Kerbers Weg zur Nummer eins
Lange Zeit sah es nicht so aus, als würde Angelique Kerber in die absolute Weltspitze vorstoßen können. Doch seit einigen Jahren wird die Deutsche immer besser und ist nun - mit 28 Jahren - ganz oben angekommen.
Kämpferin mit Durchhaltevermögen
Es ist schon etwas Besonderes, wenn nach 19 Jahren wieder eine Deutsche an der Spitze der Tennis-Weltrangliste steht. Aber gewöhnlich ist bei Angelique Kerber eh nicht viel. Wer kann schon von sich behaupten, mit links Tennis zu spielen, obwohl man eigentlich Rechtshänderin ist? Kerber ist keine Tennis-Ästhetin, aber eine der besten Kämpferinnen im Tenniszirkus. Ihr Weg nach ganz oben war hart.
Das erste Profijahr
Kerber beginnt schon im Alter von drei Jahren mit dem Tennisspielen. Sie lebt mit ihren Eltern in einer Wohnung in der Tennishalle, in der Mama Beata und Papa Slawek arbeiten. 2003 entscheidet sich die damals 15-Jährige für die Profilaufbahn. Drei Jahre später gelingt ihr in Hasselt erstmals der Sprung in das Hauptfeld.
Unter den besten 100
Angelique Kerber gewinnt einige kleinere Turniere und klettert im Mai 2007 erstmals unter die Top 100 der Weltrangliste. Sie ist im Hauptfeld der French Open, in Wimbledon und bei den US Open, scheitert aber bei allen drei Turnieren zum Auftakt. In New York kommt es in Runde eins zum ersten Duell mit Serena Williams (r.). Kerber kämpft, muss sich aber mit 3:6 und 5:7 geschlagen geben.
Harte Lehrjahre
Lange Zeit gehört Angelique Kerber zur großen Gruppe der Tennisprofis, die Talent besitzen und viele Turniere spielen, aber stets früh ausscheiden. Ihre Karriere ist ein Auf und Ab auf mittlerem Niveau. Bei den Australian Open 2008 zieht sie erstmals in die zweite Runde eines Grand-Slam-Turniers ein und steigt in der Weltrangliste auf Platz 67. Dann geht es wieder abwärts, raus aus den Top 100.
Fast das Ende
2011 ist anfangs kein glückliches Jahr für Angelique Kerber: 13 Turniere - nur dreimal erreicht sie Runde zwei. Es ist der absolute Tiefpunkt in der Karriere der Deutschen, sie denkt sogar ans Aufhören. Aber sie beißt sich durch, macht einen Neuanfang, trainiert so hart wie nie zuvor und erreicht überraschend das Halbfinale bei den US Open.
Großer Sprung nach oben
Kerber ist nach 15 Jahren die erste Deutsche, der wieder ein Halbfinaleinzug bei den US Open gelingt. Sie ist als Ungesetzte ins Turnier gestartet und scheitert in drei Sätzen an der späteren Turniersiegerin Samantha Stosur. Es ist der bis dahin größte Erfolg Kerbers, die so energisch um jeden Ball kämpft, dass dabei ihr Schläger zu Bruch geht. In der Weltrangliste springt sie von 92 auf 34.
Der Durchbruch
2012 geht der Aufstieg weiter: Top 20 im Februar, Top 10 im Mai, Top 5 im Oktober - Angelique Kerber ist bei den Großen im Tennis angekommen. Ihren ersten WTA-Sieg holt sie beim Hallenturnier in Paris (Foto), es folgt ein Erfolg in Kopenhagen. In Wimbledon erreicht sie das Halbfinale. Und in Cincinnati triumphiert sie im Viertelfinale erstmals in ihrer Karriere über Serena Williams.
Neuer, alter Trainer
Mit verantwortlich für den Aufstieg Kerbers ist ihr Trainer Torben Beltz, von dem sie sich 2014 trennt. "Wir wollten beide mal etwas anderes ausprobieren", so die Begründung. Doch nach einer Nagativserie unter Nachfolger Benjamin Ebrahimzadeh nehmen Beltz und Kerber ihre Zusammenarbeit 2015 wieder auf - und Kerber kehrt in die Erfolgsspur zurück.
Prominente Seelen-Coaches
Zuspruch bekommt Angelique Kerber auch von ihrer erfolgreichsten Vorgängerin. Zweimal besuchte Kerber - als sie sportlich durchhing - die deutsche Tennislegende Steffi Graf (l.) und ihren Mann Andre Agassi (r.) in Las Vegas. Kerber trainiert ein wenig mit Agassi und bekommt wertvolle Tipps und viel Zuspruch von Graf. Regelmäßig stehen die beiden per SMS in Kontakt.
Siege in Serie
2015 gewinnt die deutsche Nummer eins vier WTA-Titel, so viele wie in keinem Jahr zuvor. Mit Victoria Asarenka liefert sie sich bei den US Open eines der besten Matches des Jahres, in dem sie sich aber geschlagen geben muss. Die Niederlage stachelt Kerbers Ehrgeiz an. Für 2016 nimmt sie sich einiges vor - es soll bei den großen Turnieren "krachen".
Der größte Triumph
Und wie es kracht: Als erste Deutsche seit Steffi Graf gewinnt Angelique Kerber ein Grand-Slam-Turnier: Im Finale von Melbourne setzt sie sich bei den Australian Open 2016 sensationell gegen die Weltranglisten-Erste Serena Williams durch und jubelt: "Mein Traum ist wahr geworden. Das waren die besten zwei Wochen meines Lebens."
Zweite Heimat
Stolz präsentiert Angelique Kerber den bislang wichtigsten Pokal ihrer Laufbahn auch im polnischen Puszczykowo. Hier wohnt sie seit 2012 und trainiert regelmäßig in der Tennisakademie ihres Großvaters Janusz Rzeznik. Hier findet Kerber die nötige Ruhe vom Tenniszirkus. Der Opa ist einer ihrer größten Fans - sein Tennis-Center heißt als Hommage an die Enkelin "Angie".
Glückliche Verliererin
Nach dem ärgerlichen Erstrunden-Aus bei den French Open in Paris, ist Kerber in Wimbledon wieder voll da. Mit hervorragendem Tennis zieht sie ins Finale an der Church Road ein, wo es zum von den Fans heiß ersehnten Duell mit Dauer-Rivalin Serena Williams kommt. Diesmal siegt die US-Amerikanerin - und das verdient. Kerber kann mit der Niederlage gut leben.
Gold verloren, Silber gewonnen
Nicht ganz so leicht fällt es Angelique Kerber, ihr Scheitern im Olympischen Finale zu akzeptieren. Gegen Tennis-Nobody Monica Puig aus Puerto Rico zieht die Favoritin überraschend den Kürzeren. "Sie hat das Spiel ihres Lebens gemacht", sagt Kerber nach der Medaillenvergabe, bei der sie Silber um den Hals gehängt bekommt. "Das ist nicht die Medaille, die ich haben wollte."
Ziel erreicht
Trotzdem zieht Kerber auch aus der Niederlage von Rio neue Stärke. "Ich weiß, dass ich große Turniere und enge Matches gewinnen kann und auf den großen Plätzen gegen die Großen gewinnen kann", sagt Kerber während der US Open. Ohne Satzverlust zieht sie ins Finale ein und schiebt sich an Serena Williams vorbei auf die Spitzenposition der Weltrangliste - ein Traum geht in Erfüllung.