Olga Scheps spielt Scooter-Songs
15. Dezember 2017Die deutsch-russische Pianistin und ECHO-Preisträgerin Olga Scheps ist unter anderem berühmt für ihre Interpretationen von Chopin und Satie. Der Klassik-Kritiker Joachim Kaiser bezeichnete sie einmal als "echte Entdeckung". Jetzt ist ihr neues Album erschienen, mit Stücken der deutschen Techno-Gruppe Scooter, die 25 Jahre Musikkarriere feiert.
DW: Wie kam es zu dieser ungewöhnlichen Kooperation?
Ich wurde kontaktiert durch das Management von Sven Helbig (Arrangeur und Produzent, Anm. d. Red.). Er hat diese Stücke zusammen mit Clemens Pötzsch geschrieben. Variationen, Transkriptionen zu schreiben, ist eine sehr gängige und kreative Art, Musik zu machen. Schon seit vielen Jahrhunderten. Ich war direkt sehr neugierig darauf.
Worin lag für Sie der Reiz dieser Stücke?
Ich fand, dass Sven sehr tolle Einfälle hatte. So hat er zum Beispiel ein Stück klingen lassen wie eine Fuge von Bach. Zwischendurch klingt das Stück dann wieder wie aus einem ganz anderen Jahrhundert und geht am Ende wieder zurück zu Bach. Das Stück "4 AM" (mit der Melodie von Beverley Cravens Hit "Promise Me", Anm. d. Red.) zum Beispiel ist bei Scooter im 4/4-Takt, wie die meisten ihrer Songs, und bei Sven ist es ein 7/4-Takt.
Es war sehr kreativ. Und es ging nicht darum, die Songs nachzuspielen, sondern Sven hat komplett neue Stücke erschaffen. Es hat sehr viel Spaß gemacht, bei der Entstehung dieser Musik dabei zu sein. Ich habe auch ein paar eigene Ideen einfließen lassen. Natürlich habe ich auf dem Klavier eine andere Klangsprache als eine Band wie Scooter sie hat – Vocals, elektronische Elemente, Bässe, Verstärker… diese ganzen klanglichen Mittel habe ich nicht auf dem Klavier, dafür aber andere. Ich finde, dass man auf dem Klavier alles ausdrücken kann.
Haben Sie eine persönliche Verbindung zur Musik von Scooter?
Ihre Musik hat ziemlich gute Vibes, und ich kenne sie gefühlt schon immer. Das ist auch meine Generation. Scooter sind entstanden, da war ich etwa fünf. Irgendwie lief Scooter auch immer irgendwo.
Und ich bin generell sehr interessiert an Musik. Ich kenne sehr viel, und ich trenne nicht gerne zwischen verschiedenen Stilen. Klar, es gibt verschiedene Klangsprachen, aber in erster Linie muss Musik berühren. Das ist das, was mich interessiert. Und ich denke, dass der musikalische Inhalt – die Gefühle, die Emotionen – in den verschiedenen Musikrichtungen sehr ähnlich oder sogar die gleichen sind. Alles andere ist Geschmackssache.
Können Sie sich vorstellen, in Zukunft ähnliche Projekte zu machen? Ausflüge in andere Stile?
Ich plane das nicht. Manchmal kommt etwas von außen, und dann habe ich Lust darauf, es zu machen. Ich mache nichts, worauf ich künstlerisch keine Lust habe. Was den sogenannten "Stilmix" betrifft: Dass verschiedene musikalische Stile sich gegenseitig inspiriert haben, das war schon immer so, schon seit vielen, vielen Jahrhunderten. Das ist bei Tschaikowsky so, das ist bei Beethoven so, das ist bei Schumann so. Viele verschiedene Künstler haben sich gegenseitig inspiriert. Sie haben auch beieinander Ideen abgeguckt, sogar geklaut und variiert. Das ist immer Teil des Musikmachens gewesen. Ich habe mich nicht in die Popmusik "gewagt", denn das hier ist ein Klassikalbum, wenn man es schon in eine Kategorie tun will.
Ihre Familie ist ja sehr musikalisch. Gibt es eine bestimmte Musik, die bei Ihnen zu Hause an Weihnachten gehört wird?
An Weihnachten steht im Vordergrund, dass wir alle mal an einem Tisch sitzen, weil das sehr selten passiert. Mein Vater ist viel unterwegs, mit Konzerten, Meisterkursen, oder er ist Jury-Mitglied bei Klavierwettbewerben. Er unterrichtet an der Musikhochschule Köln/Aachen als Professor für Klavier. Ich bin viel weg, meine Schwester lebt in einer anderen Stadt mit ihren drei Kindern, und wir sehen uns einfach alle sehr selten. Meine Oma besuche ich leider auch nicht so oft, wie ich das gerne machen würde.
Weihnachten haben wir alle mal die Zeit, uns an einen Tisch zu setzen. Ich freue mich sehr drauf, und wir werden uns dann viel zu erzählen haben. Das steht im Mittelpunkt.
Das Gespräch führte Philipp Jedicke.
Das Album "100% Scooter - Piano Only" erscheint am 15.12. bei Kontor Records. Es ist Teil des Best-Of-Jubiläum-Pakets "100% Scooter (25 Years Wild & Wicked)".
Scooter-Frontmann H. P. Baxxter sagte laut dpa auf der Pressekonferenz zum Album am 13.12.: "Wer hätte gedacht, dass es so schön klingen kann - und so anders. (…) Ich habe unsere Songs noch nie in der Art gehört und war auf Anhieb begeistert! Olga Scheps ist eine geniale Pianistin, und ich finde es bewundernswert, dass sie offen ist, sich mit einer komplett anderen Musikrichtung wie Techno auseinanderzusetzen. Als ich zum ersten mal 'One (Always Hardcore)' in ihrer Interpretation gehört habe, war ich emotional berührt und hatte Gänsehaut."