Kletterziel: Olympia 2020 in Tokio
5. Dezember 2018Der aktuell wohl weltbeste Sportkletterer im Fels hat die Sommerspiele 2020 fest im Visier. "Ich wollte immer schon bei Olympischen Spielen starten", sagt Adam Ondra der DW. Das Jahr 2019 werde er vorrangig dafür nutzen, um sich gezielt auf die Hallenwettbewerbe in Tokio vorzubereiten. Bei der WM im September in Innsbruck hatte Ondra in der "Olympischen Kombination" den zweiten Rang belegt, hinter dem Österreicher Jakob Schubert, vor dem Deutschen Jan Hojer.
Der 25 Jahre alte Tscheche wird in der Kletterszene als "Meister des Unmöglichen" gefeiert: Die von Ondra im Setember 2017 gekletterte extrem überhängende Route "Silence" in einer Höhle nahe Flatander in Norwegen gilt als schwierigste jemals gemeisterte Felskletterroute der Welt (Schwierigkeitsgrad 9c auf der französischen Kletterskala).
Ondra gehörte ursprünglich zu den schärfsten Kritikern des Wettkampfformats für die Olympia-Premiere des Sportkletterns im Jahr 2020. "An meiner kritischen Haltung hat sich nichts geändert", sagt der Kletterstar. "Aber wenn ich teilnehmen will, muss ich das Format akzeptieren. Eine andere Option gibt es nicht - außer auf die Spiele zu verzichten."
Gesucht: der beste Allrounder
In Tokio geht es um den Sieg in der Kombination aus drei sehr unterschiedlichen Disziplinen: Speedklettern, Lead (Vorstiegs- oder auch Schwierigkeitsklettern) und Bouldern (Klettern in Absprunghöhe). Die Diskussion darüber, ob eine solche Verknüpfung Sinn macht, erinnert an die Debatte um den Kombinationswettkampf im alpinen Skisport. Die Grundfrage lautet: Wie vereinbar sind Speed-Disziplinen mit "technischen" Disziplinen? Kaum, finden die Kritiker; müssen sie ja gar nicht, sagen die Befürworter, zu denen auch Martin Veith gehört: "Wir halten den Olympischen Dreikampf für eine sehr spannende Sache. Es ist im Prinzip eine neue Disziplin, auf die man sich speziell vorbereiten muss. Im Grunde fordert diese Kombination natürlich auch den kompletten Kletterer", meint der Sportdirektor für Leistungssport im Deutschen Alpenverein (DAV) gegenüber der DW. "Das ist sehr interessant, da sich nun Spezialisten mit eher unliebsamen Disziplinen beschäftigen müssen. Das fällt manchen einfacher als anderen."
Adam Ondra kommt ursprünglich aus dem Wettkampfklettern. Er war der Erste, der sowohl Weltcupgesamtsieger im Lead, als auch im Bouldern wurde und 2014 auch erstmals in beiden Wettbewerben WM-Gold gewann. Das Geschwindigkeitsklettern ist seine schwächste Disziplin. Das gilt auch für Alex Megos. "Bis vor kurzem war ich noch nie Speedklettern", sagt der 24 Jahre alte Deutsche, der wie Ondra schon als Jugendlicher Wettkämpfe in der Halle bestritt, bevor er sich im nächsten Schritt ganz dem Felsklettern widmete. Dort gehört Megos heute zur absoluten Weltspitze. Ondra nennt den Deutschen regelmäßig als Tipp für den nächsten Kletterer, der eine Route meistern könnte, die genauso schwierig ist wie seine in Norwegen.
Keine gute Figur beim Speedklettern
Seit Ende 2017 bestreitet Megos wieder Kletter-Wettkämpfe - auch mit Blick auf Tokio 2020. Allerdings ist er sich noch nicht sicher, ob er dort auch wirklich starten will: "Ich muss mir überlegen: Will ich die nächsten anderthalb Jahre nutzen, um meine Defizite abzubauen und mich für die Olympischen Spiele zu qualifizieren? Oder ist mir das zu aufwendig, und ich verliere zu viel Zeit am Fels?"
Auch Megos steht der Kombination kritisch gegenüber. "Letztlich werden die 20 besten Kombinierer zu den Olympischen Spielen fahren", sagt der Top-Kletterer der DW. "Von den Speedkletter-Assen hat - mit Ausnahme des Weltmeisters, der automatisch qualifiziert ist - eigentlich keiner eine realistische Chance, in Tokio antreten zu dürfen. Die Zeit ist zu kurz ist, um die Defizite in den anderen beiden Disziplinen aufzuholen. Die Besten im Bouldern und Leadklettern werden vielleicht dabei sein, aber dafür keine besonders gute Figur beim Speedklettern machen. Ich weiß nicht, wie das auf die Zuschauer wirkt. Es ist eigentlich nicht die Art, wie wir unsere Sportart präsentieren wollen."
Größeres Medieninteresse
Sportklettern liegt in Deutschland voll im Trend, unabhängig von Tokio 2020. "In den Kletterhallen war die Euphorie eigentlich schon vor der Entscheidung pro Olympia zu beobachten", sagt DAV-Sportdirektor Veith. Allein von den rund 1,2 Millionen Alpenvereinsmitgliedern gehen laut einer DAV-Befragung etwa 300.000 regelmäßig indoor klettern. Die Zahl der Hallen stieg in den vergangenen Jahren stark an, auf aktuell rund 500.
Der DAV registriert durch die Olympia-Premiere ein wachsendes Interesse der Medien. "Die Begeisterung für das Klettern springt nun immer öfter auf Menschen über, die Sport medial konsumieren oder einfach nur breit interessiert sind. Das ist schön zu beobachten", sagt Veith. Der Alpenverein hoffe jetzt, dass noch mehr Menschen vom "Lebensgefühl" Klettern infiziert würden und "mehr Kinder und Jugendliche das Thema Leistungssport für sich entdecken".
Felsklettern „eine Welt für sich"
Alex Megos erwartet, dass durch Tokio 2020 mehr Fördermittel für den Klettersport freigemacht werden. Dann, sagt Megos, könnten vielleicht auch mehr Kletterer ihren Sport zum Beruf machen: "Heutzutage ist es ja eine Seltenheit, dass jemand sagt, ich bin Profikletterer und kann davon auch wirklich leben." So wie er selbst oder auch Adam Ondra. Der Tscheche sieht als möglichen Olympia-Effekt, dass sich das Wettkampfklettern "zu einer besseren Show" entwickelt. "Gleichzeitig muss es nicht unbedingt einen negativen Einfluss auf das Felsklettern haben. Denn das ist eine Welt für sich."