Klimakonferenz in der Verlängerung
11. Dezember 2015"Nichts hält uns auf! Eine andere Welt ist möglich", skandieren Gruppen von Umweltschützern auch am Freitag vor den Türen der Konferenzhallen. Aber die Reise dahin ist, wie gewohnt, mühsam. Trotzdem läuft einiges anders als üblich bei dieser Klimakonferenz. Zwar braucht man auch in Paris mehr Zeit, als vorgesehen, baut sich der notwendige Druck erst ganz am Ende auf. Aber es gibt keine Weinkrämpfe und keine dramatischen Inszenierungen. Ein sichtlich erschöpfter Laurent Fabius hatte nach der letzten Nachtsitzung gefasst und bestimmt erklärt, man brauche nun doch mehr Zeit: Aber "die Atmosphäre ist gut, die Dinge gehen in die richtige Richtung". Der französische Vorsitzende behält die Zügel in der Hand und bekämpft das drohende Chaos, indem er neue Termine setzt: "Ich bin dabei, morgen früh um 9.00 Uhr einen neuen Textentwurf vorzulegen."
Blockierer müssen in den Beichtstuhl
Fabius bekommt in seinem schweren Job Hilfe von allen Seiten. UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon hält inzwischen bilaterale Treffen mit einigen Staaten ab, die weiter auf der Blockiererbank sitzen. Und er findet besonders warme Worte, um die Verhandlungsführer zu ermutigen: "Ich begrüße die diplomatischen Bemühungen der Franzosen. Schon in den vergangenen Monaten, ganz besonders aber in den letzten Tagen." Er habe schon viele schwierige Verhandlungen erlebt, aber diese in Paris seien die schwierigsten. Und die Franzosen ihrerseits betonen weiter, dass sie ein ehrgeiziges Abkommen wollen. Es soll nicht auf den kleinsten gemeinsamen Nenner hinauslaufen. "Es gab leider in der letzten Nachtsitzung keinen magischen Moment", sagt ein UN-Diplomat zum Verhandlungsverlauf. Jetzt sei es gut, dass man einfach offiziell verlängert habe. Es gab sogar ein paar Stunden Zeit zum Schlafen, am Mittag gehen die Gespräche weiter, und zwar im sogenannten Beichtstuhlverfahren. Dabei wird einzelnen Verhandlungspartnern individuelle Seelenmassage zuteil, um ihre Kompromissbereitschaft zu fördern.
Auch Präsident Obama schaltet sich inzwischen von Washington aus ein und telefonierte mit dem chinesischen Präsidenten Xi, um ihn zu weiterer Bewegung zu ermutigen. Obwohl China sich bei dieser Klimakonferenz nach Ansicht von Beobachtern weit konstruktiver zeigt als in der Vergangenheit, steht das Land doch im Zentrum eines der ungelösten Grundkonflikte. Es zählt sich weiter zur Kategorie der Entwicklungsländer, die sich seit dem Kyoto-Abkommen von den Kosten und Lasten des Klimawandels freigestellt sehen. Die Industrienationen wiederum sind mit dieser alten Aufteilung der Welt nicht mehr zufrieden. Sie wollen die aufsteigenden Volkswirtschaften ab 2020 schrittweise in die Finanzierung einbeziehen. Die Auseinandersetzung darüber geht weiter, sie ist einer der Stolpersteine in Paris.
Das Ziel ist richtig, es fehlen noch Werkzeuge
"Es ist als ob wir beschlossen hätten, zu welchem Kap wir segeln wollen, aber noch nicht den Wetterbericht und die Ausrüstung haben, es sicher zu umrunden", beschreibt Isabelle Autissier, frühere Weltumseglerin und Präsidentin von WWF Frankreich, die Situation. Sie lobt den zuletzt vorgelegten Text als ambitioniert, die Verhandlungen seien auf dem richtigen Weg. Und sie hält es für einen bedeutenden Schritt, dass der Vertragsentwurf das Klimaziel bei unter zwei Grad Erderwärmung, vielleicht sogar bei 1,5 Grad festschreiben wolle. Bloß die Beschreibung der Mittel, wie man das Ziel erreichen solle, sei noch viel zu vage. Nachbesserungen wollen die französischen Umweltschützer auch bei der Entschädigung für die am meisten betroffenen armen Länder, bei der Transparenz und der Finanzierung des Klimawandels. Auch in diesen Bereichen finden sie vieles noch zu unkonkret. Insgesamt aber lobt Autissier: "Der letzte Textentwurf war ein gutes Stück Arbeit und zeigt das starke Engagement der Verhandlungsführer." Jetzt dürfe man nicht nachlassen und müsse weiter nachbessern.
Auch andere Beobachter schätzen die Situation positiv ein. Der britische Klimaforscher Nicholas Stern erklärte, der Entwurf sei das Beste, was er bisher bei einer Klimakonferenz gesehen habe. Und Nick Nuttall, Sprecher des UN-Klimasekretariats, bewertet den Verlauf des Treffens beinahe überschwänglich, vor allem im Vergleich zu der gescheiterten Klimakonferenz von 2009: "In Kopenhagen ging es darum, zu retten, was schieflief. Hier sind sie dabei zu retten, was richtigläuft." Auch der Vorsitzende Laurent Fabius verbreitet in dieser entscheidenden Verhandlungsphase hochdosierten Optimismus: "Das wird ein großer Schritt für die ganze Menschheit sein." Der erfahrene Diplomat gibt jedenfalls sein Bestes, um diese Prognose wahrzumachen.