Kleiderbügel für Szydło
5. April 2016Tausende Polinnen und Polen gingen am Wochenende mit Transparenten auf die Straße, auf denen zu lesen war: "Mein Körper gehört mir", "Make love not PiS", "Wenn wir tot sind, kriegen wir keine Kinder" oder "Wir überlassen Polen nicht den Fanatikern". Gleichzeitig fanden ungewöhnliche Protestaktionen in Kirchen statt. Eine Organisation namens "Frauen für Frauen" rief erfolgreich dazu auf, dass Frauen demonstrativ den Gottesdienst verlassen sollten, wenn Priester einen Brief des Episkopats an die Gläubigen verlesen. In dem Brief bekräftigten polnische Bischöfe ihre Unterstützung für schärfere Abtreibungsgesetze.
Dabei hat Polen seit 1993 eines der restriktivsten Abtreibungsgesetze überhaupt. Eine Verschärfung der polnischen Gesetze käme einem totalen Abtreibungsverbot gleich - denn eine Abtreibung wäre nur möglich, wenn die Schwangerschaft das Leben der Mutter gefährden würde. Für schärfere Gesetze setzen sich die katholische Kirche, kirchennahe Organisationen und die Regierungspartei PiS ein.
Drastisches Symbol
Bei den Demonstrationen in mehreren polnischen Städten hielten Frauen nicht nur Transparente, sondern auch einfache Kleiderbügel hoch. "Ein Kleiderbügel aus Draht ist ein Symbol für drastische Abtreibungsmethoden", schrieben die Initiatoren der Aktion auf ihrer Facebook-Seite. Da ein Abtreibungsverbot ohnehin umgangen werde und zwar jenseits der Krankenhäuser und ohne Ärzte, solle man das drastische Symbol anschließend der polnischen Regierungschefin Beata Szydło zuschicken, hieß es im Aufruf. Sie hatte kürzlich angekündigt, dass sie "den Kampf um das ungeborene Kind" unterstützen möchte. Mittlerweile rudert sie etwas zurück, doch die Aktion rollt.
Seit zwei Tagen bekommt die Ministerpräsidentin viele Kleiderbügel per Post zugeschickt und ein Ende der Protestaktionen ist nicht in Sicht. Millionen von Polinnen und Polen empfinden nämlich den Ruf nach schärferen Gesetzen als eine maßlose Einmischung des Staates und der Kirche in das Privatleben der Bürger und wehren sich auf ihre Art.
Gerade startete eine neue Initiative, die nicht nur das Postbüro der Regierungschefin, sondern auch ihre E-mail-Fächer verstopft. "Die Regierung möchte unsere Gebärmütter, unsere Eizellen und unsere Schwangerschaften kontrollieren - ist das nicht nett und freundlich? Machen wir es ihr doch einfacher und informieren sie genauer über die Details unseres Zykluses!", schrieben die Ideengeberinnen auf Facebook und lösten damit eine E-Mail-Lawine aus.
Fan-Post-Lawine
"Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin, hiermit möchte ich Sie informieren, daß mein Zyklus wie geplant verläuft. Zeitweise tat mir der Bauch sehr weh, aber mit einer Wärmeflasche zuhause ging es mir dann besser", schrieb eine Frau namens Malina an Beata Szydło und tausende anderer Frauen machten es ihr nach. Die meisten beschrieben die Details ihrer Menstruation, ihrer Empfängnis und ihrer Gesundheit. Und zunehmend melden sich auch Männer zu Wort und stellen Fragen: "Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin, sorgen sich die Regierung und die Kirche auch um die Fortpflanzungsorgane der Männer?", schreibt Marcin. "Sollte ich Ihnen vielleicht monatliche Berichte darüber einreichen, welche Unterwäsche ich trage? Ich habe gehört, dass zu enge Shorts meine Zeugungsfähigkeit beeinträchtigen könnten. Ich könnte auch manches beichten."
Die "Frauen für Frauen" kündigen weitere Aktionen an. Mittlerweile wird auch dazu aufgerufen, Briefe per Post an die Regierung zu verschicken und die Kanzlei der Premierministerin anzurufen. Die neueste Idee heißt: "Leg die Banken lahm!". Wenn eines Tages Frauen ihre Ersparnisse aus polnischen Banken abziehen würden, wäre es soweit, schreiben sie auf der Facebook-Seite. Doch ob die Idee umgesetzt wird, diskutierten die Frauen noch. Dafür spräche aus Sicht der Aktivistinnen, dass man so ein Zeichen setzen und daran erinnern würde, dass Frauen einen großen Teil der Wirtschaftkraft Polens schaffen. "Dafür gebührt uns Respekt!", schreiben die Aktivistinnen auf ihrer Facebook-Seite. Gleichzeitig fordern sie Frauensolidarität - in diesen Zeiten sei sie in Polen gefragter denn je.