"Der IWF entscheidet nicht"
7. Juli 2015DW: Der Internationale Währungsfond (IWF) unterstützt die griechische Position, dass Athen dringend einen Schuldennachlass braucht. Die europäischen Regierungschefs haben aber bisher keine Neigung dazu erkennen lassen. Sind sich die Kreditgeber in einer entscheidenden Frage uneinig?
Kirkegaard: Ich denke nicht, dass diese Uneinigkeit wirklich substanziell ist. Wenn man hinter vorgehaltener Hand mit Vertretern der Eurozone spricht, sagen sie alle, dass ihnen klar ist, dass ein Großteil des Geldes, das man Griechenland geliehen hat, verloren ist. Die Schulden müssen also neu strukturiert werden. Es geht nicht mehr um das Ob, sondern um das Wann und Wie.
Was heißt das genau?
Der wirkliche Riss zwischen dem IWF und der Eurozone besteht darin, dass eine starke Fraktion im IWF einen sofortigen Schuldennachlass befürwortet, damit die griechische Wirtschaft wieder in Schwung kommt. Eine andere Gruppe im IWF ist näher an der Position der Eurozone und will einen Schuldennachlass erst zugestehen, wenn Griechenland seine Hausaufgaben gemacht hat und seine Reformversprechungen erfüllt.
Am Ende werden die Europäer entscheiden, nicht der IWF; denn es geht um europäische Kredite. Und ich erwarte, dass die Europäer bei ihrer Position bleiben: Schuldennachlass nur gegen Reformen.
Wird denn durch den IWF-Report nicht eindeutig die griechische Position gestärkt und die deutsche geschwächt?
Der Report hilft Alexis Tsipras vor allem zu Hause, weil er den griechischen Wählern erklären kann, warum er so lange ausgehalten hat, warum die Griechen geschlossene Banken und andere Härten in Kauf nehmen müssen. Aber der Report wird kaum eine Wirkung haben, wo es wirklich zählt: bei den anderen europäischen Regierungen. Die haben ihre eigene Wählerschaft zu Hause. Am Ende wird es den Griechen nicht helfen.
Werden die Verhandlungen durch die Uneinigkeit zwischen den Institutionen nicht zumindest komplizierter?
Sie könnten etwas komplizierter werden, wenn es den Griechen gelingen sollte, die unterschiedlichen Positionen innerhalb der Troika gegeneinander auszuspielen. Aber dann müssen wir auch fragen: Wer profitiert von einer Verzögerung? Keiner! Und wer wird durch eine Verzögerung weiter beschädigt? Griechenland. Die griechischen Banken werden geschlossen bleiben, bis es eine Einigung gibt.
Gibt der IWF-Report im Großen und Ganzen auch die US-Position wieder?
Mit seiner Forderung nach Schuldennachlass bewegt er sich in der Nähe bekannter US-Positionen. Aber eine genau definierte Position der Obama-Regierung gibt es nicht.
Die "New York Times" hat in einem Editorial kritisiert, dass die europäischen Regierungschefs die Krise durch ihr Missmanagement noch verschlimmert haben. Gibt das auch die Einstellung der Obama-Regierung und der US-Finanzmärkte wieder?
Es ist eine verbreitete Ansicht hier, dass die Euro-Krise endlich vorübergehen sollte. Aus dieser Sicht ist man in Europa auf ein kleines Land mit zwei Prozent des europäischen Bruttosozialproduktes fixiert, anstatt sich stärker um den selbsternannten Islamischen Staat, die Ukraine und viele andere Dinge zu kümmern. Es gibt eine gewisse Irritation hier, dass es den Europäern nicht gelungen ist, die Krise zu meistern.
Das bedeutet nicht, dass die USA die griechische Forderung für einen Schuldennachlass teilen. Bedenken Sie: Die praktische US-Politik gegenüber Griechenland wird durch den IWF ausgeführt. Und der IWF war es, der das griechische Reformprogamm maßgeblich mitentwickelt und implementiert hat. Wenn sich Präsident Obama immer wieder kritisch zur Austeritätspolitik äußert, dann zielt das mehr auf die amerikanische Innenpolitik.
Jacob Funk Kirkegaard ist Wirtschaftsexperte mit dem Schwerpunkt Europa und seit 2002 Senior Fellow beim Peterson Institute for International Economics in Washington.
Das Gespräch führte Gero Schließ.