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Stichwort: Gute Pille, schlechte Pille

Gudrun Heise17. Dezember 2015

Thrombosen und Embolien gelten als Nebenwirkungen von Antibabypillen wie Yasminelle von Bayer. Eine Frau aus Süddeutschland klagt jetzt gegen den Konzern. Sie hatte eine schwere Lungenembolie erlitten.

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Symbolbild Justitia Justizia
Bild: Imago

Seit Generationen ist die Antibaby-Pille Verhütungsmittel Nummer Eins. Allein in Deutschland nehmen 6,8 Millionen Frauen ein solches Hormonpräparat. Für 53 Prozent aller Frauen zwischen 18 und 49 Jahren ist der Griff zur kleinen Pille - mit den Wochentagen auf der Packung - eine einfache Entscheidung. Die Pille gilt als sicheres Präparat, um eine Schwangerschaft zu vermeiden.

Scherwiegender Nachteil: Es kann durch die Einnahme zu Embolien oder Thrombosen kommen. Auf der Internetseite des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) heißt es: "Venöse Thromboembolien sind eine seit langem bekannte, seltene Nebenwirkung bei der Anwendung aller hormonellen Verhütungsmittel, der sogenannten kombinierten hormonellen Kontrazeptive."

Gut kombiniert?

Bei der "klassischen Pille" handelt es sich um Kombinationspräparate aus Östrogen und Gestagen. Unter den älteren Mitteln kam es bei den Frauen wegen einer höheren Dosis an Östrogenen oft zu einer Gewichtszunahme oder zu Stimmungsschwankungen. Probleme mit Akne verschlimmerten sich. Haarausfall und schmerzhaftes Spannen in der Brust waren ebenfalls bekannte Nebenwirkungen.

Nach Auskunft des Berufsverbandes der Frauenärzte (BvF) war es deshalb dringend geboten, neue Gestagene zu entwickeln, die es ermöglichen, den Östrogenanteil zu reduzieren. Ein solches neues Gestagen ist Drospirenon, ein synthetisch hergestellter Wirkstoff. Seit 2014 gebe es Studien zufolge starke Anhaltspunkte dafür, dass einige dieser hormonellen Verhütungsmittel der dritten und vierten Generation ein höheres Thromboserisiko hätten als ältere, so der BvF.

Verhütungspille Yasminelle (Foto: picture-alliance/dpa/R. Stockhoff)
Felicitas Rother klagt gegen den Bayer-Konzern wegen Nebenwirkungen der Antibabypille YasminelleBild: picture-alliance/dpa/R. Stockhoff

Frauenärzte sind durch das BfArM aufgefordert worden, Patientinnen ausführlich über die Risiken dieser Pillen aufzuklären. Das ist vor allem wichtig, wenn ein hormonelles Verhütungsmittel Teenagern oder jungen Frauen verschrieben wird.

Sie sollten eine möglichst gering dosierte Pille nehmen. Dabei helfen eine Checkliste und Anwenderinnenkarten, die unter anderem mithilfe des BfArM entwickelt wurden. Darin erhalten Frauen Informationen zum Thromboserisiko. Es wird auch erklärt, wie die Patientin eine Thrombose selbst erkennen kann. Zusätzlich hilft ein intensives Gespräch mit dem Arzt, bei dem zum Beispiel auch die Anamnese - also die medizinische Vorgeschichte - eine Rolle spielt.

Die Skandalpille

Yasmin, Yaz und Yasminelle - sie alle sind in den Verdacht geraten, Thrombosen und Lungenembolien auslösen zu können. Davon geht auch eine junge Frau in Süddeutschland aus. 2009 hatte die damals 25-jährige Felicitas Rohrer eine Lungenembolie erlitten, war nach einem längeren Herzstillstand schon klinisch tot, konnte aber durch Wiederbelebung gerettet werden. Sie ist nicht übergewichtig, raucht nicht und hat regelmäßig Sport getrieben. Sie hatte Yasminelle genommen und ist überzeugt, dass diese Antibabypille der Auslöser für die lebensbedrohliche Embolie war. Unter den Folgen leidet sie noch heute. Jetzt verklagt sie den Pharmakonzern Bayer auf ein Schmerzensgeld von 200.000 Euro. Der Fall, der jetzt in Waldshut-Tiengen vor Gericht kommt, ist der erste Fall in Deutschland, bei dem es um Nebenwirkungen von Antibabypillen geht. In den USA hat der Konzern bereits 1,9 Milliarden US-Dollar an Geschädigte zahlen müssen.

Ist die Pille schuld?

Neuen Studien zufolge bergen Verhütungsmittel, die Drospirenone enthalten, im Vergleich zu Pillen der ersten und zweiten Generation, ein erhöhtes Risiko, eine Embolie oder eine Thrombose zu verursachen. Das BfArM hat 2013 das Nutzen-Risiko-Verhältnis bewertet. Dabei kam das Institut zu dem Ergebnis, dass bei allen Kombinationspräparaten der Nutzen die Risiken überwiegt, aber auch, dass Verhütungspillen mit Drospirenone das Risiko von venösen Thromboembolien erhöhen. Insgesamt 392 Verdachtsfälle sind laut BfArM in den letzten 15 Jahren gemeldet worden. 16 davon endeten mit dem Tod der Frauen. Unklar ist, ob dafür die Pille verantwortlich ist.

Verhütungspille Yasminelle (Foto: picture-alliance/dpa)
Die Pille Yasminelle enthält DrospirenonBild: picture-alliance/dpa/R. Stockhoff

Kein Lifestyle-Produkt

Einige junge Frauen lassen sich die Antibabypillen der neuen Generation aber nicht nur zur Verhütung verschreiben. Vielmehr stehen für sie auch andere Wirkungen im Vordergrund. Sie versprechen sich schöne Haut und Gewichtsverlust. Es sind vor allem Teenager und junge Frauen, die eine Antibabypille mit Drospirenone nehmen, um damit eine für sie durchaus "willkommene Nebenwirkung" zu erzielen.

Kritiker sind der Meinung, dass die Pharmaindustrie nicht ausreichend auf die Risiken hinweist und zu sehr mit der ästhetischen Wirkung ihrer Pillen wirbt. Für die Schönheit aber sind hormonelle Verhütungspräparate ursprünglich nicht gedacht.