Kiten als Trendsport in Afrika
4. Juli 2010Sie schießen über das glitzernde Wasser, der Blick durch die Sonnenbrille nach vorn, die Hände fest um eine kurze Stange geklammert. Über ihnen tanzen die knalligen Lenkdrachen, die Kites. Erst als die Männer auf das Ufer zufahren, kann man die Mini-Surfboards erkennen, auf denen sie stehen. Und natürlich die Kiter selbst, die gerade einer nach dem anderen in lässigen Board-Shorts aus dem Wasser kraxeln.
Über 30, gut verdienend, europäisch
"Ein Kiter ist jemand, der die Herausforderung sucht, der Spaß hat am Leben. Es sind einfach Superleute", meint zum Beispiel Christian aus Frankfurt, während er seinen Lenkdrachen landen lässt. Die Leute, das sind die tropfnassen Gestalten, die gerade in Richtung Strand-Kiosk schlendern. Die meisten sind noch etwas bleich, über 30 und verdienen recht gut. "Ich bin Berater für Autofirmen", erklärt der junge Deutsche ganz vorne in der Kioskschlange. Sein muskelbepackter Hintermann ist Filmemacher, der Holländer daneben ist Arzt.
"Kiten ist nichts für Schwarze"
Nur einer kann da nicht so ganz mithalten. Es ist Max, dunkelhäutig, 25. Er beißt hastig in sein Sandwich, lässt seine schwarzen Augen abschätzend über die Schlange gleiten und meint: "Die Weißen haben mir gesagt: 'Kiten, das ist nichts für Schwarze, das ist nur ein Sport für Weiße.'" Das habe ihn angestachelt, erzählt er und läuft zu seinen kreolischen Kumpels an den Strand. Allerdings hatte Max keine 2000 Euro für die Kite-Ausrüstung. "Ich habe mir aber gesagt, okay, ich habe zwar kein Geld, um mir einen neuen Kite zu kaufen. Aber ich kann für eine Kite-Schule arbeiten." So kommt man umsonst an Kite-Material heran und kann gleichzeitig den Sport lernen.
Das hat Max vor acht Jahren auch gemacht und sich so mit drei Freunden das Kiten selbst beigebracht. Sie haben die weißen Kiter beobachtet, sich auf Youtube Videos angeschaut und vor allem unermüdlich trainiert. Mit Erfolg, denn heute ist Max einer der besten Kiter der Insel. Wie er überhaupt vom Kiten erfahren hat? "Ein weißer Franko-Mauritianer reiste nach Europa und kam zurück mit einem Kite im Gepäck", erzählt Max. Und bald darauf kamen die ersten Kite-Touristen, es entstanden die ersten Kite-Schulen und das Kiten wurde zum Geschäft. Allerdings zum Geschäft der Weißen.
Durchschnittslohn auf Mauritius: 250 Euro
Eine junge Frau winkt Max zu sich ans Ende der Bucht, ihre blonden Haare leuchten im Sonnenlicht. "Meine Chefin Kathrin", grinst Max und trabt los. Für die deutsche Kathrin Kühnert arbeitet Max als Kite-Lehrer, rund 250 Euro verdient er im Monat. Durchschnittslohn auf Mauritius. Max' Kite-Schülerinnen stehen schon parat. Bekleidet mit knappen Bikinis und weniger knappen Sonnenbrillen auf der Nase haben sich die zwei deutschen Urlauberinnen ihre Segel zurechtgelegt. Sie wollen jede Kite-Stunde voll nutzen, schließlich zahlen sie 40 Euro dafür. Max zwinkert ihnen zu und legt los.
Seine Chefin Kathrin schaut dem Trio nach. Alle ihre Kunden seien Europäer, meint sie schulterzuckend. "Da laufen einem 'Schickimicki-Leute' über den Weg. Das sieht man erst auf den zweiten Blick. Wenn man sich mit denen beim Bierchen unterhält, dann erzählen sie, was sie beruflich machen. Alle gehören zur 'Upper class'."
Immer mehr Afrikaner entdecken den Sport
Kathrin hat mit vielen Kite-Sportlern gesprochen, sie hat für ihre Diplomarbeit an der Sporthochschule Köln die Kite-Szene untersucht. Aber es gebe auch Jugendliche, die nicht so viel Geld haben und sich trotzdem irgendwie Kite-Material beschaffen würden, sagt Kathrin. Und, meint sie und blickt auf das Wasser zu Max, es gebe eben auch immer mehr Farbige, die für wenig Geld bei Kite-Schulen anheuern würden, um so deren Material benutzen zu dürfen. Oder die sich gebrauchte Kites kaufen. Kathrin dreht den Kopf, nickt nach rechts, wo sich zwei "Locals" mit Rasta-Locken gerade ihre Segel zusammenbauen. Auch auf dem Wasser flitzen zwischen den vielen Bleichgesichtern ein paar Kreolen durch die Bucht. Einer springt mit einem showreifen Sprung an den Strand - es ist Max.
Kiten - bald nicht mehr von Weißen dominiert
"Ja, es stimmt, mittlerweile gibt es immer mehr farbige Mauritianer, die Kiten lernen", meint er und begutachtet die tollkühnen Sprünge seiner kreolischen Kumpels auf dem Wasser. Kathrin stimmt ihm zu. "Darum bin ich auch überzeugt, dass das Kitesurfen nicht nur eine Sportart für die nächsten fünf Jahre bleiben wird, sondern dass der Trend sich verfestigen wird, da es eine Szene ist, wo verschiedene Schichten aufeinander treffen! Und das macht das Ganze interessant." Und vielleicht wird Max ja eines Tages auch seine eigene Kite-Schule haben, oder der erste farbige Kiter sein, der die Welt auf einem Kite umrundet - sein großer Traum.
Autorin: Miriam Klaussner
Redaktion: Katrin Ogunsade