EU sieht Fortschritte in der Ukraine
9. Juli 2018In Brüssel ist man sich weitgehend einig: Die Ukraine habe in den vergangenen vier Jahren weit mehr Reformen auf den Weg gebracht als in den 20 Jahren zuvor. Das sei sehr positiv, dennoch habe das Land noch einen weiten Weg vor sich. Seit Jahren versucht die Ukraine, ihre staatlichen Strukturen, die überwiegend noch aus der sowjetischen Zeit stammen, zu reformieren.
Gipfel mit Ergebnis?
Zur Erfassung des Reformfortschritts halten EU und Ukraine einmal jährlich einen Gipfel ab. Dieses Mal findet die Begegnung am 9. Juli in Brüssel statt. Daran nehmen EU-Ratspräsident Donald Tusk, EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und der ukrainische Präsident Petro Poroschenko teil.
Dieser schon 20. Gipfel soll eine schlechte Tradition der vergangenen Jahre beenden. Denn die letzten beiden Gipfel waren die bislang einzigen, die ohne Abschlusserklärung endeten. 2016 wurde die geplante Visafreiheit für Ukrainer zum Streitpunkt. Frankreich wollte das Thema nicht vor der Präsidentschaftswahl im eigenen Land diskutieren. Erst seit Juni 2017 dürfen ukrainische Staatsbürger ohne Visum in die EU einreisen. Wie ein EU-Beamter bestätigte, konnte man bislang keine Zunahme einer illegalen Migration aus dem Land feststellen.
2017 blockierten die Niederlande die Abschlusserklärung. Sie störten sich daran, dass die Erklärung "europäische Bestrebungen" der Ukraine anerkennen wollte - obwohl diese Formulierung auch so im Assoziierungsabkommen steht und sich von ihr keine Beitrittsperspektive ableiten lässt.
Doch der diesjährige Jubiläumsgipfel soll mit einer Erklärung enden - das erwartet man auf beiden Seiten. Der ukrainische EU-Botschafter Mykola Tochytskyi sagt: "Niemand kann uns unsere europäischen Bestrebungen entziehen." Er erwartet, dass die EU beim Gipfel sowohl diese Bestrebungen als auch ihre Unterstützung der Souveränität und territorialen Integrität der Ukraine bestätigen wird.
Gemischte Bilanz
Das zentrale Gipfelthema aber sind die Reformen: in der Bildung, im Renten- und Gesundheitssystem. Die EU ist mit dem Reformtempo insgesamt zufrieden. Als Erfolgsgeschichte sieht Brüssel auch die Dezentralisierung des Landes. Die Ukraine war traditionell ein zentralistischer Staat. Im Rahmen der Reform erhalten nun die lokalen Selbstverwaltungsorgane mehr Kompetenzen und Steuereinnahmen. Kritischer fällt das Brüsseler Urteil bei der Korruptionsbekämpfung aus. Die Einrichtung eines Antikorruptionsgerichtes zog sich über zwei Jahre hin Das entsprechende Gesetz über dieses Gericht wurde erst vor einigen Wochen beschlossen. Brüssel erkennt zwar eine ganze Reihe von Fortschritten an. Die EU sei aber dennoch nicht vollends zufrieden, vor allem, weil "bis jetzt nichts davon unumkehrbar ist", so ein hochrangiger EU-Beamter.
Amanda Paul, Osteuropaexpertin bei der Brüsseler Denkfabrik European Policy Centre, merkte in einem DW-Interview an, dass sich die Ukraine trotzdem in die richtige Richtung bewegt. "Es geht sehr langsam voran, manchmal macht das Land drei Schritte vor und zwei zurück. Aber immerhin bewegt es sich insgesamt immer noch vorwärts", so Paul.
Bevorstehende Wahlen
Wie es mit dem Reformeifer der Ukraine weitergeht, ist noch unklar. Im Frühling 2019 finden Präsidentschaftswahlen statt, im Herbst folgen die Parlamentswahlen. Die EU ist in diesem Zusammenhang besorgt, dass der Reformprozess wegen der Wahlkampagnen gebremst werden könnte. Außerdem ist unklar, welchen Kurs Kiew nach den Wahlen einschlagen wird. Die ehemalige Ministerpräsidentin Julia Tymoschenko führt derzeit die Umfragen an - mit Werten unter 15 Prozent. Das aktuelle Staatsoberhaupt Petro Poroschenko befindet sich in einer Gruppe mit anderen Politikern, die momentan mit einer Zustimmung zwischen fünf und zehn Prozent rechnen können.
Welche Perspektive hat die Ukraine?
Unabhängig davon gibt es derzeit im Land eine breite Unterstützung für den Kurs einer weiteren Annäherung an Europa. Viele Ukrainer wollen sogar, dass das Land langfristig eine EU-Mitgliedschaft anstreben soll. Doch die EU-Staaten sind sich uneins, ob sie Kiew eine Beitrittsperspektive bieten sollen.
Daher kündigte Poroschenko bereits eine neue Strategie an. Er möchte die Ukraine "sektoral" in die EU integrieren. Deshalb hat er bei der EU-Kommission drei Machbarkeitsstudien in Auftrag gegeben. Darin geht es um die Möglichkeit einer Integration in den digitalen Binnenmarkt, die Energieunion und die Zollunion der EU. Beim Gipfel sollen auch erste Ergebnisse dieser Studien vorgestellt werden.