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Akademiepräsident Staeck tritt ab

Stefan Dege (mit Agenturen)30. Mai 2015

Vom Plakatkünstler wandelte er sich zum Kulturdiplomaten – nach neun Jahren gibt Klaus Staeck nun die Führung der Berliner Akademie der Künste ab. Was wird jetzt aus der international beachteten Künstlergemeinschaft?

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Deutschland Kunst für Alle (Ausstellung)
Bild: picture-alliance/dpa/B. Pedersen

"Nichts ist erledigt", prangt in Riesenlettern an der Glasfassade des Akademie-Hauptsitzes am Pariser Platz. Staeck hat den Slogan dort aufhängen lassen, um ein Zeichen zu setzen. Im Zentrum Berlins, zwischen Hotel Adlon und Brandenburger Tor, wähnt er das politische Herz der Republik. Die Akademiekünstler sollen sich einmischen, sollen mitreden in Fragen von Demokratie und Gesellschaft. Für diesen Anspruch steht Staeck.

Neun Jahre hat er an der Spitze der Akademie gestanden. Jetzt läuft seine dritte Amtszeit ab. Laut Satzung darf der 77-jährige nicht erneut antreten. So muss ein Nachfolger her, oder – was die Sensation wäre – eine Nachfolgerin. "Ich wünsche mir, dass nach 300 Jahren hier endlich mal eine Frau Präsidentin wird", sagte Staeck im dpa-Interview. "Wir werden sehen, ob diese männerlastige Institution bereit ist, diesem Gedanken näher zu treten." Freilich muss auch die Stellvertreterposition von Nele Hertling neu besetzt werden sowie die Direktorenposten in den sechs Sektionen von Literatur über Musik bis Film. Dazu kommen die derzeit 404 Akademiemitglieder am Samstag (30.05.) zur Mitgliederversammlung zusammen.

Deutsche Arbeiter Plakat Klaus Staeck
Politsatire à la Klaus StaeckBild: Klaus Staeck

Vom Autodikakten zum Politkünster

"Deutsche Arbeiter! Die SPD will euch eure Villen im Tessin wegnehmen!" - Mit ironischen Plakaten wie diesen wurde Klaus Staeck Anfang der 1970er Jahre bekannt. Überhaupt geriet Satire schnell zum Markenzeichen des Grafikers, Karikaturisten und Juristen, bei seiner Auseinandersetzung mit der Politik. "Zur Kunst kam er als Autodidakt", verkündet seine Hompage und rechnet vor: "Heute umfasst sein Werk rund 300 Plakate und zahlreiche Fotos, die in über 3.000 Ausstellungen präsentiert wurden." Weiter wird stolz vermerkt: "41mal wurde erfolglos versucht, Plakate und Postkarten juristisch verbieten zu lassen."

Staeck stammt aus Pulsnitz bei Dresden, wuchs im ostdeutschen Bitterfeld auf und studierte nach dem Abitur Jura in Heidelberg. Die Teilnahme an der Kunstschau Documenta 5 in Kassel im Jahr 1972 in der Abteilung "Parallele Bildwelten: politische Propaganda" etablierte ihn als Künstler. Auftritte bei drei weiteren Documentas folgten. Staeck übernahm Gastdozenturen an der Gesamthochschule Kassel und an der Kunstakademie Düsseldorf. In den 1970er Jahren gehörten seine mit ironischen Sprüchen versehenen Fotomontagen zur Grundausstattung vieler WG-Wohnungen.

