Kinder, Küche, Quote
23. November 2013Die Feuerwehrstange ist geblieben, vor dem Fitnessraum. Im Dienst gerutscht wird aber nicht mehr. "Auch die Feuerwehr muss sich an Brandschutzbestimmungen halten", Tanja Dittmar lacht. Daneben sind zwei Umkleideräume, einer für Herren, einer für Damen: "Mein Reich", sagt sie. 223 Kollegen hat sie bei der Feuerwehr Mülheim. Und eine einzige Kollegin. Nur ein gutes Prozent der deutschen Feuerwehrleute sind Frauen. Wer Brände löschen und Verletzte bergen will, muss einen körperlichen Aufnahmetest bestehen, Kraft und Ausdauer werden geprüft. Zwischen Männern und Frauen wird kein Unterschied gemacht - die Arbeit sei ja dieselbe. Tanja Dittmar, 1,65 Meter groß, 60 Kilo, hat trainiert und ihn bestanden.
Nach einem Architekturstudium hat sie sich an ein früheres Hobby erinnert, die freiwillige Feuerwehr. Und so kam sie in eine Beamtenlaufbahn, in der Frauen noch seltener sind als bei der Polizei. Ein Leben lang wird die zierliche 40-Jährige hart trainieren, um mithalten zu können. Dafür bekommt sie dasselbe Beamtengehalt wie die Kollegen, hat dieselben Aufstiegschancen.
Benachteiligungen mit System
In der freien Wirtschaft sieht das anders aus. Um fast ein Viertel klaffen in Deutschland die Gehälter zwischen Männern und Frauen auseinander, sagt die Equal-Pay-Initiative. Das arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft kommt auf nur ein Prozent. Der Grund sind unterschiedliche Berechnungsgrundlagen bei den Datensätzen: "Je mehr Faktoren man einrechnet, umso mehr gleicht sich der Stundenlohn an - aber umso weiter entfernen wir uns von der Realität der Frauen", erklärt die Soziologin Jutta Allmendinger. Wer familienbedingt Teilzeit arbeitet, mag zwar denselben Stundenlohn bekommen - ist aber dennoch stärker von Altersarmut betroffen. Frauen sind zudem meist in kleineren Unternehmen beschäftigt, gehören niedrigeren Leistungsgruppen an und haben oft wegen familienbedingter Unterbrechungen weniger Berufserfahrung als Männer. Doch selbst, wenn diese per se bereits benachteiligenden Faktoren herausgerechnet und Frauen und Männer unter gleichen Rahmenbedingungen verglichen werden, bleibt noch ein Unterschied von sieben Prozent, hat Jutta Allmendinger erhoben.
"Ich hatte nie das Gefühl, dass ich bewusst benachteiligt wurde", sagt die deutsche Vorzeige-Werberin Karen Heumann, Vorstandssprecherin bei Thjnk. "Erst später stellt man fest, dass man es faktisch war. Wenn man zum Beispiel abends mit einem ehemaligen Kollegen mal bei einem Glas Wein zusammensitzt und er erzählt, er habe dieses verlangt und dann auch bekommen, merkt man plötzlich, dass man zu kurz gekommen ist - was, glaube ich, auch daran liegt, dass ich weniger gefordert habe."
Verbindliche Quotenfrauen
Das soll nun anders werden, besser, verspricht die Große Koalition. Mit einer Quote will sie Frauen in die Vorstandsetagen bringen und geschlechtsbedingte Karriereknicks mittelfristig abmildern. In nur zwei Jahren muss jede dritte Führungskraft im Aufsichtsrat eines börsennotierten Unternehmens eine Frau sein. Zudem müssen die börsennotierten Unternehmen sich eigene, "verbindliche Zielgrößen" geben, um den Frauenanteil zu erhöhen. Eine Reihe von weiteren politischen Maßnahmen zielt auf die bessere Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsarbeit ab - ein Minimalkonsens aus traditionellem Familienbild der CDU und sozialdemokratischem Wohlfahrtsstaatsverständnis.
Früher sei sie nicht für eine Quote gewesen, sagt Heumann. Und heute? "Bin ich dafür." Sie selbst hat in Frankreich studiert, die "Französin mit dem kleinen Auto und dem Baguette unter dem Arm, die die Kinder vom Kindergarten abholt" sei für sie immer ein "lustiges, fröhliches Zukunftsbild" gewesen. Dann kam sie nach Deutschland zurück. Und dort begann das "Nachdenken, wie ich als Frau im Beruf überhaupt stehe".
Ohne entsprechende Politik wird sich nichts ändern, prognostizieren Experten. Die Argumentation, dass Frauen sozialdemographisch gesehen in den kommenden Jahren, wenn mehr Menschen ins Rentenalter kommen, automatisch in entsprechende Positionen rutschen, weist die Soziologin Allmendinger zurück.
"Schon jetzt sind Frauen höher qualifiziert als Männer", so Allmendinger. "Und das ist nicht die erste Generation, bei der das so ist, sondern die dritte. Wenn wir nicht substantiell den Unterschied zwischen bezahlter und unbezahlter Arbeit - also Hausarbeit und Erwerbsarbeit - beschneiden, kommen wir an dieser Problematik gar nicht vorbei. Das wächst sich nicht raus - da brauchen wir neue arbeitsmarktpolitische Rahmenbedingungen."
Keine Duschen, keine Gedichte
In manchen Wachen, erzählt Tanja Dittmar, gibt es keine separaten Duschen - dann muss eben ein Schild vor der Tür ausreichen, dass nun die Kollegin dran ist. Wenn die Stimmung im Team schlecht ist, dann eher, wenn manche Vorgesetzte den Frauen zu viel abnehmen wollen, wenn es also heißt, "das Mädchen muss das doch nicht machen", meint sie. Dann murren die männlichen Kollegen schonmal. Als Diskriminierung sieht sie das allerdings nicht: "Um sowas kümmere ich mich nicht. Wenn uns ein Mensch in Panik entgegenspringt und dann mit offenem Schädelbruch auf dem Bordstein liegt - dafür brauchen wir ein dickes Fell. Nicht im Büro." Die Feuerwehr sei ein System von Befehl und Gehorsam, der Ton ist schon rauer - "und das ist auch in Ordnung. Wer in einem Männerberuf arbeitet, muss damit klarkommen, dass wir uns nicht sonntags zum Nachmittagstee treffen und Rilke rezitieren."