Klimaschutz durch Fleischverzicht
15. November 2012Jeder Deutsche verursacht durch seinen Lebensstil pro Jahr im Durchschnitt etwa elf Tonnen CO2. Das ist sein sogenannter "Klimafußabdruck". Die Naturschutzorganisation World Wide Fund for Nature (WWF) hat untersucht, wie viel davon auf die Ernährung zurückzuführen ist. In ihrer Studie "Klimawandel auf dem Teller" blickten die Wissenschaftler dabei auf die Treibhausgase, die bei der Herstellung des Essens entstehen. Vom Anbau der Futterpflanzen für Rinder, Schweine und Geflügel über den Transport nach Deutschland und die Lagerung der Lebensmittel bis hin zur Zubereitung in den Haushalten ging alles in die Berechnungen ein. Auch die sogenannten "indirekten Emissionen" wurden berücksichtigt. Sie entstehen zum Beispiel durch die Umwandlung tropischer Regenwälder in Weideland oder Anbauflächen für Tierfuttermittel.
Gemüse statt Geschnetzeltem
In einem zweiten Schritt berechneten die Experten den Wert neu unter der Annahme, dass jeder Deutsche nur noch halb so viel Fleisch essen würde. Das entspricht den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, nach denen 450 Gramm Fleisch pro Woche völlig ausreichend sind.
Die Zahlen sind beeindruckend - besonders für eine Autofahrernation wie Deutschland: "Wenn wir nur an einem Tag weniger pro Woche Fleisch essen würden, könnten wir immerhin neun Millionen Tonnen CO2 sparen. Das haben wir umgerechnet und dabei kam raus, dass man 75 Milliarden Kilometer weniger mit dem Auto fahren müsste, um das gleiche Einsparpotenzial zu erreichen", sagt Tanja Dräger de Teran, WWF-Referentin für Klimaschutz und Ernährung. Und für diejenigen, die es ganz genau wissen wollen, ergänzt sie mit einem Schmunzeln: "Der Klimafußabdruck für Schweinebraten liegt bei ungefähr 2.000 Gramm. Ein Auto stößt ungefähr 120 Gramm pro Kilometer aus - das macht für den Schweinebraten etwa 20 Kilometer Autofahrt".
Das darf aber nicht dazu führen, dass jemand nach dem Verzicht auf Fleisch anschließend mit gutem Gewissen zum Kilometerfresser wird, sagt Dräger de Teran im Gespräch mit der DW. Im Gegenteil: sie plädiert dafür, sowohl das Autofahren als auch den Fleischkonsum einzuschränken: "Wir müssen Kohlendioxid einsparen, wo wir nur können und Emissionen signifikant reduzieren. Da ist jeder Beitrag wichtig."
Klimaschutz für Gesundheit und Geldbeutel
Unterstützung erhält der WWF von Nichtregierungsorganisationen wie Brot für die Welt. Deren Landwirtschaftsexperte Stig Tanzmann weist darauf hin, dass durch den weltweit steigenden Fleischkonsum auch immer mehr Fläche für den Anbau von Futtermitteln oder als Weideland gebraucht werde. Allein für nach Deutschland importierte Futtermittel würden in den Anbauländern zwei Millionen Hektar Land benötigt. Das sei mehr als zehn Prozent der gesamten deutschen landwirtschaftlichen Fläche. Als Folge davon würden zum Beispiel in Südamerika immer wieder Ureinwohner von ihrem Land vertrieben. Auch der Einsatz gesundheitsschädlicher Dünge- und Pflanzenschutzmittel nehme zu.
Doch auch für Deutschland hätte ein reduzierter Fleischkonsum Vorteile, zum Beispiel für das deutsche Gesundheitssystem, betont Tanzmann: "Viele Herz-Kreislauf-Erkrankungen rühren daher, dass zu viel Fleisch und Fett gegessen wird." Deshalb müsse die Bundesregierung viel stärker als bisher in den Schulen für gesundheitliche Aufklärung sorgen und für eine fleischärmere Ernährung werben. "Aber da tut sich die Regierung schwer, weil es eine starke Gegenbewegung gibt, eine Industrie, die Interesse daran hat, dass der Fleischkonsum hoch bleibt."
Neben dem Verzicht auf Fleisch gibt es einen weiteren Aspekt, der für WWF-Ernährungsexpertin Tanja Dräger im Zusammenhang mit dem Klimaschutz wichtig ist: Wenn die Deutschen nur so viel einkaufen würden, wie sie auch wirklich benötigen, müssten nicht so viele Lebensmittel entsorgt werden und es könnten rund 800 kg CO2 pro Person und Jahr eingespart werden. Und das hätte auch noch einen weiteren positiven Nebeneffekt, sagt Tanja Dräger: "Wenn wir tatsächlich weniger wegschmeißen würden, könnte eine vierköpfige Familie pro Jahr bis zu 1.200 Euro sparen."