Akademie der Künste Berlin
Das Glaspalat der Akademie der Künste in BerlinBild: Manfred Mayer
Deutschland Akademie der Künste Berlin Gebäude
Die Akademie der Künste im Herzen BerlinsBild: Imago

Die Künste fördern

Manche Plakataktion löste spektakuläre Reaktionen aus, etwa Ende März 1976, als der CDU-Politiker und spätere Bundestagspräsident Philipp Jenninger in der Parlamentarischen Gesellschaft in Bonn ein Plakat Staecks mit der Aufschrift "Seit Chile wissen wir genauer, was die CDU von Demokratie hält" zerriss. Der Künstler hatte damit auf den Umgang mit dem Pinochet-Regime in dem lateinamerikanischen Land angespielt. Nach der Wende in der DDR trat Staeck 1990 in die Akademie der Künste zu Berlin ein, die umbenannte Akademie der Künste der DDR. Durch die Vereinigung der beiden Berliner Akademien 1993 wurde Staeck Mitglied der gemeinsamen Akademie der Künste.

Als Institution ist die Akademie der Künste mehr als 300 Jahre alt. Der spätere Preußen-König Friedrich I. hatte sie 1696 als "Academie der Mahler-, Bildhauer- und Architectur-Kunst" ins Leben gerufen. Ihre Aufgabe ist es heute laut Gesetz, "die Künste zu fördern und die Sache der Kunst in der Gesellschaft zu vertreten". Sie "berät und unterstützt" die Bundesrepublik in Angelegenheiten der Kunst und Kultur. Der Bund finanziert sie dafür jährlich mit 18 Millionen Euro. Mehr als die Hälfte der rund 160 Beschäftigten arbeiten im Archiv. Es umfasst neben einer Spezialbibliothek mit 550 000 Bänden und einer Kunstsammlung mit 70 000 Objekten rund 1200 Künstlernachlässe, unter anderem von Bertolt Brecht, Günter Grass und Christa Wolf.

Kulturstaatsministerin Monika Grütters
Kulturstaatsministerin Monika GrüttersBild: picture-alliance/dpa/Gambarini

Derzeit gehören der Künstlergemeinschaft 404 Mitglieder an, darunter der Chinese Ai Weiwei, die Amerikaner Bob Dylan und Bruce Nauman, die Filmemacher Dominik Graf, Tom Tykwer und Wim Wenders. Die Mitglieder werden - nach Vorschlägen aus den Fachbereichen - auf Lebenszeit gewählt. Das Durchschnittsalter ist relativ hoch. Nur 22 Prozent der Mitglieder sind Frauen. Das entscheidende Gremium ist der 14-köpfige Senat an dessen Spitze der Präsident steht.

Frischer Wind im "Schnarchclub"

Klaus Staeck, soviel ist sicher, hinterlässt große Fußstapfen: Noch vor zehn Jahren galt die Akademie als reichlich antiquiert. Der Schauspieler Ulrich Matthes, selbst Mitglied, bezeichnete sie gar als "Schnarchclub". Doch seit der streitbare Politkünstler Staeck 2006 die Führung der ehrwürdigen Künstlersozietät übernahm, weht dort ein frischerer Wind. In Akademiegesprächen greift sie gesellschaftspolitische Streitfragen auf. Sie verfasst Statements zu kulturpolitschen Themen, etwa dem transatlantischen Freihandelsabkommen. Zudem engagierte sie sich unter Staecks Ägide weltweit für verfolgte Künstler.

Plakatkünstler Klaus Staeck
Ein streitbarer Geist: Künstler Klaus StaeckBild: picture-alliance/dpa

Staeck habe die Akademie "mit Geschick, diplomatischem Gespür und seiner politischen Ader" auf einen zukunftsfähigen Weg geführt", lobte unlängst Kulturstaatsministerin Monika Grütters. Wer am Wochenende seine Nachfolge antritt, ist offen. Allzu viele Anwärter gibt es nicht. Dafür macht der Posten zu viel Arbeit. "Beim meinem Amtsantritt gab es Stimmen, die die Existenz der Akademie infrage gestellt haben", bilanziert der scheidende Akademie-Präsident, "heute werden wir wieder respektiert. Unsere Stimme wird gehört!"

sd/as (dpa/epd)