Kleines Lexikon der Griechenland-Krise
11. Juli 2015IWF: Der Internationale Währungsfonds, auf Englisch IMF (International Monetary Fund). Der Fonds wurde 1944 gegründet und ist eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen. Er hat 188 Mitgliedsländer, von denen jedes Einlagen in den Fonds einzahlt: wirtschaftlich starke Länder mehr, schwächere Länder weniger. Die Mitglieder mit den höchsten Einlagen haben auch die meisten Stimmrechte. An der Spitze stehen hierbei die USA.
Zu den Aufgaben des IWF gehört es, Ländern in finanziellen Schwierigkeiten zu helfen. Dazu vergibt der Fonds Kredite, allerdings nur unter bestimmten Bedingungen. Griechenland hat vom IWF Kredite in Höhe von rund 30 Milliarden Euro erhalten. Zu den Auflagen gehören starke Einsparungen bei den Staatsausgaben, etwa durch Stellenabbau im öffentlichen Dienst sowie Kürzungen bei Renten, im Gesundheitssystem und beim Mindestlohn.
Vollständig hat Griechenland das nicht erfüllt. Das Land schuldet dem Fond immer noch rund 25 Milliarden Euro. Eine Rate von 1,5 Milliarden Euro konnte es am 1. Juli nicht zurückzahlen und war damit das erste Industrieland, das einen IWF-Kredit platzen ließ.
EZB: Die Europäische Zentralbank. Sie ist für die Geldpolitik in der Eurozone zuständig und wacht über die Stabilität der Gemeinschaftswährung Euro. Laut Maastricht-Vertrag ist die EZB unabhängig von der Politik, die direkte Finanzierung von Staaten ist ihr verboten.
Das Kapital der EZB kommt von den Staaten der Eurozone und, zu einem wesentlich kleineren Teil, EU-Mitgliedern, die den Euro (noch) nicht haben. Seit November 2011 ist der Italiener Mario Draghi Präsident der EZB. Nur die Zentralbank hat das Recht, die Ausgabe von Banknoten in der Eurozone zu genehmigen. Sie versorgt die Geschäftsbanken in den Mitgliedsstaaten mit Bargeld.
Während der Krise hat die EZB auch griechische Staatsanleihen gekauft, die sie noch immer besitzt. Das wurde vor allem in Deutschland stark kritisiert. Die griechischen Anleihen bei der EZB haben eine Wert von 20 Milliarden Euro und müssen von Griechenland zu festen Terminen bedient werden. Am 20. Juli werden 3,5 Milliarden Euro fällig.
Außerdem hat die EZB griechischen Banken Kredite gegeben, als Sicherheit haben die Institute griechische Staatsanleihen hinterlegt. Kurz nach dem Antritt der Regierung Tsipras hat die Zentralbank jedoch entschieden, keine griechischen Staatsanleihen mehr als Sicherheit zu akzeptieren. Dadurch ist eine wichtige Finanzierungsquelle für die Banken des Landes versiegt.
Seitdem sind die Institute auf Nothilfen angewiesen, sogenannte ELA-Kredite.
ELA-Kredite: Notfall-Liquiditätshilfe, oder Emergency Liquiditiy Assistance. Mit diesen Notkrediten hält die griechische Zentralbank, die Bank of Greece, die Institute des Landes liquide.
Seit Ende Juni sind die Banken geschlossen. Griechen können nur noch 60 Euro pro Tag und Person vom Konto abheben, Überweisungen ins Ausland sind ohne Sondergenehmigung nicht möglich. ELA-Kredite sind die einzige Möglichkeit der Banken, an frisches Geld zu kommen.
Allerdings bestimmt die EZB, wie viele dieser Kredite vergeben werden dürfen. Zuletzt hat sie das Volumen der ELA-Kredite bei rund 89 Milliarden Euro eingefroren. Genaue Zahlen gibt es nicht, aber nach Medienberichten ist die Summe fast ausgeschöpft. Da viele Menschen weiterhin ihre erlaubten 60 Euro pro Tag abheben, könnte den griechischen Banken bald das Bargeld ausgehen.
