Kittel: "Ich will um Etappensiege sprinten"
6. Mai 2014DW: Wird in diesem Jahr der Trainingsaufbau, der Umfang doch etwas anders sein?
Marcel Kittel: Wir haben ein, zwei Dinge im Rennprogramm geändert, auch ein paar Dinge im Training. Was man natürlich ausprobieren kann, ist immer wieder ein bisschen Krafttraining. Oder auch ein, zwei Änderungen im Sprint, wo ich versuche, mich weiterzuentwickeln. Ich werde in diesem Jahr zum ersten Mal beim Giro in Italien starten, und da erhoffe ich mir schon einen Vorteil für den Rest der Saison.
Wollen Sie eine andere Landschaft kennen lernen oder was sind die Gründe, dort zu starten?
Wir wollen als Mannschaft natürlich gegen die besten Teams und am Ende auch gegen die besten Sprinter fahren. Ich glaube, dass auch die anderen Top-Sprinter so denken wie wir und am Start stehen, weil sich das Rennen einfach anbietet.
Letztes Jahr haben Sie für einen Paukenschlag gesorgt: Vier Etappensiege bei der Tour de France. Wird das zweite Jahr jetzt schwerer, weil sich alle auf Sie eingeschossen haben?
Das erste Mal gewinnen ist leichter, sagt man beim Fußball, als dann im nächsten Jahr den Titel zu verteidigen. Genauso ist es auch für mich bei der Tour de France. Unser Team wird jetzt ganz anders gesehen. Ich als Sprinter werde auch ganz anders gesehen. Wir sind absolut in der Pflicht, wieder für die Etappensiege zu arbeiten und am Ende auch hoffentlich zu gewinnen.
Es war sicherlich Zeit zu reflektieren. Diese Tour de France - wie war sie im Nachgang?
Ich hatte mir vorgenommen, zu sehen, wie weit ich kommen kann. Dann gewinnen wir gleich die erste Etappe, und danach sind noch drei weitere gekommen, sogar die letzte auf dem Champs Élysées war dabei. Das war ein absoluter Traum. Jeder, der in der Mannschaft war, hatte Gänsehaut und das gilt auch für mich.
"Junge Sportler müssen gestärkt werden"
DW: Trotzdem hieß es, vorher kannte ihn keiner, dann holt er vier Etappensiege. War alles sauber? Nervt es Sie, wenn man Sie unter Generalverdacht stellt?
Wir als junge Fahrer möchten jetzt so selbstbewusst sein und sagen, was in der Vergangenheit passiert ist, das ist eben Vergangenheit. Wir möchten uns klar abgrenzen, auch mit neuen Ideen, die wir in unseren Sport einbringen, um aktiv etwas zu bewegen.
Wie ist diese Offenheit bei den Kollegen angekommen?
Ich muss sagen, mir ist nie ein schlechtes Wort gesagt worden. Eigentlich ganz im Gegenteil. Es kamen viele junge Sportler zu mir, die mir gesagt haben, es ist absolut das, was wir auch empfinden. Wir werden demnächst auch so offen darüber reden, was wir denken.
Der andere Standpunkt war: Doping ist nicht so schlimm. Es haben alle etwas genommen, also habe ich keinen betrogen. Warum ist das für Sie kein Standpunkt?
Nachdem ich jetzt die eine oder andere Geschichte von ehemaligen Profis gehört habe, ist es auf jeden Fall so gewesen, das ein extremer Gruppenzwang geherrscht hat. Es wurden junge Sportler dazu gedrängt und ich denke, das ist das Schlimmste, was passieren kann. Jetzt haben viele Teams erkannt, dass man die jungen Sportler auch coachen muss, dass man sie erziehen muss, dass man ihren Charakter stärken muss, um zu sagen, nein das möchte ich nicht, weil ich andere Ideale und Wertvorstellungen von meinem Sport habe.
"Versuche, optimistisch zu bleiben"
Sie haben ein tolles Jahr hinter sich. Haben Sie auch eine Strategie, wenn mal ein Jahr dabei sein sollte, in dem es nicht so gut läuft, oder verdrängt man das als erfolgreicher Radsportler?
Ich mache nicht erst seit zwei, drei Jahren Radsport. Ich bin über zehn Jahre im Sport dabei und habe auch Höhen und Tiefen durchlebt. Deshalb kann ich mich in schlechten Momenten durch solche Erfahrungen motivieren, nach einer Verletzung zum Beispiel, oder auch 2012, als ich aus der Tour aussteigen musste, weil ich krank war. Man muss immer versuchen, optimistisch zu bleiben. Das werde ich auch machen, falls so eine Situation in der Zukunft wieder kommt.
Marcel Kittel wird am 11.Mai während des Giro d'Italia 26 Jahre alt. Er fährt für den niederländischen Radrennstall Giant-Shimano und hat in diesem Jahr bei verschiedenen Rennen schon fünf Etappen gewonnen.
Das Interview führte Herbert Schalling