Klage gegen Baidu
20. Mai 2011Es ist ein Rechtsstreit, den es so noch nicht gab. Acht chinesisch-stämmige Demokratieaktivisten haben vor einem New Yorker Bezirksgericht Klage gegen die größte chinesische Internetsuchmaschine Baidu eingereicht. Baidu gehört zu den zehn meistbesuchten Websites weltweit. Das Unternehmen ist im amerikanischen Börsenindex NASDAQ gelistet. Die Kläger beschuldigen den Google-Rivalen, mit seiner Zensur auch die Suchergebnisse in den USA zu beeinflussen. So verstoße das Unternehmen gegen die in der amerikanischen Verfassung garantierte Meinungsfreiheit.
In der Klageschrift heißt es, Baidu zensiere pro-demokratische Inhalte und sei somit "Vollstrecker" der Politik der chinesischen Regierung. Einer der Kläger ist der Demokratieaktivist Song Shuyuan. Da Baidu auch auf dem US-Markt präsent sei, müsse sich das Unternehmen an amerikanische Gesetze halten, so Song. "Wenn wir Artikel schreiben, tauchen sie bei der Internetsuche nicht auf. Das ist eine Verletzung unserer Rechte." Berichte über pro-demokratische Aktionen finde man auch nicht, klagt Song.
Kläger wollen gegen Zensur aufmerksam machen
Mit der Klage wollen die Demokratieaktivisten auch ein Zeichen gegen die Kommunistische Partei Chinas setzen, erklärt Song Shuyuan. "In China werden bis heute Dissidenten unterdrückt. Und Baidu ist mit der Kommunistischen Partei Chinas auf einer Linie." Insgesamt fordern die acht Kläger 16 Millionen Dollar Schadensersatz von Baidu.
Selbst wenn Baidu den Prozess verlieren sollte, glaubt Song, dass sich an der Unternehmenspolitik der Suchmaschine nichts ändern wird. Letztlich sei dies aber zweitrangig, denn er und seine Mitstreiter wollen vor allem die Aufmerksamkeit von Auslandschinesen und Internetnutzern in China wecken. "Wir wollen deutlich machen, dass wir über juristische Wege für unser Recht kämpfen", so Song. "Das ist wichtiger als der Ausgang des Prozesses an sich."
Keine Stellungnahme von Baidu
Gegenüber DW-WORLD.DE wollte der Sprecher von Baidu, Kaiser Kuo, die Klage gegen das Unternehmen nicht kommentieren. Die Sprecherin des chinesischen Außenministeriums, Jiang Yu, äußerte sich auf einer Pressekonferenz in Peking zu der Klage. China garantiere entsprechend seinen Gesetzen die freie Meinungsäußerung der Bürger: "Die Art, wie die chinesische Regierung das Internet handhabt, entspricht chinesischen Gesetzen und internationalen Normen. Das ist eine Frage der nationalen Souveränität." Nach internationalem Recht seien ausländische Gerichte für diesen Fall nicht zuständig, betont Jiang.
"Zensur ist ein Verbrechen gegen das Volk"
Mit der Internetzensur versucht die chinesische Regierung die Verbreitung von Informationen zu kontrollieren. Die Machthaber in Peking befürchten offenbar, dass Dissens im Internet das Land destabilisieren könnte, sagen Experten. Baidu und andere chinesische Websites filtern daher freiwillig ihre Suchergebnisse auf regierungskritische Inhalte – wie zum Beispiel Berichte über das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens im Jahr 1989. Viele Internetseiten aus dem Ausland, darunter Facebook, Twitter, Flickr oder Youtube werden in China komplett blockiert. Aber gerade diese sozialen Netzwerke seien wichtig für eine moderne Gesellschaft, beklagt der chinesische Blogger Michael Anti. "Im Grunde genommen werden die besten und intelligentesten Köpfe in China von neuen, wichtigen Informationen aus der ganzen Welt abgeschnitten", so der Blogger. "Ich finde, das ist eine Art Verbrechen gegen das ganze chinesische Volk."
Erst vor gut einem Jahr hatte sich der Internetgigant Google aus China zurückgezogen. Google China hatte zunächst genau wie Baidu Suchergebnisse zensiert, verlegte dann aber seine chinesischsprachige Suchmaschinenversion nach Hongkong, um die Zensur zu umgehen.
Autor: Christoph Ricking
Redaktion: Ana Lehmann