Wenn es im Schuldenstreit keine Einigung gibt oder Griechenland die am 20. Juli anstehende Zahlung an die EZB nicht leisten kann, müsste die Zentralbank die Notkredite komplett einstellen. Die griechischen Banken wären dann sofort zahlungsunfähig.
Eurogruppe: Ein Gremium der Europäischen Union, in dem die Mitglieder der Währungsunion ihre Politik koordinieren. Vertreten werden die Euroländer durch ihre Finanzminister. Vorsitzender der Gruppe ist derzeit der niederländische Finanzminister Jeroen Dijsselbloem.
Die Euroländer sind auch direkte Gläubiger Griechenlands. Gemeinsam haben sie dem Land mehr als 50 Milliarden Euro gegeben. Die Euro-Finanzminister sitzen auch im Verwaltungsrat des Rettungsschirms ESM und entscheiden so über weitere Hilfen.
ESM: Der Europäische Stabilitätsmechanismus. Er trat am 27. September 2012 in Kraft. ESM und sein Vorgänger EFSF (Europäische Finanzstabilisierungsfazilität) bilden gemeinsam den sogenannten "Rettungsschirm" der Eurozone.
Bisher wurden rund 130 Milliarden Euro an Krediten aus dem Rettungsschirm (EFSF) an Griechenland vergeben. Neue Hilfen müssten aus dem neuen ESM kommen.
Ziel des Rettungsschirms ist es, die Zahlungsunfähigkeit eines Landes durch Notkredite und Bürgschaften zu verhindern. Der ESM hat ein Stammkapital von 700 Milliarden Euro. Das Geld kommt von den Euroländern, die je nach ihrer Wirtschaftskraft verschiedene Summen beitragen.
Hilfe wird laut ESM-Vertrag nur gewährt, wenn sie "zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt und seiner Mitgliedsstaaten unabdingbar" ist. Auch hier gilt: Wer Unterstützung will, muss Sparmaßnahmen und Reformprogramme in Gang setzen. Griechenland hat zuletzt um einen Drei-Jahres-Kredit gebeten und sofortige Steuer- und Rentenreformen angekündigt.
Unterschied zwischen Schuldenschnitt und Umschuldung
Bei einem Schuldenschnitt würde Griechenland ein Teil seiner Schulden erlassen, Gläubiger verlieren dabei Geld. Im Jahr 2012 war das bereits der Fall, allerdings nur für private Gläubiger. Banken und institutionelle Anleger verzichteten damals auf rund 100 Milliarden Euro.
Mittlerweile steht das Land bei seinen Gläubigern mit mehr als 300 Milliarden Euro in der Kreide. Rund drei Viertel der Schulden werden inzwischen allerdings von öffentlichen Gläubigern gehalten: den Euroländern (direkt und über den Rettungsschirm), dem IWF und der EZB.
Der IWF fordert einen Schuldenschnitt von gut 53 Milliarden Euro, auch Griechenland will einen Erlass. Die Begründung: Nur wenn die Schuldenlast verringert wird, ist sie tragfähig. Angela Merkel lehnt einen Schuldenschnitt dagegen ab, weil dadurch deutsche Steuergelder verloren gingen. Sie und auch andere Politiker verweisen zudem auf die Verträge der Währungsunion. Sie schließen aus, dass ein Land für die Schulden eines anderen Landes aufkommen muss.
Bei einer Umschuldung wird die Frist, in der das Geld zurückgezahlt werden muss, verlängert. Offiziell wird die Summe, anders als beim Schuldenschnitt, nicht verringert. Allerdings geht eine Umschuldung häufig mit niedrigeren Zinsen einher. Wenn die Rückzahlung um Jahre oder Jahrzehnte gestreckt wird, kann die Inflation den Wert des Geldes verringern. So bekommen die Gläubiger auch in diesem Szenario nicht ihr komplettes Geld zurück.