Klimarettung durch weniger Blähungen indischer Kühe
26. September 2017Die Gau Farm ist etwas besonderes unter Indiens Milchbetrieben. Es heißt, die Kühe dort würden weniger pupsen und rülpsen als im Rest des Landes. Das scheint vielleicht zunächst nicht sonderlich wichtig zu sein bis man bedenkt, dass es fast eine Milliarde Kühe auf der Welt gibt. Wenn die pupsen, dann enthält das Gas, was herauskommt, sehr viel Methan. Dieser Kohlenwasserstoff wiederum ist ein 25 Mal stärkeres Treibhausgas als CO2. Könnte man dafür sorgen, dass Kühe weniger, nunja, furzen, dann wäre das sehr, sehr gut für unser Klima.
Eine Möglichkeit scheint man auf der Gau Farm gefunden zu haben. Der Bio-Milchbetrieb hat 130 Kühe und liegt in Kota, etwa 500 Kilometer südwestlich von Indiens Hauptstadt Neu-Delhi. Auf Hindi bedeutet "Gau" Kuh. Der Firmenname steht aber auch für die Vornamen der Betreiber. Gagandeep, Amanpreet und Uttamjyot Singh sind Brüder.
Ihr Vater gründete die Farm vor 15 Jahren, eigentlich als Nebenprojekt. Erst seine Söhne machten daraus ein richtiges Unternehmen.
Heute ist der 27-jährige Amanpreet Singh der Leiter der Farm. Seine Kühe bekommen eine Mischung aus fein zerkleinertem Gras und Mais-Sprossen. Die wohldosierte Mischung senkt die typischen Emissionen von etwa 500 Litern Methangas pro Tag und Kuh drastisch.
"Wir haben die gesamten Methan-Emissionen um 60 bis 70 Prozent gesenkt, einfach nur indem wir das zusätzliche Futter reduziert haben", sagt Amanpreet Singh. Die Gau Farm verwendet Alfalfa und ein örtliches Gras namens Makkhan. Die Farm baut ihr Futter unter anderem in einer Hydrokultur an, in der die Pflanzen im Wasser ganz ohne Erde wachsen.
Grünzeug reduziert Methan-Emissionen
Eine derart drastische Senkung der Emissionen ist beeindruckend. Amanpreet kann seine Zahlen belegen - es sind Messwerte. Doch wie kann man feststellen, wie viel eine Kuh rülpst und pupst? Forscher können inzwischen die Methan-Emissionen von Vieh ermitteln. Sie setzen das Spürgas Schwefel-Hexafluorid frei und untersuchen mit Hilfe von Gas-Chromatographen die Luft um Nase und Maul der Kühe.
Und es gibt noch weitere Formen der Ernährung, die erforscht werden. "Füttert man Vieh mit fermentierten Destillerie-Produkten, so reduziert das die Methan-Emissionen", sagt Dr. Seema Midha, Tier-Ernährungsexpertin im staatlichen Rajasthan Livestock Nutrition Lab. "Die Verwendung von Ölsamenkuchen und einigen indischen Gewürzen reduzieren ebenfalls die Methan-Emissionen. Diese schneiden Mikroben, die im Darm von Vieh leben, die Versorgung mit Wasserstoff ab. Dadurch wird die chemische Reaktion von Kohlenstoff mit Wasserstoff und damit die Entstehung von Methan eingeschränkt."
Der Zusammenhang zwischen Tierfutter und Methan-Emissionen ist nicht unbemerkt geblieben. Neben den neuen Richtlinien für Viehfutter gibt das Forschungsinstitut auch Empfehlungen für Futtermittel heraus, die Methan-Emissionen senken und gleichzeitig die Milchproduktion steigern können. Das wäre ein Anreiz für die Bauern. Da das Schlachten von Kühen in Rajasthan verboten ist, sind die Milcherzeugung und die Kuhfladen-Produktion die einzigen Gründe für Bauern, die Tiere zu halten.
Nützliche Exkremente
Trotz der drastisch gesenkten Methan-Emissionen ihrer Kühe produziert die Gau Farm immer noch jede Menge Fäkalien, die - wenn sie sich zersetzen - Methangas bilden. Aber die Singhs haben eine nützliche Verwendung dafür gefunden.
Auf der Farm wandern Urin und Kuhdung in eine Biogasanlage, die täglich 40 Kilowatt Strom produziert, laut Viehzüchter Amanpreet, genug für die gesamte Farm.
Und das ist erst der Anfang. "Der Kuhdung und der Urin, die übrig bleiben, werden mit Pflanzen und Lebensmittelabfällen sowie Einstreu vermischt. Dazu kommen Regenwürmer. Daraus produzieren wir ein nährstoffreiches Bodenverbesserungs- und Düngemittel", sagt Giriraj Sharma, der den Prozess leitet. "Das ist sehr guter Dünger für alle Pflanzen, Früchte, Nutzpflanzen und Gemüse."
Dung mit einem höheren Zweck
Die Farm verkauft sogar getrocknete Kuhfladen über das Internet. Der halbflüssige Kuhdung wird zunächst getrocknet und dann in großen Solarkochern erhitzt. Die getrockneten Fladen werden vorsichtig in Kartons verpackt, damit sie beim Transport nicht zerbrechen und dann in ganz Indien verschickt, 500 bis 1000 Fladen pro Woche. Ein Dutzend Fladen kosten etwa 120 Rupien (umgerechnet ca. 1,50 Euro).
Wofür braucht man Kuhfladen? Sie werden zumeist für religiöse Zwecke gekauft, für hinduistische Yajna-Rituale beispielsweise. Hierbei werden Gebete vor einem heiligen Feuer gesprochen, das von getrocknetem Kuhdung genährt wird.
"Kuhdung ist sehr wichtig", sagt der Hindupriester Pandit Ravi Shastri in einem Tempel unweit der Gau Farm. "Er ist sehr rein und heilig." Außerdem soll es Mücken und andere Insekten vertreiben, wenn man ihn verbrennt.
Die Gau Farmer versuchen jedoch nicht nur effizient zu wirtschaften, sie teilen auch ihre Erkenntnisse mit den örtlichen Bauern.
Der 53-jährige Bhawani Singh ist zur Farm gekommen, um mehr darüber zu erfahren, wie man Kuh-Exkremente nutzen kann. Er ist einer von 10 Bauern, die an einem Workshop über "Kuhdung-Management" teilnehmen, den die Farm organisiert hat.
Er sagt: "Das ist eine ganz simple und leichte Methode, um die Nebenprodukte der Kühe effizient zu nutzen. Man braucht nicht viel Geld oder Zeit dafür und kann es überall anwenden. Ich werde den Bauern in meinem Dorf beibringen, wie sie dieses Modell übernehmen können, für gesunde Kühe und ein sauberes Klima."
Indien soll seine Treibhausgas-Emissionen senken, um die Klimaziele einzuhalten, die in Paris 2015 festgelegt wurden. Die Farmer von Gau hoffen, dass ihre Innovationen helfen werden das zu erreichen.