. Wir haben zum Bespiel eine elektronische Plattform aufgebaut, auf der sich griechische Unternehmen mit ihren Fertigungskapazitäten und ihrem Know-How darstellen und sagen: 'Hier sind wir!' Sie suchen Fertigungsaufträge im Sinne von Outsourcing, damit unmittelbar Arbeitsplätze gesichert werden und die Industrie eine Chance bekommt, sich zu revitalsieren.
Deutsche Unternehmen sollen also von den günstigen Lohnkosten in Griechenland profitieren?
Ja, die Lohnstückkosten sind in Griechland stark nach unten gegangen, um 24 Prozent. Das schafft sicherlich einen Wettbewerbsvorteil. Hinzu kommt, dass der nördliche Teil Griechenlands, wo die mittelständische Industrie angesiedelt ist, schon über exzellente Fertiungskapazitäten in vielen Bereichen verfügt. Die liegen jetzt brach und werden nicht genutzt. Griechenland hat außerdem in dieser Region vorzüglich ausgebildetes Fachpersonal, was ein Garant für Qualität, Liefertreue und verbindliche Geschäftsbeziehungen ist.
Die Regierung hat unter dem Zwang zu sparen und Einnahmen zu erhöhen, die Steuern für Unternehmen stark angehoben. Die Belastungen sind gestiegen. Was braucht die Wirtschaft vom griechischen Staat, damit man wettbewerbsfähiger wird?
Das Steuersystem ist in der Tat mit der Zeit untragbar geworden, nicht nur für Unternehmer. Auch die privaten Bürger in Griechenland können diese enorme Steuerlast bald nicht mehr tragen. Die Steuern müssen ganz gewiss auf allen Ebenen runter! Unsere Kammer ist dafür, dass eine Flat-tax, ein einheitlicher niedriger Steuersatz, eingeführt wird. Das würde viele Probleme lösen. Die griechische Regierung hat gezeigt, dass das Eintreiben der heutigen Steuern nicht funktioniert. Ein einfaches Steuersystem würde auch die Arbeit der Finanzverwaltung erleichtern. Hier muss ein mutiger Reformschritt im Bereich des Steuersystems gemacht werden. Die Regierung hat das bis vor kurzem nicht gewagt, diesen Mut aufzubringen. Wir hoffen, dass dies in absehbarer Zeit anders wird.
Prof. Athanassios Kelemis (geb. 1959) ist Geschäftsführer der Deutsch-griechischen Industrie- und Handelskammer in Athen, die Kontakte zwischen Unternehmen in Griechenland und Deutschland knüpft. Kelemis ist in Griechenland geboren und hat lange Zeit in Deutschland gelebt. Er studierte Informatik in Berlin, war Manager in verschiedenen IT- und Logistikunternehmen und lehrte an der Fachhochschule Thessaloniki im Fachbereich Logistik.