Kiran Bedi: Kämpferin an vielen Fronten
7. März 2012Es ist ein Leben, das verblüfft. Ein Leben, das Kiran Bedi zu einer der schillerndsten Persönlichkeiten Indiens macht. Kiran Bedi war die erste Frau, die 1972 ihre Laufbahn bei den Polizeikräften Indiens begann und sich bis an deren Spitze vorarbeitete. Sie ist seit jeher eine mahnende Stimme, die unerschrocken Ungerechtigkeiten anprangert. Eine Frau, die mit ihrer Souveränität, Härte und Eloquenz Vorbild für Frauen wie auch Männer ist.
"Widerstand zwecklos“ möchte man den Zweiflern zurufen, die es zuhauf gab, wenn die scheinbar alterslose Frau mit dem praktischen Kurzhaarschnitt wieder einmal eine Institution zu reformieren begann: ob auf ihrem ersten größeren Posten als Leiterin der Verkehrsbehörde in der indischen Hauptstadt Neu-Delhi, wo sie Anfang der 1980er Jahre das verkehrswidrig geparkte Auto der damaligen Premierministerin Indira Gandhi abschleppen ließ oder als Direktorin des Tihar-Gefängnisses, wo sie in einem historischen Schritt Yoga- und Meditationskurse für die Häftlinge einführte.
"Eine von uns“
Kiran Bedi ist eine Frau, die ihren verschiedenen Namen alle Ehre macht. Ihr Vorname "Kiran“ ist Hindi und heißt übersetzt so viel wie "Lichtstrahl“. Sie selbst sagt über sich gerne lachend, dass ihr auch ihr Spitzname "Crane Bedi“ gut gefällt, der ihr nach dem Skandal um das abgeschleppte Auto Indira Gandhis verliehen wurde. In ihrem Blog
"Jeder Mensch hat eine wichtige Aufgabe in der Gesellschaft“, soll sie einst bei einer ihrer vielen Reden gesagt haben. So habe sie zum Beispiel nur deshalb ihre Bücher schreiben können, weil ein Hausmädchen ihr die Hausarbeit abnehme. Es ist diese Volksnähe, die Kiran Bedi so beliebt macht, dass sogar eine Facebook-Seite ihre Ernennung zur Premierministerin fordert.
Glückliche Kindheit
Kiran Bedi wurde am 9. Juni 1949 als zweite von vier Schwestern in Amritsar im indischen Bundesstaat Punjab geboren. Ihre Eltern ließen es den Mädchen an nichts fehlen - ungewöhnlich für die damalige Zeit. Denn bis heute werden Mädchen in Indien als Bürde angesehen, da bei ihrer Heirat eine oft sehr hohe Mitgift zu zahlen ist. "Meine 1999 verstorbene Mutter war mein großes Vorbild“, sagt Bedi oft. Dann wird die kraftvolle Frau manchmal sehr traurig und nachdenklich, denn der Verlust sei für sie "irreparabel.“
Bedi studierte zunächst Englisch, machte dann ihren Master in Politikwissenschaft und später auch ihren Doktor. Sie und ihre drei Schwestern waren alle hervorragende Tennisspielerinnen, ihre Schwester Anu spielte sogar in Wimbledon. Kiran selbst gewann mit 22 Jahren die Asienmeisterschaften. Auf dem Tennisplatz - so will es auch die Legende - soll sie ihren Mann Brij kennengelernt haben, mit dem sie eine Tochter, Saina, hat.
Nach ihrem Eintritt in den Polizeidienst 1972 wurden Kiran Bedi eine Reihe schwieriger Posten in ganz Indien übertragen. Da sie diese alle mit Bravour meisterte, machte sie schnell Karriere. Nach ihrer Zeit als Leiterin der Verkehrsbehörde in der chaotischen Millionenmetropole Neu-Delhi wurde sie nach Mizoram versetzt - ein schwieriges Terrain, denn Mizoram ist ein kaum entwickelter Bundesstaat im Nordosten Indiens. Später leitete Bedi die Betäubungsmittelkontrollbehörde Indiens, war Gefängnisdirektorin eines der größten Gefängnisse Asiens in der indischen Hauptstadt und arbeitete für die Vereinten Nationen als Beraterin für Polizeikräfte in Friedensmissionen.
2007 schied Bedi nach 35 Jahren als Generaldirektorin der Recherche- und Entwicklungsabteilung aus dem Polizeidienst aus. "Ich brauche eine neue Herausforderung“, so begründete die umtriebige Bedi ihre Bitte um Entlassung gegenüber dem indischen Premierminister. Heute unterstützt Bedi den indischen Bürgerrechtler Anna Hazare in seinem Kampf gegen die Korruption und engagiert sich mit ihrer Nichtregierungsorganisation Navjyoti für die Rechte von Frauen und Mädchen, Bildung für alle und die Rehabilitierung von Drogenabhängigen.
Schatten auf der weißen Weste
1994 erhielt Kiran Bedi nach Dutzenden von nationalen und internationalen Auszeichnungen für ihr Lebenswerk den Ramon Magsaysay Award, den asiatischen "Friedensnobelpreis". Doch es scheint, als ob viele in Indien der Allgegenwart Kiran Bedis, die sogar eine eigene Gerichtsshow moderiert hat, überdrüssig geworden sind. Immer wieder kommen Gerüchte auf. Einmal soll Kiran Bedi Reisekosten nicht richtig abgerechnet haben. Ein anderes Mal heißt es, dass Gelder, die für ihre sozialen Projekte bestimmt waren, nie bei den Bedürftigen angekommen seien. Die Ermittlungen laufen.
Kiran Bedi antwortet auf solche Gerüchte auf ihre eigene Art: "Es tut mir leid, wenn ich diejenigen, die mich verleumden wollen, enttäuschen muss. Sie können lange nach einem Beweis suchen. Aber leider gehören derartige Gerüchte nun einmal zu den vielen Herausforderungen, die es zu überwinden gilt, wenn man ein Leben in der Öffentlichkeit gewählt hat.”
Autorin: Priya Esselborn
Redaktion: Ana Lehman