Interview: Als erster Deutscher auf der russischen MIR
17. März 2017DW: Herr Flade, was schießt Ihnen als Erstes durch den Kopf, wenn Sie an die Mission auf der Raumstation MIR zurückdenken?
Klaus-Dietrich Flade: Ich denke als Erstes daran, dass ich - ein aktiver Soldat - in die damalige Sowjetunion hineingelassen und mit offenen Armen empfangen wurde. Das Menschliche ist mir besonders in Erinnerung geblieben: Die Kollegen waren hilfsbereit, immer zu guten Taten aufgelegt. Sie hörten zu, und wenn man sie einmal näher kennenlernte, hatte man Freunde fürs Leben.
1992 - damals war der Kalte Krieg zwar beendet, die weltpolitische Lage aber noch angespannt. Sie sind damals als erster Deutscher zu den Russen ins Weltall geflogen. War das ein Thema? Spielte Weltpolitik im Weltall eine Rolle?
Auf der MIR hatten wir zwei Mann aus der Ukraine dabei, zwei aus Russland und mich aus Deutschland - aus Westdeutschland! Das hat dort überhaupt keinen Unterschied gemacht.
Auch nicht auf der Erde: Bei einem Festakt für Juri Gagarin (Anm. d. Red: erster Mensch im Weltall) gingen wir im Spalier zu einer Statue von ihm. Dort hatte ich zum ersten Mal meine Uniform an, sonst trug ich nur Zivilkleidung.
Und was ist dann passiert?
Meine Kollegen sagten dann später zu mir: "Warum kommst du nicht immer in dieser Uniform? Wir haben unsere Uniformen jeden Tag an. Warum gehst du immer in zivil?". Es hat mir einfach gezeigt, dass ich willkommen bin. Auch als Militär der "anderen Seiten". Es spielte für sie gar keine Rolle, denn jeder wollte einfach nur ordentliche Raumfahrtgeschichte schreiben.
Wie war die Stimmung auf der MIR?
Wir haben immer versucht, uns zu helfen. Zum Beispiel mussten die Anlagen auf der MIR erneuert werden, weil sie schon ein bisschen in die Jahre gekommen waren. Da ich - wie mein Kollege Sergei Krikaljow - früher Flugzeugmechaniker war, habe ich angeboten, ihm zu helfen. Das wurde super angenommen und wir konnten ein kleines Facelifting an der Raumstation durchführen.
Erinnern Sie sich an Ihre erste Tour durch die Raumstation?
Auf der MIR hat es in den Gängen immer mal wieder Vorbuchtungen gegeben, zum Beispiel Gummibänder, hinter denen Sachen befestigt waren und ähnliches. Als ich das erste Mal durch die Raumstation geflogen bin, ist mein Kommandant mit einem Sack hinter mir her, um alles wieder einzusammeln, was ich so von den Wänden runter gezerrt habe (lacht).
Sie sind ja nicht nur als Mechaniker ins Weltall geflogen, sondern auch als Wissenschaftler. Was für Experimente haben Sie damals auf der MIR gemacht?
Alle, bis auf eines, wurden an mir selbst durchgeführt. Da war ich quasi das Versuchsobjekt. Es wurde zum Beispiel mein Gleichgewichtssystem untersucht, der Augeninnendruck begutachtet und die Flüssigkeitsverschiebung in meinem Körper gemessen.
Flüssigkeitsverschiebung im Körper?
Normalerweise befindet sich das Wasser des Körpers im Bindegewebe. Im All - ohne Schwerkraft - rutscht es aber nach oben. Deswegen sehen alle Astronauten erst mal aufgequollen oder jugendlich im All aus, weil ihnen das Wasser in den Kopf steigt. Und dieses Phänomen wurde bei mir genauer untersucht.
Warum ist es bei diesem einen Flug ins All geblieben?
Ich hatte einen tollen Beruf als Testpilot und bin wieder zur Bundeswehr zurückgekehrt. Mein Markenzeichen war die Testfliegerei und diese Handfertigkeit wollte ich weiter nutzen. Zu einer Stelle als Wissenschaftler konnte ich nicht mit reinem Gewissen "Ja" sagen. Und das war leider alles, was die Raumfahrt mir bieten konnte.
Beneiden Sie trotzdem die Astronauten und Astronautinnen, die jetzt noch hoch fliegen?
Nein, ich wünsche Ihnen viel Glück dabei - aber ich muss da nicht mehr hoch.
Auch der Mars würde Sie nicht reizen?
Na gut, wenn man eine solide Mission dort oben hinschicken würde - auch wenn es für mich mit einem Einwegticket enden würde - würde ich zum Mars fliegen. Ja!
Klaus-Dietrich Flade war der fünfte Deutsche im All. Der Luft- und Raumfahrt-Ingenieur und Oberstleutnant der Luftwaffe flog am 17.03.1992 mit einer Sojuskapsel zur russischen Raumstation Mir. Derzeit arbeitet er als Testpilot für Airbus im französischen Toulouse.
Das Interview führte Kai Steinecke.